Kölner OperVerhältnis zwischen Intendantin und Generalmusikdirektor ist zerrüttet

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Da war noch alles in bester Ordnung: François-Xavier Roth und Birgit Meyer im Jahre 2015

Da war noch alles in bester Ordnung: François-Xavier Roth und Birgit Meyer im Jahre 2015

Köln – Das Verhältnis kann eigentlich nur besser werden. "Sie haben sich entliebt", es "fehlt an Vertrauen und Wertschätzung" - das sind zwei Formulierungen, denen man in der Kölner Kulturszene derzeit begegnet, wenn man nach dem Verhältnis von Opernintendantin Birgit Meyer und Generalmusikdirektor François-Xavier Roth fragt.

Die Sache ist heikel genug, denn die Verhandlungen zwischen Roth und Oberbürgermeisterin Henriette Reker über eine Verlängerung seines Vertrages - der bestehende läuft mit Ende der Spielzeit 2019/20 aus - treten nach Informationen des "Kölner Stadt-Anzeiger" in diesen Tagen in die entscheidende Phase. Und weil niemand an einem vorzeitigen Scheitern schuld sein will, fallen die Antworten auf einschlägige Fragen zurückhaltend aus.

Keine Stellungnahmen von Stadt oder Verwaltung

Erst recht will keiner der Auskunft Gebenden - sei es aus der Politik und der Stadtverwaltung, sei es aus Kreisen rund um das Gürzenich-Orchester oder die Oper - seinen Namen in der Zeitung lesen. Reker ließ mitteilen, sie äußere sich "grundsätzlich nicht zu laufenden Vertragsverhandlungen". Meyer erklärte lediglich: "Ich öffne stets alle Türen für eine gute Zusammenarbeit mit François-Xavier Roth." Roth selbst war am Montag für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Birgit Meyer

Birgit Meyer, 1960 in Köln geboren, ist seit der Spielzeit 2012/13 Intendantin der Kölner Oper. Sie trat die Nachfolge von Uwe-Eric Laufenberg an. In der Ära Laufenberg war Meyer stellvertretende Intendantin und Operndirektorin. Sie war zuvor tätig am Stadttheater Würzburg, an den Münchner Kammerspielen und am Tiroler Landestheater Innsbruck.

Von September 1999 an war sie Mitglied der Direktion an der Volksoper Wien. In Meyers Amtszeit fällt die Entscheidung der Stadt, die für 2015 geplante Wiedereröffnung der sanierten Oper abzusagen. Meyers Vertrag ist 2016 verlängert worden und läuft bis 2022. (ksta)

So oder so ergeben die Recherchen bei voneinander unabhängigen Quellen ein so eindeutiges Bild, dass sich Zweifel am - schlechten - Stand der Dinge erübrigen. Und es geht dabei eben nicht um verbesserte Bezüge, auf die Roth nach der gehaltlichen Höherstufung der Gürzenich-Musiker (wir berichteten) tatsächlich Anspruch zu haben scheint. Es geht zentral auch nicht um eine Neujustierung der Kompetenzen an der Oper. Roth will vielmehr, wie zu hören ist, überhaupt nicht mehr mit Meyer zusammenarbeiten und macht die baldige Ablösung der Opernintendantin zur Bedingung für die Vertragsverlängerung.

„Erpressung“ durch Roth?

Diese Bedingung - manche Beobachter sprechen von "Erpressung" - hat es in sich: Meyers Vertrag läuft noch bis 2022, eine vorzeitige Entbindung wäre juristisch schwierig und für die Stadt auf jeden Fall teuer - zumal Meyer jüngst noch ihren Willen bekundet hat, bis zum Auslaufen ihres Vertrags auf dem Opernchefsessel zu bleiben. In diesem Fall müssten Roth und Meyer sich noch vier Jahre lang arrangieren - so eben nicht ein Teil vorher hinwirft.

François-Xavier Roth

François-Xavier Roth, 1971 in Neuilly-sur-Seine in Frankreich geboren, ist Sohn des aus dem elsässischen Mülhausen stammenden Organisten Daniel Roth. Er ist seit 1. September 2015 Generalmusikdirektor der Stadt Köln und in dieser Position zuständig für die Auftritte des Gürzenich-Orchesters in Oper und Konzert. Sein aktueller Vertrag läuft bis 2020.

Roth war zuvor Musikdirektor des SWR Sinfonieorchesters Baden-Baden und Freiburg, für dessen Erhalt er sich (am Ende vergebens) eingesetzt hatte. Außerdem ist er Principal Guest Conductor des London Symphony Orchestra. Neben seiner Tätigkeit als Kölner GMD dirigierte Roth unter anderem das BBC Symphony Orchestra, das London Symphony Orchestra, die Wiener Philharmoniker, die Bamberger Symphoniker, das niederländische Radioorchester und das NHK-Sinfonieorchester in Tokio. In Köln wird er jetzt - Premiere ist am 29. April - die Neuproduktion von Bernd Alois Zimmermanns Oper "Die Soldaten" leiten. (ksta)

Nun wäre es im Prinzip möglich, den Konflikt zu beenden, indem man dem französischen Maestro die Erfüllung seiner Wünsche verweigert und ihn nach dem Motto "Wer nicht will, der hat schon" ziehen lässt. Dieser Lösung stehen allerdings gewichtige Argumente entgegen: Das kulturelle Köln wird bundesweit und international derzeit um relativ wenig beneidet - um seinen Generalmusikdirektor aber auf jeden Fall.

Roth hat Ruf Kölns verbessert

Spielqualität und Ausstrahlung des Gürzenich-Orchesters haben sich unter seiner Ägide noch einmal verbessert - die Erfolgsträchtigkeit dieser Liaison zeigte jüngst wieder die Spanien-Tournee der Formation. Das Orchester frisst seinem charismatischen Chef aus der Hand und will ihn, wie eine Umfrage unter den Musikern ergibt, auf alle Fälle behalten. Die Roth-Fans im Ensemble sind dabei oft genug eingeschworene Meyer-Gegner, die die Intendantin für zweitklassig und ihrer Aufgabe nicht gewachsen halten.

Auch der Politik macht die Aussicht, Roth nach mehr als verheißungsvollem Start relativ rasch wieder zu verlieren, wenig Freude. Dass Köln Roth, Roth aber nicht unbedingt Köln braucht, weiß man dort ganz genau. Und die Perspektive, in enger zeitlicher Nachbarschaft eines überragenden GMD und vielleicht Bilder der Sammlung Corboud verlustig zu gehen und die Stadt damit erneut überregionalem Hohngelächter auszusetzen - sie schreckt durchaus.

Meyer könnte 2022 gehen

So kommt von dieser Seite der Vorschlag, Meyer zwar nicht gleich in die Wüste zu schicken, aber Roth doch eindeutig zu signalisieren, dass man bereit sei, 2022 eine Neubesetzung der Opernleitung vorzunehmen und in diesem Sinne auch bald mit der Suche nach einem Meyer-Nachfolger zu beginnen. Saßen bislang zumal in CDU und FDP harte Meyer-Gegner, die keinen Hehl daraus machten, dass sie die Intendantin gerne lieber heute als morgen loswürden, so scheint sich mittlerweile auch die SPD, in der die Intendantin bislang eine sichere Bank hatte, zu bewegen - dergestalt, dass man eben für 2022 einen Intendantenwechsel ins Auge fasst.

Bleibt die Frage nach dem Grund der "Entliebung" zwischen Meyer und Roth. Die Eintrübung des zunächst ostentativ harmonischen Verhältnisses ist wohl auf das vergangene Jahr zu datieren. Im Sommer hatte der "Kölner Stadt-Anzeiger" über Unmut an der Oper wegen Roths geringer Präsenz am Haus berichtet, über Probleme, mit ihm Termine für Proben und Sängervorstellungen zu finden. Roth verdächtigte daraufhin aufgebracht Meyer, die Sache an die Presse "durchgestochen" zu haben. Das übrigens zu Unrecht, Meyer schweigt über diese personenbezogenen Dinge seit jeher wie ein Grab.

Meyer fühlt sich von Roth „gegängelt“

Wie man hört, ist sie freilich nicht sonderlich begeistert, für wichtige Besprechungen von Roth eigens nach Paris oder (früher) Freiburg "einbestellt" zu werden. Sie fühle sich, kann man vernehmen, von Roth "gegängelt" und "bevormundet". Roth wiederum lässt, wie Beobachter zu Protokoll geben, an Meyer auch fachlich kaum ein gutes Haar, mokiert sich halbprivat, aber doch vergleichsweise unverhohlen über das in seinen Augen mäßige Niveau vieler Aufführungen am Kölner Haus.

Für den Fall, dass sich eine weitere Kooperation von Meyer und Roth als unzumutbar herausstellen sollte, böte sich prima vista kurz- oder mittelfristig folgender Ausweg an: Roth zieht sich aus der Oper zurück, die als Ersatz einen ersten Gastdirigenten engagiert, und konzentriert sich auf die Konzerte mit dem Gürzenich-Orchester. Indes ist zweifelhaft, dass der GMD diese Lösung akzeptiert: Er ist schließlich auch mit der Maßgabe nach Köln gekommen, hier seine bislang nicht so ausgeprägten Erfahrungen im Opernmetier zu vertiefen.

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