NachrufGoethe als Zentralsonne

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  • Der Kölner Germanist Werner Keller stirbt 88-jährig

Goethe war sein Zentralgestirn, über sein Dichten und Denken schrieb der Kölner Germanist, der sich schon mit seiner Kölner Habilitation von 1969 über "Goethes dichterische Bildlichkeit" als einer der international führenden Klassikforscher etabliert hatte, eine stolze Reihe von wegweisenden Arbeiten. Am vergangenen Freitag verstarb Keller, wie der "Kölner Stadt-Anzeiger" von seiner Witwe erfuhr, nach langer Krankheit im Alter von 88 Jahren in seiner Braunsfelder Wohnung.

An Goethe faszinierte Keller der Reichtum des Werks, die weltoffene Liberalität, die Verpflichtung gegenüber der "Forderung des Tages", vor allem aber "das sprachgewordene Vertrauen in die Schöpfung" - trotz der Skepsis gegenüber der Geschichte. Dies sei es, sagte er, was für ihn nach dem Zweiten Weltkrieg eine lebensgeschichtliche Bedeutung gewonnen habe. Und es faszinierte ihn Goethes Modernität, der in "Faust II" die mehr denn je aktuelle Problematik einer über Natur und Mensch bedenkenlos hinweggehenden Subjektivität dargestellt habe.

Mit seiner reflektierten Goethe-Verehrung hat es der gebürtige Schwarzwälder, der in Tübingen Germanistik, Geschichte und Philosophie studiert, dort auch promoviert hatte und von 1975 bis zu seiner Emeritierung 1995 als Ordinarius an der Kölner Uni lehrte, nicht immer leicht gehabt. Zumal nicht in den 70er Jahren, da an den Universitäten Reden über den "Klassenkompromissler" und die "inhumane Klassik" an den Universitäten kursierten.

Werner Keller

Werner Keller

Es war Goethes Ethos der tätigen Hilfe, das Keller als Aufforderung an sich selbst begriff. Als Deutschland wiedervereinigt wurde, stand er bereit: 1991 übernahm er den Vorsitz der internationalen Goethe-Gesellschaft in Weimar und widmete sich in dieser Position bis 1999 nicht nur der aufreibenden Aufgabe, den Schutt des desaströsen politischen Erbes behutsam wegzuräumen. Vielmehr setzte Keller als unermüdlicher Spendensammler alles daran, die notleidenden Goethe-Gesellschaften in Osteuropa zu unterstützen und viele neu aufzubauen. Bereits im ersten Jahr seiner Amtszeit begründete er ein Stipendiaten-Programm. Seit 1997 sicherten seine Frau Mechthild und er einem Kinder- und Altenheim in Georgien mit regelmäßigen Zuwendungen das Überleben.

Gelebte Humanität in Goethes Geist leitete Keller auch bei der Kölner Ehrenpromotion für den Moskauer Germanisten und Dissidenten Lew Kopelew, die er durchsetzte, noch ehe dieser 1980 deutschen Boden betrat. Dass Kopelew in der Emigration heimisch werden konnte, ist ein gutes Stück weit Keller zu verdanken. (MaS)

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