Herfried Münklers Kritik am „Manifest für Frieden“ teilen viele Leser. Gegner werfen ihm vor, Forderungen nach Deeskalation im Russland-Ukraine-Konflikt zu ignorieren.
Leserbriefe zur Friedensmanifest-Kritik:Der Kriegstreiber sitzt im Kreml

Sahra Wagenknecht (li.) und Alice Schwarzer, Initiatorinnen des „Manifests für Frieden“
Copyright: Bettina Flitner
Manifest: „Auch deeskalierende Stimmen zu Wort kommen lassen“
Überwiegende Bevölkerungsanteile sind durch die eskalierenden Kriegsereignisse sehr beunruhigt, sodass ein ausgewogener, informativer Pressekommentar hinsichtlich des Friedensaufrufs von Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht wünschenswert wäre. Stattdessen werden uns die recht polemischen, diskreditierenden Äußerungen des Kriegsbefürworters Herfried Münkler präsentiert.
Vielmehr sollten in unseren Medien aus Gründen der Humanität und der Menschenrechte zunehmend auch deeskalierende Stimmen zu Wort kommen, um im Rahmen eines Waffenstillstands in der zurzeit umkämpften Donez-Region unter Uno-Aufsicht eine Volksbefragung zu ermöglichen, sodass dieser grausame Vernichtungskrieg sofort beendet und ein Atomkrieg vermieden werden kann. Werner Donges Köln
„Nur eine militärisch starke Ukraine kann Putin die Stirn bieten“
Das Interview „Ein gewissenloses Manifest von Schwarzer und Wagenknecht“ trifft den Kern: Gewissenloser, naiver und dümmer geht es nicht, zusammen mit der AfD als fünfte Kolonne Moskaus zu fordern, der überfallenen Ukraine keine Waffen zur Selbstverteidigung zu geben und stattdessen von ihr Waffenstillstand und Friedensverhandlungen zu fordern. Wie soll das gehen, ohne die Ukraine vollständig ans Messer des größenwahnsinnigen Gewaltherrschers Putin auszuliefern? Nicht die Ukraine ist der Aggressor, sondern Putin.
Er und sein Völkerrecht verachtendes Regime lehnt das Existenzrecht der Ukraine ab. Jeder faule Kompromiss wäre eine Belohnung seines menschenverachtenden Kriegs und verschafft ihm nur Zeit, irgendwann mit neuen Kräften den Krieg gegen die Ukraine und andere fortzusetzen, so wie nach der Annexion der Krim 2014. Leider war die Ukraine damals militärisch viel zu schwach, um sich zu wehren – und Putin dachte wohl, sein leichtes Spiel nun so fortsetzen zu können. Realistisch ist, dass nur eine militärisch starke Ukraine ihm die Stirn bieten kann, auch auf diplomatischer Ebene. Christoph Becke Ruppichteroth
„Manifest für Frieden“: Keine Gegenwehr gegen Unterdrückung?
Die Meinung von Frau Schwarzer darf nicht unwidersprochen bleiben. Frau Schwarzer hat sich ihr Leben lang gegen Unterdrückung und Macht von oben ausgesprochen und gewehrt. Wie würde sie reagieren, wenn Deutschland angegriffen werden sollte? Schwer vorstellbar, dass sie klein beigeben würde. Klaus Bornemann Euskirchen
Friedensmanifest: Münklers „Wut-Attacke“ überzeugt nicht
Ich stehe in der Sache nicht auf der Seite von Schwarzer und Wagenknecht. Meine Position beruht auf einer Bewertung des Ukrainekriegs als Angriffskrieg Russlands zur Vernichtung der Ukraine. Münklers Wut-Attacke gegen Schwarzer und Wagenknecht ist jedoch zutiefst emotional, ja hasserfüllt gegen seine Kontrahenten. Er urteilt nicht, er verurteilt. „Gewissenlos“, „verlogen“ nennt er sie und beschimpft sie als Komplizen des Aggressors.
Die Drohung mit einem Atomkrieg mit „Buh“ zu vergleichen, um Kinder zu erschrecken, ist niveaulos. Sie nimmt nicht einmal die Angst von Millionen Menschen vor der Atomgefahr wahr. Ich halte dies für unwürdig und instinktlos. Überhaupt erwarte ich von einem Wissenschaftler, dass er die Menschen mit einer nüchternen und sachlichen Analyse aufklärt und so mehr Menschen von der Richtigkeit der Unterstützung der Ukraine überzeugt. Stattdessen verlässt Herr Münkler seine Position als Wissenschaftler und Aufklärer. Wie schade. Herbert Bretz Köln
Friedensmanifest als Korrektiv zur derzeitigen politischen Praxis
Wenn man im Interview mit Herfried Münkler die polemischen Untertöne einmal großzügig übersieht, kann man sich inhaltlich teilweise sogar anschließen. Ja, sicher wird hinter den Kulissen auch während des Krieges miteinander gesprochen, während anderswo Schießbefehle gegeben werden und Blut fließt. Ja, sicher ist es möglich, dass auch Atommächte „nur“ konventionellen Krieg miteinander führen, dafür gibt es mehr als genug Beweise. Trotzdem versteht Herr Münkler das Wesentliche nicht: Dieses Manifest ist keine akademische Seminararbeit, sondern ein öffentlicher Aufruf.
Ein Friedensmanifest, auch wenn es wissenschaftlich nicht ausgereift ist, kann und soll eine Wirkung haben, die sich nicht auf eine historisch-strategische Wahrheitsfindung beziehen muss, sondern schlicht auf ein Ende der Zerstörungen abzielt, die von allen kriegführenden Seiten, inklusive dem Auswärtigen Amt Deutschlands, angerichtet werden. Wenn bereits nach wenigen Tagen ein paar Hunderttausend Bürger dieses Manifest unterstützt haben, weil dieses Ziel auch ihres ist, und sofern diese Welle weitergeht, könnte das die irgendwo stattfindenden Verhandlungen durchaus beeinflussen, und zwar in die richtige Richtung. Dr. Christian Fischer Köln
„Manifest für Frieden“: Münklers Kritik gerechtfertigt
Besser als Professor Herfried Münkler dieses profilsüchtige Manifest auseinandergenommen hat, kann man es nicht machen. Ja, es ist gewissenlos, so etwas in die Welt zu setzen. Vielleicht sollten diese gefährlichen ideologischen Träumerinnen einmal bei Mark Twain nachlesen: „Man muss die Fakten kennen, bevor man sie verdreht.“ Vorher lohnt sich noch einen Blick in Schillers Dramen: „Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt.“ Peter Müller-Stolz Much
Friedensmanifest: Verhandlungen – aber nicht unter den derzeitigen Voraussetzungen
Auch ich wünsche einen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen. Aber doch nicht unter den derzeitigen Voraussetzungen. Der Aggressor und Kriegstreiber sitzt nicht, wie ständig in den gleichgeschalteten Medien Russlands behauptet wird, in Kiew, sondern im Kreml. Putin führt einen völkerrechtswidrigen Vernichtungskrieg mit hundertfach nachgewiesenen Kriegsverbrechen gegen die Ukraine.
Ich empfehle den Verfassern des „Friedensmanifests“, die Reden und Aufsätze Putins zu lesen. Er will nicht nur die Ukraine, sondern alle ehemaligen Staaten, die unter russischer Besatzung standen, zurückholen. Das würde die Zerstörung fast ganz Europas und ein Ende jeglicher Demokratie und Freiheit bedeuten. Fragen sollten die Verfasser Putin auch, wer die Sowjetunion mit schweren Waffen gegenüber Nazideutschland unterstützt hat. Diese Unterstützung durch die USA und Großbritannien unterschlägt er in seinen Reden, weil sie nicht in sein Konzept passen. Albrecht Aurand Köln
„Professor Münkler argumentiert eindimensional und ahistorisch“
Herr Professor Münkler argumentiert eindimensional und merkwürdig ahistorisch. Folgt man seiner Logik – wer angreift, hat die Kriegsschuld – dann hätte etwa Österreich-Ungarn die Kriegsschuld am Ersten Weltkrieg. Wie im Ersten Weltkrieg auch muss man jedoch im Krieg die Interessen der jeweiligen Machtblöcke untersuchen – Krieg ist die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln, das hatte bereits Clausewitz erkannt. Im Ersten Weltkrieg prallten imperialistische Interessen der Alliierten und der Mittelmächte aufeinander. Vorausgegangen waren ein Rüstungswettlauf sowie die sogenannte „trade rivalry“, besonders zwischen England und Deutschland.
Ähnliches spielt sich zwischen Russland und der Nato ab. Die Ukraine ist seit einigen Jahren Brennpunkt eines imperialistischen Machtkampfs. Sowohl die USA und die EU als auch Russland fokussieren die strategische Ausdehnung ihrer europäischen Einflussgebiete auf die Ukraine. Russland will seine wirtschaftliche Unterlegenheit kompensieren durch die Annexion von Gebieten der ehemaligen Sowjetunion – das eigentliche, nur humanitär verpackte Ziel der Nato ist die strategische Schwächung des neu imperialistischen Russlands und damit auch von dessen „Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit“ mit China.
Insoweit ist dieser Krieg auf keiner Seite „gerecht“ – beide Seiten verfolgen imperialistische Interessen! Die Gefahr eines dritten Weltkriegs ist leider ausgesprochen real. Im Ersten Weltkrieg brauchte es Revolutionen, um dem Gemetzel ein Ende zu setzen. Das scheint mir heute nicht so viel anders zu sein! Elisabeth Höchtl Köln
„Münkler trifft den Nagel auf den Kopf“
Als Historiker, „aufgeklärter Pazifist“ und bewandert in Militärhistorie, muss ich Herrn Münkler loben: Ich sehe, er trifft in allen Punkten den Nagel auf den Kopf. Seinen Auskünften ist nichts hinzuzufügen. Chapeau! Wolfgang Reinert Köln
Kritik am Friedensmanifest: Münkler fehlt Gespür für die Angst vor einem Atomkrieg
Ich trete der Meinung des Herrn Münkler entschieden entgegen, mit der er sehr deutlich macht, dass er an einer sachlichen Diskussion nicht interessiert ist, sondern diejenigen mundtot machen will, die sich, wie ein großer Teil der Bevölkerung auch, gegen Waffenlieferungen aussprechen und davor warnen. Herr Münkler dürfte auch wissen, dass die Berichterstattung nie die Grauen der Kriegshandlungen beider Seiten beschreibt. Darüber, wie es der russischen Bevölkerung und den Frauen in den betroffenen Gebieten ergeht, erfahren wir nichts.
Herr Münkler unterstellt nicht nur Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht, sondern allen Unterzeichnern des Aufrufs, unter anderen Dr. Franz Alt, Eugen Drewermann, Dr. Margot Käßmann, Uwe Kokisch, Oskar Lafontaine, Reinhard Mey, Dr. Hans von Spoeneck, Erich Vad und Dr. Antje Vollmer tatsächlich eine „Komplizenschaft“ mit dem Aggressor. Er gibt damit ein gutes Beispiel dafür, wie heute mit der Meinung anderer umgegangen wird. Wo bleibt da der Respekt?
Die Angst vor der Gefahr eines Atomkriegs tut er verächtlich ab, indem er diese als „Kindergartenschreck“ bezeichnet. Er scheut sich nicht, all diejenigen, die davor warnen, lächerlich zu machen und ihnen sogar Kenntnis- und Gewissenlosigkeit vorzuwerfen! Dies allerdings empfinde ich als Gewissenlosigkeit! Marilies Kupsch Wachtberg

Der Politologe Herfried Münkler kritisiert das „Manifest für Frieden“ als „gewissenlos“.
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„Manifest für Frieden“: Recht von Unrecht unterscheiden
Ich möchte mich bedanken für die Reaktionen der Herren Herfried Münkler und Carsten Fiedler auf das „Manifest für Frieden“. Ihre Worte sprachen mir aus dem Herzen und ich möchte ausdrücklich bestätigen, dass dieses gewissenlose Manifest gegen jede Menschlichkeit steht! Ich kann mit 81 Jahren noch Recht von Unrecht unterscheiden, wie sicher die meisten Menschen in diesem Land! Lassen wir uns nicht von diesen „Gernegroß“ in die Irre führen! Annemarie Storch Troisdorf
Wunsch nach Frieden verdient mehr Respekt
Sicher gibt es Kritik an dem Manifest. Aber eine zumindest gleichberechtigte öffentliche Erörterung der Notwendigkeit, so bald als möglich den „Fleischwolf“ Ukrainekrieg mit nun mutmaßlich über 300.000 Opfern auf beiden Seiten zum Stillstand zu bringen, muss nicht nur erlaubt sein ohne eine solche Polemik, sie ist auch bitter nötig. Der Nicht-Pazifist Jürgen Habermas hat auf einem deutlich höherem Niveau das dazu „Notwendige“ gesagt.
Und bei allem Respekt vor den mutigen und leidenden ukrainischen Menschen: Ist ein lang andauernder blutiger Krieg auf ihrem Territorium mit ungewissem Ausgang wirklich in ihrem Interesse, selbst wenn dann etwas mehr – total zerstörtes – Land zurückgewonnen würde? Handeln neben den Imperialen im Kreml die aktuellen ukrainischen Führer denn wirklich im Interesse ihres Landes? Und wie wollen wir eigentlich die drängenden Menschheitsprobleme bewältigen, wenn Frieden in der einen Menschheitsfamilie nicht die Richtschnur unseres Handelns ist? Peter Heim Köln
Friedensmanifest: Mit Putin lässt sich nicht verhandeln
Bei allem Respekt für Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht – ihr „Manifest für den Frieden“ ist nicht nur gewissenlos, sondern auch bar jeder Kenntnis. Mit einem Menschenschlächter wie Wladimir Putin, einem Mann, der über Leichen geht, um seine Allmachtbedürfnisse zu befriedigen – einem Mann, der nach einem Jahr Krieg bereits Tausende Menschen, auch aus seinem eigenen Land, auf dem Gewissen hat – mit so jemand lässt sich via „Friedensmanifest“ nicht verhandeln. Herfried Münkler hat mit seiner zugegeben harschen Kritik auf der ganzen Strecke recht, auch was den Mangel an Kenntnissen bei den Autorinnen betrifft. Dieser Mangel lässt sich auch nicht durch Prominenz verschleiern. Wolf Scheller Köln
Friedensmanifest: Hoffnung schaffen die Träumer, nicht die Realisten
Danke, Herr Professor Münkler, für Ihren kenntnisreichen Faktencheck der Kriegssituation zwischen Russland und der Ukraine. Meine Lebenserfahrung hat mir allerdings gezeigt, dass es eher die Faktenschaffer sind, die unser Leben problematisch machen als die Träumer. Diese mögen zwar naiv sein, aber „gewissenlos“ sind sie keinesfalls! Das ordne ich eher den Realisten zu, die Fakten schaffen – wie Kriege beginnen, Umwelt und Menschen ausbeuten, Gewinne sichern.
Die realitätsfremden Friedensfreunde dagegen halten mit ihren Träumen, Ideen und Konzepten die Hoffnung auf eine Verbesserung unserer Welt am Leben. Es sind die Träumer und Fantasten, die überall die Entwicklung der Kultur ermöglichen und sichern. Faktenschaffer dagegen haben sie schon vielfach in Trümmer gelegt.
Die unterschiedlichen Motive der Unterzeichner des Manifests als „kenntnisloses Dahergerede“ zu vereinheitlichen, das ist für mich überheblich und nicht lösungsorientiert. Trotzdem gebe ich – als naive Träumerin – die Hoffnung nicht auf, dass auch ein so kluger Analyst wie Sie, zusammen mit anderen klugen Realisten, vielleicht bald Lösungswege finden, die realisierbar sind und uns allen eine friedlichere Welt ermöglichen! Sigrid Rüpprich Bad Münstereifel
Friedensmanifest lässt Klarheit gegen Aggressor Putin vermissen
Vielen Dank, Herr Fiedler, für diese klare und richtige Rückweisung und Bloßstellung des sogenannten Friedensaufrufs von Wagenknecht und Schwarzer. Es ist schon bezeichnend, wie die beiden Autorinnen jede Klarheit gegen den Aggressor Putin vermissen lassen. Oliver Schumacher Köln
Friedenshoffnungen sind illusorisch
In der Ukraine geht der Krieg in die 51. Woche und am Ende der Karnevalswoche jährt sich das russische Schlachten und Morden, und nicht nur in Deutschland gibt es Menschen, die meinen, wenn man den Ukrainern die Unterstützung mit Waffen entzieht, käme es ganz schnell zum Frieden. Zu diesen Menschen zählen neben vielen Mitgliedern der AfD auch Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht. Ein Blick in die eigene Geschichte würde reichen, um festzustellen, wie sehr man sich mit pazifistischen Gesten irren kann.
Vor dem 1. September 1939 waren die später Alliierten der Meinung, man müsse Hitler nur ein bisschen Böhmen, Mähren und Österreich lassen, dann werde er schon Ruhe geben. Diese Fehleinschätzung hat unter anderem sechs Millionen Juden und 64 Millionen nicht-jüdischen Menschen das Leben gekostet, wenn man den Historikern folgt. Putin und seine Kamarilla lassen sich nicht mehr mit freundlichen Worten besänftigen, dafür haben sie auch zu viele Kriegsverbrechen begangen – sie lassen sich vielleicht noch einhausen, aber China und Indien bieten eine Hintertür. Stephan Zilkens Köln