St. Maria im KapitolHier fließen die Zeitläufe von den Römern bis heute zusammen

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Blick vom Lichhof auf den Trikonchos.

  • St. Maria im Kapitol ist die größte romanische Kirche Kölns.
  • Römische und mittelalterliche Vergangenheit fließen hier zusammen.
  • Eine Zeitreise mit der Kunsthistorikerin Lucie Hagendorf-Nußbaum.

Köln – „Heumarkt“ – der Name der Bahnhaltestelle signalisiert für Lucie Hagendorf-Nußbaum eine köln-typisch verpasste Gelegenheit: „Warum heißt sie eigentlich nicht »Kapitol« – was auf die für die Stadtgeschichte zentrale Bedeutung des benachbarten Kapitolshügels verwiese?“

Köln: Römische und mittelalterliche Vergangenheit am St. Maria im Kapitol 

Ihre Führung durch das Gelände lässt die promovierte Kunsthistorikerin und exzellente Kennerin des Areals am U-Bahn-Aufgang beginnen – wo noch die Reste römischer Mauern zu sehen sind, die einst den zum Rhein hin abfallenden Hang befestigten. Im Osten ragt der romanische Turm von Klein Sankt Martin auf, die dazugehörende Kirche wurde nicht im Krieg zerstört, sondern bereits im 19. Jahrhundert abgetragen – nachdem Sankt Maria im Kapitol im Zuge der Säkularisation von 1802 nicht mehr Stiftskirche, sondern nurmehr Pfarrkirche war.

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Die Kunsthistorikerin Lucie Hagendorf-Nußbaum ist Expertin für die Kapitolskirche. Davon profitiert der Autor dieser Seite.

Römische und mittelalterliche Vergangenheit, dazu die Gegenwart in Gestalt der verkehrsdurchtosten Pipinstraße, die zu der breiten Schneise, die wir kennen, erst in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurde. Sie trennt heute, was historisch zusammengehört. Aber sie verhindert nicht den einigermaßen überwältigenden Eindruck, der sich einstellt, sobald man die Straße überquert und die Treppe hinauf zum Lichhof gegangen ist, der den Kleeblatt-Ostchor der Kapitolskirche umschließt. Überwältigend ist zumal die Stille, in die das metropolitane Rauschen nur ganz gedämpft hinein klingt, die kaum einmal von Passanten gestörte Zurückgezogenheit, die den Besucher hier erwartet: Bänke auf dem dezenten Natursteinpflaster, Bäume, in denen Amseln singen, die „Trauernde“-Skulptur von Gerhard Marcks, eine stilistisch teils alte Kölner Giebelhäuser kopierende Randbebauung, die, wie Lucie Hagendorf Nußbaum erläutert, sich an die Grenzen des alten Stifts-Immunitätsbezirks hält – und dazu der dominierende Trikonchos aus rot-weißem Sandstein: Dieser Platz, der seine heutige Gestalt erst nach dem endgültigen (und Hagendorf-Nußbaum etwas zu „glatt“ geratenen) Wiederaufbau der Kapitolskirche Mitte der 80er Jahre erhielt, ist gerade in seiner urbanen Qualität für Kölner Verhältnisse einzigartig zu nennen.

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Der U-Bahn-Aufgang beherbergt Reste römischen Mauerwerks, das einst den zum Rhein hin abfallenden Hang befestigte.

Die Gegend ist geschichtstief wie nur irgendeine. Wir befinden uns in der Südost-Ecke des römischen Köln, wo dessen Haupttempel stand, das sakrale Zentrum. Die im 11. Jahrhundert erbaute romanische Kirche des Stifts für adlige Damen wurde, so die Kunsthistorikerin, „recycelt“ aus der Konkursmasse des Tempels, auf dessen Fundamenten sie sich erhebt. Nach der Gründerin der Vorgängerkirche aus dem 7./8. Jahrhundert ist die zum Heumarkt hinabführende Plectrudengasse benannt.

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Im Westen der Kirche, aber nicht in axialer Zuordnung zur Basilika befindet sich der ebenfalls aus dem Mittelalter stammende Kreuzgang, an dessen Nordseite (Foto) man heute von der Kasinostraße her auch über eine Treppe den Haupteingang erreicht. Kriegs- und Nachkriegszeit haben ihm schwer zugesetzt, aber zur warmen Jahreszeit verleiht Blumenpracht dem Innenhof einen eigenen Reiz. 

Aber der historische Bogen spannt sich vom Mittelalter aus in Richtung Gegenwart: Die spätgotische Dreikönigs-pforte, das letzte erhaltene „Immunitätstor“ in Köln an der Südseite zum Marienplatz , stammt aus dem 15. Jahrhundert. Es wurde an der Stelle errichtet, an der der Erzbischof Rainald von Dassel die Gebeine der Heiligen Drei Könige in die Stadt gebracht haben soll –, genauso wie das in fast spitzweghafter Idyllik sich anschließende, von dem reichen Tuchhändler Johannes Hardenrath gestiftete „Singemeisterhäuschen“.

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Auf dem Weg von Paris nach Wien machte Friedrich Schlegel für vier Jahre Halt in Köln – und konvertierte hier zum Katholizismus.

Schließlich die Gedenktafel über dem ehemaligen Äbtissinnenhaus in der Kasinostraße gegenüber dem Haupteingang der Marienkirche: Hier wohnte von 1804 bis 1806, also kurz nach der säkularisationsbedingten Auflassung des Stifts, der Romantiker Friedrich Schlegel. Er war von Paris gekommen und zog 1808 weiter nach Wien, nicht ohne vorher mit seiner Frau Dorothea in Köln zum Katholizismus konvertiert zu sein. Antike, Mittelalter, Neuzeitwende, Romantik, Gegenwart – wer die Stadt lesen, ihre Geschichte als faszinierendes Zugleich und Ineins der Überschreibungen erleben will, der sollte sich in die Umgebung der Kapitolskirche versenken.

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