KunstKeine Lust auf ein Revival

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Blick auf Rikuo Uedas Installation in der Kunst-Station Sankt Peter

Blick auf Rikuo Uedas Installation in der Kunst-Station Sankt Peter

  • Stephan Kessler hat mit den Ausstellungen in der Kölner Kirche Sankt Peter Großes vor

Auf der Empore hat der japanische Künstler Rikuo Ueda die Angel ausgeworfen. An ihrer Spitze hängt allerdings kein Haken, sondern ein Stift, der jeden Hauch und jedes Zittern einem kleinen Blatt Papier einprägt. Dieses wiederum segelt auf einem Schiffchen, das in einer kleinen, mit Wasser gefüllten Schale schwimmt.

„Letter“, also Brief, nennt Rikuo Ueda sein in der Kölner Pfarrkirche Sankt Peter aufgebautes Werk. Der Angel hat er eine Art Insektenflügel angebunden, die für ihn die Schwingungen auffangen und abstrakte Zeichnungen buchstäblich aus der Luft greifen soll. Oder sind die Kritzeleien eine Botschaft seiner kürzlich verstorbenen Frau?

Seit 1987 stellt die Pfarrei Sankt Peter als Kunst-Station moderne Kunst in ihren Räumen aus und hat dabei unter Friedhelm Mennekes so manchen Skandal erlebt. An Rikuo Uedas spiritueller Kunst dürften sich aber wohl die wenigsten Kirchgänger stören, und auch Stephan Kessler, seit Oktober 2017 Nachnachfolger von Kunst-Station-Gründer Mennekes, rechnet nicht mit Aufsehen. Gleichwohl sieht er das Werk mit gemischten Gefühlen: „Im Grunde ist es schon zu nah an Pfingsten“, sagt Kessler, der Uedas Erklärung, er würde mit „heiligem Wasser, heiligem Klang und heiligem Wind“ arbeiten, unter vier Augen mit einem trockenen „Mach du deins und ich mach meins“ quittiert.

Kunst ist Kunst und Religion ist Religion, so ließe sich, stark vereinfacht, Kesslers Auffassung von moderner Kunst beschreiben – womit er sich durchaus in guter Mennekes-Tradition bewegt. Auch dieser pochte auf die Autonomie der Kunst und wollte in seiner Kirche einen Dialog auf Augenhöhe inszenieren; dazu musste er allerdings die Kunst erst einmal vom katholischen Verkündigungsauftrag befreien. Kessler sieht diese Schlacht offenbar als geschlagen an und glaubt sich keinesfalls dazu berufen, die Legende fortzuschreiben. „Ich möchte hier kein Mennekes-Revival veranstalten“, sagt er, „denn auch damals war nicht alles groß.“

Das Große, das es damals gab, ist aber durchaus Kesslers Maßstab. Gemeinsam mit dem Kunstbeirat von Sankt Peter will er sich bei der Auswahl der Künstler „ohne Konzept“ vorantasten, als Leitfaden gilt eine Mischung aus jungen Positionen und internationaler Relevanz. Bei den Entscheidungen enthält sich Kessler der Stimme. „Dann muss ich auch nicht alles verteidigen.“ Für das Grundprinzip der Kunst-Station gilt das freilich nicht: „Die Mission von Sankt Peter braucht auch Unabhängigkeit von Kirche“, so Kessler, zudem sei die Kunst-Station ein Raum der Gegenwart.

Mit solchen Sätzen antwortet Kessler vielleicht auch auf die Krise, in die Sankt Peter unter seinem direkten Vorgänger Werner Holter geriet; der Kunstbeirat hatte damals öffentlich beklagt, die bildende Kunst solle wieder in den Dienst der Religion gestellt werden. Diese Sorge wird sich bei Kessler kaum ergeben. „Ich habe drei Gemeinden“, sagt er, „eine religiöse, eine musikalische und eine künstlerische.“ Und es gehe ihm bestimmt nicht darum, in der Kunstgemeinde für die Religion zu missionieren. Für Kessler sind Künstler vor allem „Zauberer metaphysischer Möglichkeiten“ und gerade keine Prediger.

Mit dem Barockmaler Peter Paul Rubens ist ein besonderer Zauberer dauerhaft in Sankt Peter zu Gast. „Den Skandal des Rubens-Bildes sehen wir heute gar nicht mehr“, sagt Kessler, das erotische Knistern auf der „Kreuzigung Petri“ etwa oder die „erlöste Frivolität“ und vor allem die Art, wie Rubens das Sterben-Müssen als zum Himmel schreienden Skandal ausmalt. Im Grunde beginne die Geschichte der Kunst-Station bereits mit Rubens, findet Kessler, der aber auch in einer anderen Innenstadt-Kirche Bedeutendes gesehen hat. Der Kölner Dom werde durch Gerhard Richters Domfenster doch erst „gerettet“, sagt er, denn dank der Hingabe an eine höhere (säkulare) Ordnung sei es „gotischer als der Dom“. Offenbar hat Friedhelm Mennekes einen würdigen Nachfolger gefunden.

Zur Person

Stephan Kessler ist seit Oktober 2017 Pfarrer an der von den Jesuiten geführten Gemeindekirche Sankt Peter in Köln und damit zugleich neuer Leiter der 1987 durch Friedhelm Mennekes ins Leben gerufenen Kunst-Station Sankt Peter. Zuvor war Kessler unter anderem Ausbildungspräfekt der deutschen Jesuiten in München und Lehrbeauftragter für Historische Theologie an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt am Main. (KoM)

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