Gutes muss nicht von weither kommen

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Es ist ein eher ungewöhnlicher Anblick am vergangenen Wochenende in der Maria-Montessori-Allee in Bonn-Villich: Zwei große Nightliner mit verdunkelten Fensterscheiben parken zwischen Kleinwagen mit Bonner Kennzeichen. Die ruhige Straße entlang erstrecken sich Einfamilienhäuser mit ordentlichen Vorgärten. Dahinter schiebt sich eine enorme Bühne empor.

Das Green Juice Festival fand am Freitag und Samstag zum 12. Mal im direkt im beschaulichen Wohngebiet gelegenem Park Neu-Villich statt. Was der 2008 erst 13-jährige Veranstalter Julian Reininger gemeinsam mit seinem Bruder und einem Kumpel im Rahmen des Sommerfestes des Jugendzentrums HiP mit Hilfe eines zur Bühne umfunktionierten Lkw auf die Beine gestellt hat, ist mit insgesamt 8500 Besuchern mittlerweile zu einer festen Größe in der überregionalen unabhängigen Musikszene herangewachsen. Es ist das Haus seiner Eltern, vor dem die Nightliner parken. Doch auch lokale Bands und Newcomer haben nach wie vor ihren festen Platz im Line-up des Festivals. So dürfen mit Wildfire, Chin Up und Roskapankki insgesamt drei Bonner Bands die vielfältige lokale Musikszene repräsentieren.

Höhepunkt des Festivals

Am Freitagnachmittag fordern die Berliner Pop-Punker von Smile and Burn zu staubigen Circle Pits auf. Mit Giant Rooks folgt bereits der geheime Höhepunkt des Festivals. Eigentlich müsste die Indie-Pop-Band aus England kommen. Tut sie aber nicht – die fünf Jungs kommen aus Hamm, und klingen trotzdem so verdammt nach Alt-J oder Arcade Fire, dass so mancher Festivalbesucher das gar nicht glauben mag. Lässig wie ein alter Profi wischt der gerade einmal Anfang-20-jährige Frederik Rabe seine braunen Haare aus den Augen, haut in die Saiten seiner Gitarre und beginnt zu singen. Und beweist: Gutes muss nicht unbedingt von weither kommen.

Das beweisen auch OK KID als Headliner des ersten Festivaltages. Das Trio aus Köln begeistert mit seinen politikdurchtränkten Texten irgendwo zwischen Indie-Pop und Hip-Hop. Zu ihrem Song „Lügenhits“ trägt Sänger Jonas Schubert einen Hut in den Deutschlandfarben auf dem Kopf und fragt in die Menge hinein: „Wo ist Helene, wenn du sie gerade brauchst?“ Der Song kritisiert die Inhaltslosigkeit von deutscher Mainstream-Musik. Die sucht man auf dem Green Juice vergeblich. Dafür kann Alli Neumann aus Hamburg am Samstagnachmittag als glänzendes Paradebeispiel herhalten. Dass ihre Musik nicht für eine gesichtslose Masse ist, stellt sie unter Beweis, als sie mitten im Set einzelne Besucher aus der Menge herauszupicken beginnt: „Hey, dich hab ich schon mal auf einem meiner Konzerte gesehen! Und dich kenne ich von Instagram! Cool, euch alle hier wiederzusehen!“ Schade nur, dass sie tatsächlich die einzige Frau ist, die an diesem Wochenende auf der Bühne des Green Juice Festivals spielen darf. Auch wenn sie das mit Humor nimmt: „Ich hatte im Backstage überhaupt keine Probleme, mir ein Glätteisen auszuleihen. Hier haben ja fast alle lange Haare.“

Unter dem krönenden Abschluss-Feuerwerk spielt dann die schwedische Rockband Royal Republic. Mit einem Cover von „Battery“ bringen sie sogar Metallica in den kleinen Park von Neu-Villich.

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