Hanna Koller zum Kölner Kulturpreis„Der Preis ist ein Ausrufezeichen für den Tanz“

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Hanna Koller wird als Kulturmanagerin des Jahres geehrt.

Hanna Koller wird als Kulturmanagerin des Jahres geehrt.

Köln – Gratulation zum Kölner Kulturpreis, Frau Koller. Ist das eine Auszeichnung mit kalkulierter Signalwirkung für den Tanz?

Ganz bestimmt. Es ist ein Ausrufezeichen für den Tanz, und ich finde es großartig, dass der Kulturrat dem Tanz diese Wertigkeit beimisst. Vielleicht ist daran auch die Hoffnung geknüpft, dass die Zusammenarbeit mit Choreograf Richard Siegal, mit dem die Bühnen in den letzten Jahren eine Kooperation eingegangen sind, längerfristig fortgesetzt wird. Ich würde mir zudem wünschen, dass man die Strahlkraft des Preises nutzt, jetzt noch einmal über die Bedingungen der Freien Szene in Köln zu sprechen, da gibt es leider nur eine sehr überschaubare positive Entwicklung in den letzten Jahren.

Wofür steht „Tanz.Köln“?

Für eine Tanzreihe zeitgenössischer Kompanien, die widerspiegelt, was auf relativ hohem Niveau in Europa passiert.

Sie sagen „zeitgenössisch“, das meint aber nicht zwingend „neu“.

Das stimmt. Mir ist es wichtig, von Künstlerinnen wie Sasha Waltz oder Anne Teresa De Keersmaeker, die schon sehr viele Jahre als Choreografinnen arbeiten, auch die alten Stücke zu zeigen. Es geht darum, ein Publikum zu bilden – vielleicht vergleichbar einer Retrospektive zu einem Maler in der bildenden Kunst.

Preisverleihung am 24. September

Der Kölner Kulturpreis in der Kategorie „Kulturmanger/in des Jahres“ geht an Hanna Koller. Sie kuratiert an den Bühnen der Stadt Köln das Tanzgastspielprogramm. Die Jury würdigt, dass es ihr trotz schwieriger Bedingungen gelingt, großartige Tanzereignisse nach Köln zu holen.

Den Ehrenpreis erhält in diesem Jahr die Mäzenin Anna Friebe-Reininghaus.

Die Verleihung des Preises, den der Kölner Kulturrat ausrichtet, findet am 24. September statt. Dann wird auch bekannt, welche Junge Initiative ausgezeichnet wird und was das „Kulturereignis des Jahres 2017“ ist.

Der Jury gehörten an: Gerhart Baum, Stephan Berg, Hermann Hollmann, Jörg Krauthäuser, Martin Oehlen, Hartmut Wilmes und Regina Wyrwoll.

Warum ist diese Bildung wichtig?

Man versteht eine Choreografenpersönlichkeit einfach besser, wenn man Entwicklungen verfolgt. Es braucht eine gewisse Basis, damit das Publikum die Qualität eines Künstlers erkennt und offen ist für die neuen Werke, auch wenn ein Stück mal nicht den Geschmack trifft. Deshalb gibt es Choreografen, die immer wieder kommen, aber genauso möchte ich in jeder Spielzeit einen neuen Künstler für Köln entdecken – mein persönlicher Ehrgeiz.

Dabei haben Sie schon Mut bewiesen, etwa mit einem Re-Enactment, einer Nachstellung aus den 1960er Jahren oder einer rockigen Freak-Show aus Island. Welche Reaktionen bekommen Sie?

Es gibt natürlich auch Kritik, aber großartig ist es, wenn die Leute sagen: „Das war nicht so meins, aber macht nichts, ich komme wieder“ Schade finde ich, dass es immer noch so viele Diskussionen über die Frage gibt: Ist das noch Tanz? Da muss ich mich wohl noch mehr mit der Vermittlung beschäftigen.

Wie ist es in einer Stadt Tanz zu kuratieren, die über die Jahre die Sparte immer weiter abgeschafft hat?

Ich habe die Endphase der letzten städtischen Kompanie, eben des „Tanzforums“ miterlebt. Damals gab es ein großes Publikum für den Tanz. Aber nachdem das „Tanzforum“ fort war, ist das völlig weggebrochen. Dann kam Amanda Miller, mit der wir einen Großteil des Publikums nicht erreichen konnten. Erst mit den Gastspielen wuchs langsam wieder das Interesse am Tanz. Jetzt ist eine so große Begeisterung da, dass ich glaube: Köln bereit ist für mehr.

Wünschen Sie eine feste Kompanie?

Ich wünsche mir, dass Tänzer regelmäßig bei uns vor Ort sind. Ich will die Gastspiele nicht abschaffen, weil ich es bereichernd finde, unterschiedliche Tanzsprachen zu zeigen. Aber eine Kombination aus einer Residenzkompanie und Gastspielen – das fände ich optimal.

Ist das nicht völlig utopisch?

Das muss nicht utopisch sein! Die Bühnen wurden schon mehrfach von der Stadt aufgefordert, Konzepte zu entwickeln und es gibt Gespräche, wie so ein Modell aussehen kann.

Ein Schritt in diese Richtung ist die Kooperation mit Richard Siegal, dessen Kompanie „Ballet of Difference“ von Köln mitfinanziert wird. Warum Siegal?

Ich verfolge und schätze seine Arbeiten schon lange. Innerhalb meines Tanzprogramms, ja überhaupt in NRW sorgt er für eine ganz spezielle Farbe, weil er viel mit Spitzenschuhen arbeitet, aber weder in der Form des klassischen Balletts noch in der Form von Martin Schläpfer und dem Ballett am Rhein. Außerdem ist er sehr offen für andere Formen. Er wirkt in die Stadt hinein, gibt Workshops und wird in den nächsten Monaten mit den Schauspielern der Bühnen Köln und den Tänzern seiner Kompanie ein Stück erarbeiten. Er lässt sich also auf Sprache und ein Theaterensemble ein – das macht nicht jeder Choreograf.

Es gibt den Vorwurf, dass die freien Produktionshäuser wie das Tanzhaus NRW oder PACT Zollverein in Essen die Talent-Scouts sind. Dann kommen die finanziell besser ausgestatteten Stadttheater und schöpfen in Form von Gastspielen die Sahnehäubchen ab. Ist da was dran?

Ich sehe das auch so, und deshalb würde ich mir wünschen, ein Format zu finden, um auch jungen internationalen Choreografen eine Plattform bieten zu können. Auf der anderen Seite ist es die Aufgabe der freien Häuser, den Nachwuchs zu suchen. Es ist auch für sie ein Erfolg, wenn Künstler, die sie entdecken, zehn Jahre später in großen Häusern auftreten.

Ist das ein Grund, warum die Bühnen Köln auch Geld in die Szene geben und sich an Produktionskosten beteiligen?

Ich finde das sehr wichtig. Ich würde gerne mehr Residenzen vergeben, aber unsere Möglichkeiten sind begrenzt. In der Interimsspielstätte ist das vor allem ein räumliches Problem. Eine Tanzkompanie braucht einen Ballettsaal, und den können wir derzeit einfach nicht bieten.

Gibt es Kompanien, die Sie aufgrund der Interims-Spielstätten nicht einladen können?

Ja, zum Beispiel das Nederlands Dans Theater, eine Kompanie mit einer langen Tradition in Köln. Aber das Depot ist für eine so große Kompanie mit 30, 40 Tänzern zu klein und im Staatenhaus fehlen die technischen Voraussetzungen: Es gibt keinen Schnürboden und kein flexibles Licht. Das ist leider ein Wermutstropfen im Moment.

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