Rafik Schamis „Eine Hand voller Sterne“Das Tagebuch aus Damaskus

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Rafik Schami wurde in der syrischen Hauptstadt Damaskus geboren und lebt in Deutschland.

Rafik Schami wurde in der syrischen Hauptstadt Damaskus geboren und lebt in Deutschland.

Köln – Syrien ist in aller Munde. Ein Hotspot auf der Krisenkarte der Welt. Menschen, die vor dem Terror und der Not fliehen, drängen nach Europa, nach Deutschland, auch nach Köln und in die Region. Aber wer nur die schlechten Nachrichten kennt, die aus dem traditionsreichen Norden Afrikas zu uns gelangen, der kennt Syrien nicht. Da kann das neue „Buch für die Stadt“ Abhilfe schaffen.

Rafik Schami, einer der erfolgreichsten und bekanntesten Autoren der deutschsprachigen Literatur, ist ein Mittler zwischen den Welten. Im Jahre 1946 wurde er in der syrischen Hauptstadt Damaskus geboren und lebt nun schon seit über 40 Jahren in Deutschland. Hier auch hat er einst sein Chemie-Studium mit der Promotion abgeschlossen – doch besser noch als den perfekten Chemikalien-Mix, das behaupten wir jetzt einfach mal, beherrscht er die Kunst, Geschichten zu erzählen.

Literatur für jung und alt

Klar, dass man da gleich glaubt, dass dies gar nicht anders sein könne, wenn einer aus einer Weltregion stammt, in der die Meistererzählerin Scheherazade zuhause ist und die Märchen so zahlreich sind wie die Vogelstimmen in den Bäumen. Allerdings sind Schamis Geschichten von einer Art, die sich nicht im Vergangenen verlieren, sondern vielfach den Kontakt zum gegenwärtigen Alltag, zum Leben im Zeichen von Broterwerb und Staatsmacht, von Kunst und Liebe suchen und finden. Und seine Art, die Worte zu setzen, ist eine, die einen sehr großen, nämlich einen so jungen wie älteren Leserkreis anspricht.

Das ist ihm – um nun nicht länger drumherumzureden – auch mit seinem Roman „Eine Hand voller Sterne“ geglückt. Es ist das Tagebuch eines Bäckerjungen aus Damaskus, der uns über einige Jahre hinweg auf dem Laufenden hält. Er schildert in meist knapp-pointierten Aufzeichnungen, was ihn umtreibt – und was sein Viertel bewegt, die Stadt Damaskus und schließlich sein Land. Dabei lernen wir den Am Anfang 14- und am Ende 17-jährigen Jungen als wachen Zeitgenossen kennen, der nicht nur seine Liebe zur Literatur („Ich bin ein Dichter!“) entdeckt und davon träumt, Journalist zu werden. Er entwickelt überdies ein politisches Bewusstsein: „Ein Putsch! In der Morgendämmerung knatterten die Gewehre. Kampfflugzeuge donnerten tief über die Häuser hinweg. Eine lange Zeit blieb der Rundfunk stumm.“

Der Junge freilich bleibt nicht stumm. Er protestiert mit seinen Freunden auf kreative Art. Denn er weiß aus familiärer Erfahrung, was staatliche Gewalt anrichtet: Einmal wird der Vater von zwei Zivilpolizisten abgeholt und vier Tage durchgeprügelt, bis klar wird, dass sie ihn „mit einem Rechtsanwalt verwechselt hatten, der zufällig denselben Namen trägt und gegen die Regierung arbeitet.“ Auch beobachtet er Szenen vom nicht immer leichten Zusammenleben der Religionen. „Die Christen hätten keine richtige Religion“, sagt einmal ein Islamgelehrter im Radio, „und bildeten sich ein, dass sie einem Gottessohn folgten.“ Der Vater des Bäckerjungen ist darüber sehr empört: „Der Teufel soll ihn holen. Das ist kein Gelehrter, sondern ein Dummkopf, der auf uns losgelassen wird.“

Schami nimmt Leser an die Hand

Es sind facettenreiche Beobachtungen, die dieses Tagebuch versammelt. Auch solche über Schule und Tourismus kommen darin vor, über die Freundin Nadia und den vor Vaterfreuden überglücklichen Gemüsehändler, der so lange mit seiner Ware um sich wirft, bis er mit einer Melone einen Offizier am Kopf trifft.

Der Leser wird also auch an die Hand genommen, um die Menschen kennenzulernen, die dieses Viertel prägen. Dazu gehört vor allem Onkel Salim, der großartige Geschichten erzählen kann und überdies Rat weiß, wenn es mal ganz eng wird im Reich der Sorgen. Er hat schon „mehrere berühmte Räuber und Könige, ja, vielleicht auch Feen überlebt“.

Vieles nahm die Jury, die das „Buch für die Stadt 2015 ausgesucht hat“, für Rafik Schamis „Eine Hand voller Sterne“ ein. Dazu gehört die Roman gewordene Liebeserklärung an die Literatur und das Schreiben. Dann die politische Aktualität. Und die literarische Qualität sowieso. Schließlich ist dies eine Leseangebot auch an junge Literaturfreunde und Schulklassen.

Besuch in Köln

Rafik Schami selbst wird zu der Lesewoche im Dezember nach Köln und in die Region kommen. Entscheidend für den Erfolg der Aktion zur Förderung der Literatur und des Lesens ist natürlich, dass wieder – wie in all den Jahren zuvor – Veranstalter in Nah und Fern mit eigenen Angeboten sich einbringen. Nicht zuletzt in Buchhandlungen kann dieses Buch wieder eine große Rolle spielen. Diesmal mit einem Bonus-Grund. Denn im Roman wechselt der Bäckerjunge eines Tages den Beruf. Der Vater ist damit einverstanden: „Buchhändler ist ein ehrenwerter Beruf.“ sagt er. „Du liebst die Bücher, also mache es.“

Alle Veranstaltungen, die uns erreichen, werden wir im Netz und im Programmheft veröffentlichen. Die Anmeldungen sind ab sofort möglich. Und dafür, dass viele die Einladung zur Lektüre annehmen können, sorgt der Verlag Beltz & Gelberg. Der bringt im August eine Sonderausgabe des Romans zu einem besonders günstigen Preis heraus. Dann kann jeder Schamis Sterne in die Hand nehmen.

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