Ukraine-ÄußerungenPEN-Präsident Yücel lehnt Rücktritt nach Lit.Cologne-Auftritt ab

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Deniz Yücel LitCologne 210322

Deniz Yücel, Journalist und Autor, bei der Eröffnungsveranstaltung der Lit.Cologne. (Archivbild)

Köln – Der Vorsitzende der Schriftstellervereinigung PEN-Zentrum Deutschland, Deniz Yücel, hat Rücktrittsaufforderungen anderer PEN-Mitglieder nach seinem Auftritt bei der Lit.Cologne abgelehnt. Es gehe in dem Streit um „ganz andere Dinge, aber das klären wir intern“, erklärte Yücel in einem Beitrag bei Twitter am Montag und verwies auf ein Zitat des deutschen Journalisten und Satirikers Kurt Tucholsky: „Stubenreine Dackel kann fast jeder züchten –, die Seele des Vereins ist der Knatsch.“

Nach Yücels Auftritt bei der Eröffnung des Kölner Literaturfestivals Lit.Cologne am 15. März hatten mehrere Mitglieder, darunter auch Altpräsidenten- und präsidentinnen, den Rücktritt Yücels gefordert. Grundlage der Forderungen seien Yücels Äußerungen zum Ukraine-Krieg in Köln. Die fünf ehemaligen Präsidenten sind Gert Heidenreich, Christoph Hein, Johano Strasser, Josef Haslinger und Regula Venske, berichtete die Deutsche Presse-Agentur.

„Öffentliche militärstrategische Äußerungen“ Grund für Rücktrittsforderungen

Yücel habe bei der Auftaktveranstaltung gefordert, den Luftraum über der Ukraine zu schließen und angedeutet, dass die Nato vielleicht doch militärisch in den Ukraine-Krieg eingreifen sollte. Mit diesen „öffentlichen militärstrategischen Äußerungen“ habe Yücel die Befugnisse seines Amtes überschritten und gegen die Charta des Internationalen PEN verstoßen, so lauten dem „Deutschlandfunk“ zufolge die Vorwürfe gegen Yücel. 

„Es geht hier nicht um Deine private Meinung“, schrieben die Kritiker in ihrem Brief an Yücel, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Bei der Veranstaltung in Köln habe er eindeutig als Präsident des PEN gesprochen und sei auch als solcher eingeladen worden. Yücels Statements liefen darauf hinaus, „dass man ja doch mal riskieren könnte, die Nato zum direkten Kriegsteilnehmer in der Ukraine zu machen, dann werde man schon sehen, wie weit Putin sich traut“.

Yücel forderte mehr Unterstützung für die Ukraine

Yücel war bei der Veranstaltung in Köln von der Moderatorin Susanne Beyer gefragt worden: „Sollte der Luftraum über der Ukraine geschlossen werden?“ Darauf antwortete er: „Wäre 'ne gute Idee, oder?“ Andernfalls drohe die Zerbombung von Kiew durch die russischen Streitkräfte. „Das ist ja nicht, weil die Ukrainer so scharf darauf sind, jetzt uns auch alle in diesen Krieg einzubeziehen“, sagte Yücel.

Er wundere sich darüber, dass so viele Leute zu wissen glaubten, wie Putin reagieren würde, wenn die Nato andere Seiten aufziehe. Vom Schulhof wisse er Folgendes: „Wenn ich Sasha einen in die Fresse haue, weil ich einfach mich stärker fühle (...) und dann kommt Navid - er ist zwei Köpfe größer als ich - und sagt: „Lass meinen Kumpel in Ruhe, ja? Sonst kriegst du's mit mir zu tun!“ Dann kann ich überlegen. Er muss natürlich das Risiko eingehen, dass ich 'n bisschen irre bin und ihm ein Klappmesser irgendwo reinsteche. Aber ich muss überlegen: „Der ist zwei Köpfe größer als ich und doppelt so breit - geh ich mit ihm das wirklich ein?“ Ich weiß nicht, wie Putin darauf reagieren würde.“

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Yücel nahm am Montag inhaltlich in seinen Twitter-Beiträgen nur ansatzweise Stellung zur Begründung der Kritik. „Die Sache mit der Flugverbotszone habe ich in Köln so gar nicht… egal, lassen wir das mal“, schrieb der Welt-Journalist. Komisch, so Yücel, sei an dem Vorgang viel mehr, dass es ein Skandal sein solle, wenn der Präsident des Vereins der freien Worte freie Worte äußere. Yücel nahm damit Bezug auf die Überschrift eines Artikels der Süddeutschen Zeitung zum Thema.

„Leidenschaftliches Plädoyer der Ukraine stärker beizustehen“

Der Journalist verwies zudem auf die Wortmeldung des Journalisten Eren Güvercin, der laut eigener Aussage bei der Veranstaltung anwesend war, und auf Twitter berichtete, die anwesenden Ukrainer und Ukrainerinnen hätten sich bei Yücel für sein „leidenschaftliches Plädoyer der Ukraine noch stärker beizustehen“ bedankt.

Das PEN-Zentrum Deutschland ist eine deutsche Schriftstellervereinigung. Nach Gründung des PEN im Jahr 1921 in England, etablierte sich die Organisation auch in vielen anderen Staaten. 1924 gründeten schließlich auch deutsche Autoren das PEN-Zentrum Deutschland. Deniz Yücel ist seit 2021 Vorsitzender der Schriftstellervereinigung. Vom 27. Februar 2017 bis zum 16. Februar 2018 befand sich Yücel wegen angeblicher „Terrorpropaganda“ in türkischer Untersuchungshaft. In Deutschland gab es zahlreiche Solidaritätskundgebungen für eine sofortige Freilassung. (das/dpa)  

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