Leserbriefe Bargeld abschaffen?Freiheit, so zu zahlen, wie man will

Werden Münzen im Zahlungsverkehr bald überflüssig?
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„Bargeld ist eine übersichtliche Größe“
Das Bargeld ist eine übersichtliche Größe – wenn’s alle ist, ist Schluss. Die Masse der Überschuldeten ist es durch den unkontrollierten Einsatz der diversen Karten geworden. Da ist es auch kein Trost, wenn ich nachgucken kann, was der Weihnachtsbaum 2020 gekostet hat – den ich übrigens bar bezahlen musste, weil der Verkäufer gar keine elektronische Zahlungsmöglichkeit anbot.
Und die kürzliche Misere bei den Kartenterminals der Handelsketten hat gezeigt, dass wir ohne Bargeld nicht klar kommen. Abgesehen davon, dass es noch immer sehr viele Verkäufer gibt, die keine Karten akzeptieren, habe ich noch keinen Flohmarktverkäufer getroffen, bei dem ich mit Paypal bezahlen sollte. Herr Breitkopf propagiert den technikgläubigen Kartenzahler, der auf diese Weise zum gläsernen Kunden wird. In ein paar Jahren schreibt er dann wahrscheinlich eine Kolumne über Leute, die sich blind den Kartenherausgebern ausgeliefert haben.Ludger Licht Köln
Auf dem Weg zum „gläsernen“ Bürger
Natürlich brauchen wir noch Bargeld! Wir durften doch kürzlich erst erfahren, was passiert, wenn die Technik versagt: EC-Karten-Lesegeräte funktionierten nicht und es gab Chaos. Ich war zugegen, als ein verzweifelter Tankstellenmitarbeiter von einer Taxifahrerin beschimpft wurde, weil deren Karte nicht funktionierte, sie ohne Benzin nicht arbeiten könne. Hätte sie doch Bargeld dabei gehabt! Nach diesem Erlebnis wurde mir klar, dass das Chaos auch noch größer vorstellbar ist, etwa im Fall von Hacker-Angriffen. Wir sollten also am Bargeld festhalten. Herr Breitkopf hat natürlich in vielem Recht, aber war uns nicht einmal eine Welt zuwider, in der alles überprüfbar ist? Nach dem Motto „Big Brother is watching you“? Ich persönlich halte daran noch fest.Jutta Drießen Köln
Händlergebühren bei Kartenzahlung nicht vergessen
Nach Aussage von Herrn Breitkopf macht es keinen Sinn, Kleingeld für teures Geld von A nach B zu fahren. Leider unterschlägt er, dass auch jede Kartenzahlung den Händler Gebühren kostet. Der Kiosk-Besitzer wird sich darüber freuen, dass er für 8 Cent Bierflaschenpfand auch noch Gebühren bezahlen muss. Der Obdachlose hat natürlich längst sein Smartphone, um die 50-Cent-Spende eines Passanten anzunehmen. Das betrifft auch Ältere und alle anderen, die kein entsprechendes Gerät haben wollen oder können. Oder kann uns der Staat zur Anschaffung eines solchen verpflichten? Läuft sonst meine Existenzberechtigung in diesem Land aus? Die Bedienung im Restaurant freut sich übrigens auch über ihr – zweites – Lesegerät, um Trinkgeld anzunehmen.
Wieso interessiert Herrn Breitkopf noch, was sein Weihnachtsbaum vor Jahren gekostet hat? Der Verbraucher muss aufs Monatsende sehen und einen Überblick behalten, wie viel er im Monat ausgegeben hat. Und da ist ein leeres Portemonnaie nun mal der beste Beweis, dass er nichts mehr ausgeben kann. Ich habe auch keine Lust, vor einem Tankstellenstopp 100 Euro Bargeld zu holen. Ich habe aber auch keine Lust, abends für ein paar Kölsch die Karte zu zücken. Jedes zu seiner Zeit!Dirk Beck Köln
Digitaler Zahlungsverkehr abhängig von funktionierender elektronischer Infrastruktur
Das Hauptargument für Bargeld fehlt in der Pro-Argumentation leider. Bargeld stellt nach Abschaffung der Goldbindung den letzten Bezug zu einer verfügbaren Geldmenge dar. Durch die endgültige Abschaffung des Bargeldes öffnen wir den Banken Tür und Tor zu agieren, wie es ihnen gefällt.
Unsere mangelnde Internetstabilität verhindert eine problemlose Zahlung per Karte. Ich erinnere an die Ahrflut, nach der etwa in Daun eine bargeldlose Zahlung in vielen Geschäften nicht möglich war, weil das Internet „abgesoffen“ war. Kein Internet, keine Zahlungsmöglichkeit. Ich erinnere ebenfalls an die vor wenigen Wochen bei diversen Supermarktketten versemmelten Softwareupdates der Kassensysteme.
Herr Breitkopf führt auch einige nicht uninteressante Argumente an. Sollte ein Handwerker fragen, ob ich eine Rechnung brauche, antworte ich natürlich mit ja, da ich sonst keine Garantieleistungen einfordern kann. Eine Dienstleistung ohne Rechnung hat nie stattgefunden. Aber die Abschaffung von Bargeld wird die Schwarzarbeit nicht unterbinden. Ich für meinen Teil zahle bar, wo und so lange es geht.Martin Winkler Sankt Augustin
Bargeldloses Bezahlen nicht durchgängig möglich
Das Bargeld kann erst abgeschafft werden, wenn jeder jederzeit jeden bargeldlos bezahlen kann. Bis dahin verlange ich vom Staat, dass er Bargeld als gesetzliches Zahlungsmittel in vollem Umfang erhält.Veit Hennemann Köln
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Bargeld als Garant für Unabhängigkeit
Ich hatte jüngst meine EC-Karte während einer Reise verloren. Weitgehende Hilflosigkeit war die Folge. Bezahlen mit Karte war nicht mehr möglich. Das Bargeld knapp. Erst zu Hause konnte ich bei meiner Bank wieder Bargeld bekommen. Zum Glück. Denn eine neue Karte auszustellen, braucht eine Woche. Inzwischen funktioniert mit der neuen Karte das Online-Banking per optischem Chip-Tan-Verfahren nicht mehr, weil mein Tan-Generator auf die verlorene Karte programmiert ist. Mit Bargeld in der Tasche fühle ich mich einigermaßen unabhängig.
Bei allen digitalen Geschäftsvorgängen sehe ich mich dagegen völlig fremden Arbeitsabläufen ausgeliefert, auch fremden Geschäftspartnern sowie weiteren unbekannten Beteiligten. Ständig muss ich neue Hardware kaufen, die nach kurzer Zeit überholt und nur noch Müll ist, muss elektrische Energie nutzen, obwohl ich genug körperliche Energie hätte, etwas mit Bargeld zu bezahlen. Digital werde ich zunehmend in Abhängigkeit gezwungen – von der Ausbeutung seltener Erden, einem ständig steigenden Energieverbrauch bis zur Zunahme der Müllberge und dadurch ungewollt beteiligt an der Zerstörung dieser verletzlichen Erde. Das Bargeld erlaubt mir dagegen einen Rest eigener Kontrolle und Entscheidungsmöglichkeit. Dieter Endemann Köln
Entscheidungsfreiheit über Wahl des Zahlungsmittels erhalten
In der Pro-und-Contra-Darstellung zum Bargeld fehlt ein Begriff, der dort unbedingt hingehört: Freiheit. Nicht einmal die Pro-Rede kommt auf die Idee, die Freiheit des Bürgers vor unnötiger Kontrolle und Belästigung durch den Staat, die Banken, großen Firmen und Agenturen als Argument anzuführen. Denn alle elektronischen Vorgänge sind, wie die Contra-Rede zu Recht anführt, auf Jahre, wenn nicht ewig, im Netz gespeichert. Der Bürger wird finanziell total transparent. Das soll es wert sein, den Großkriminellen das Leben ein bisschen schwerer zu machen?
Dass Bargeld abgeschafft gehört, weil es unhygienisch und teuer sei, ist einfach nur lächerlich; dagegen ließe sich einwenden, dass seine Herstellung auch Arbeitsplätze schafft. Was mein bar bezahlter Weihnachtsbaum vor zwei Jahren gekostet hat, weiß ich noch, aber es interessiert mich gar nicht. Auf den pädagogischen Wert des Bargeldes weist die Pro-Rede zu Recht hin. Natürlich hat bargeldloser Verkehr Vorteile, vor allem bei größeren Summen. Aber was spricht dagegen, jedem Bürger die Freiheit zu lassen, so zu zahlen, wie er möchte? Eine Bargeld-Abschaffung verbietet sich bei dieser demokratischen Selbstverständlichkeit. Christian Fischer Köln
Tücken beim bargeldlosen Zahlen
Ach, eine EC-Karte kann nicht verloren gehen oder gestohlen werden, sie geht auch nicht kaputt? Wann gibt es an der Supermarkt-Kasse Verzögerungen? Dann, wenn Beträge von 1,98 Euro mit Karte bezahlt werden, wenn die Karte falsch rum reingesteckt, ein falscher PIN eingegeben wird und wenn die Karte nicht funktioniert, weil das Konto überzogen wurde. Illegale Transaktionen wird es dennoch geben, den Wirtschaftszweig Prostitution ruinieren – warum? Ich habe in 68 Jahren nie ein Problem mit Bargeld gehabt. Ich kann dem Pro-Beitrag von Frau Lehnen nur voll und ganz zustimmen.Frank Louis Kall
Bargeldloses Zahlen für viele ältere Menschen unattraktiv
Leider sind die Argumente der Pro-Anwältin schwach; der Contra-Anwalt spricht viele Aspekte an, über die man nachdenken kann. Beide haben aber leider überhaupt nicht im Blick, dass eine Abschaffung des Bargeldes vor allem die ältere Generation trifft. Die – wie ich – insbesondere in Bankangelegenheiten nicht online ist und von denen viele – wie ich – kein Smartphone besitzen, weil sie die kleine und vor allem glatte Fläche ohne erhabene Tasten mit schon etwas ungeschickten Fingern nicht sicher bedienen können, ganz abgesehen von der insgesamt viel zu komplizierten Bedienung. Schade, dass beide Seiten diesen wichtigen und für viele ausschlaggebenden Aspekt überhaupt nicht angesprochen haben. Andreas Becker Bonn

Zahlen ohne Bargeld und ohne Kasse – schon heute keine Zukunftsmusik mehr, sondern Realität, wie hier im Modell-Versuch beim Lebensmitteleinzelhändler Rewe.
Copyright: Csaba Peter Rakoczy
Schöne neue digitale Welt?
Der Schlusssatz von Thorsten Breitkopf, dass Bargeld ein überholtes Vehikel des vor-digitalen Zeitalters sei, klingt sehr überheblich. Er möge bitte einen mehrtägigen Stromausfall mit seinen 20 Euro in der Tasche in seiner hochgepriesenen digitalen Welt überleben und schauen, wie weit er damit kommt. Ohne Strom gibt es nämlich keine digitale Welt mehr.Gottfried Josef Remagen Nettersheim
Bargeld statt Kontoführungsgebühren
Sehr geehrter Herr Breitkopf, ja, ich werde bis an mein Lebensende Bargeld brauchen. Meine Rente geht in voller Höhe an die Senioreneinrichtung, in der ich lebe. Von der Stadt Köln erhalte ich ein Pflegewohngeld und für persönliche Belange ein Taschengeld. Beides wird auf das Konto der Einrichtung überwiesen. Wenn ich Überweisungen habe, erledigt das die Einrichtung für mich. Wenn ich Einkäufe tätigen oder zum Friseur will, erhalte ich Bargeld, und das alles ohne Kontoführungsgebühren. Für Ihre hübsche Karte müsste ich mir ein Konto mit Gebühren von mindestens 4,95 Euro zulegen und Online Banking machen. Was für ein Aufwand für ein paar Einkäufe!
Ich bin schon froh, dass ich einigermaßen mit meinem Tablet zurecht komme. Bei Bedarf helfen mir unsere jungen Pfleger. Im Moment nutze ich das 9-Euro-Ticket für Ausflüge nach nah und fern und brauche Bargeld etwa für ein Getränk unterwegs. Man könnte ja eine Grenze ziehen, bis zu welchem Preis bar gezahlt werden kann. Im Krankenhaus gibt es meist eine Kaffeekasse oder beim Friseur ein Schweinerl, wo man sich bei Zufriedenheit und Dankbarkeit erkenntlich zeigen kann. Das Ganze per Karte kann ich mir nicht so gut vorstellen.Ute Soppe Köln
„Bargeld nicht auf dem Altar des digitalen Götzen opfern“
Mit den meisten seiner Argumente liegt Herr Breitkopf falsch: Banknoten sind so unhygienisch wie fast alles im Leben, von der Haltestange in der Bahn bis zum Händedruck. Corona übertragen sie jedoch eindeutig nicht. Münzen sind meist steril. Der steigende Anteil unbarer Zahlungen darf nicht alleiniger Gradmesser eines behaupteten Bedeutungsverlustes sein. Ein Großteil des Bargeldes dient als Wertaufbewahrungsmittel und Reserve für den Notfall.
Laut Studien mehrerer Hochschulen und anderer Finanzexperten ist Bargeld nicht der entscheidende Antrieb für kriminelle Geschäfte. Die Falschgeldbekämpfung durch die Bundesbank zeitigt durch präzisere Erkennung, verbesserte Sicherungsmerkmale usw. erhebliche Erfolge. Von den sieben Euro-Banknoten-Arten sind fast nur niedrige Werte wie die 20-Euro- und 50-Euro-Scheine betroffen. Kreditkarten und andere digitale Zahlungsweisen sind überhaupt nicht sicher! Auch hier liegt Ihr Redakteur daneben. Phishing, Trojaner-Erpressungen, Kartendiebstahl, Ausspähung am Automaten, sonstige kriminelle Angriffe im digitalen Raum beweisen das Gegenteil. Und der Bereich Schwarzarbeit wird durch ein Bargeldverbot allenfalls um etwa drei Prozent vermindert.
Durch moderne Registrierkassen und Geldzählautomaten ist die Händlerbelastung wesentlich geringer geworden. Die Kosten für Aufbau und Unterhalt der digitalen Infrastruktur sind um ein Vielfaches höher als für Druck und Transport von Bargeld. Bargeldverwahrung benötigt außerdem keinen teuren Strom für ein Rechenzentrum und schont somit das Klima.
Digitale Bezahlmethoden machen den Bürger zum gläsernen Konsumenten, dessen Gewohnheiten beim Einkaufen und Reisen akribisch und unentdeckt ausgewertet werden. Die Flut von nicht erbetenen Anrufen und Prospekten lässt grüßen. Bargeld hingegen ist praktisch, konkret fassbar, jederzeit verfügbar, angenehm anonym und überschaubar. Darüber hinaus gibt es emotional-historisch über Jahrhunderte geprägte Gewohnheiten, wie Frau Lehnen sehr gut beschreibt. Das sollte nicht auf dem Altar des digitalen Götzen geopfert werden. Mein Vorschlag: Mehr Gelassenheit und Respekt beim Nebeneinander von Barzahlung und digitalen Bezahlverfahren ohne Zwang und Diffamierung.Manfred Nünke Troisdorf
Bargeldloser Zahlungsverkehr verursacht Kosten
Ich habe die Digitalisierung der Welt mit Interesse und Freude seit Anfang der 80er Jahre miterlebt und teilweise mitgestaltet. Das blinde Vertrauen in die Beteuerungen der Sicherheit und Zuverlässigkeit digitaler Prozesse habe ich dabei nie verstanden.Die vollständige Digitalisierung des Geldwesens bedeutet für mich den Schritt in die nächste unnötige Abhängigkeit und Angreifbarkeit.
Und es wird eines von interessierter Seite klein gerechnet: Bargeldloser Geldverkehr verursacht Kosten, wohlgemerkt zusätzliche Kosten zum bisher üblichen Geldverkehr. Dies gilt insbesondere für Kreditkarten. Wer selbst einmal einen Online-Shop mit Kreditkarten-Akzeptanz eröffnet hat, wird wohl wie ich gestaunt haben, wie viele Klein- und Kleinstbeträge eine einzige Transaktion verursachen kann. Da kommt dann vier bis fünf Prozent weniger als der Verkaufspreis beim Verkäufer an. Der Verkäufer darf und will aber den Verkaufspreis für den Kreditkarten-Käufer nicht anheben. Also kalkuliert er die Kosten insgesamt in den Preis ein. Und erhöht damit wegen der Kreditkarten das Preisniveau.
Auch die populäre Zahlung per Handy ist toll, chic und bequem – wenn das Netz da ist. Die Alternativen zum Bargeld haben viele Vorteile. Aber bitte, lasst sie Alternativen bleiben, Auswahlmöglichkeiten. Warum sollten wir schon wieder etwas machen, was unsere Nachkommen in einigen Jahrzehnten fragen lässt: Warum waren die eigentlich so bescheuert?Franz-Josef Lasek Köln