MarderbeauftragterDer Gast, den man am Poltern erkennt

Lesezeit 5 Minuten
Der Marderbeauftragte Peter Flunkert ist den Tieren zugetan, auch wenn er sie von Berufs wegen vergrämt. (Bild: Neumann)

Der Marderbeauftragte Peter Flunkert ist den Tieren zugetan, auch wenn er sie von Berufs wegen vergrämt. (Bild: Neumann)

Rhein-Berg – Übermorgen sei definitiv zu spät, entgegnete die Dame am Telefon, deren Nervenkostüm aufgrund akuten Schlafmangels bereits hauchdünn geworden war. Ihr „Notruf“ galt Peter Flunkert. Ihr Anliegen: Der Marder muss weg. Erst seit Mitte November ist Flunkert offizieller Marderbeauftragter der Kreisjägerschaft für Overath, aber es sprach sich bereits herum. Die Hilfe suchende Bürgerin hatte zuvor einen Dachdecker engagiert, der bereits korrekt vermutete, dass der Marder über einen neben dem Gebäude stehenden Baum aufs Dach gelange. „Er hat dann wohl an ein paar Ästen rumgeschnibbelt“, erzählt Flunkert, „aber das reicht nicht. Marder können über zwei Meter weit springen.“

Er selbst machte kurzen Prozess - nicht mit dem Marder, sondern mit dem Baum. Nach der eigenhändigen Fällung der Kletterhilfe gab es für die unfreiwillige Tierbesitzerin die erste durchschlafene Nacht seit langem. Kein Marder mehr, allerdings auch kein Baum.

Wird er gerufen, stellt der Marderbeauftragte zunächst fest, ob es überhaupt ein Marder ist, der den Hausfrieden stört. Auch Siebenschläfer sind im Bergischen unterwegs oder, selten, auch ein Waschbär. Mancher Mensch hat gar schon Mäuschen für Marder gehalten. Doch auf sanften Pfoten zu trippeln scheint diesem nicht zu liegen. „Man erkennt ihn eindeutig am Poltern“, sagt Flunkert - und das weiß auch der, der schon mal das Vergnügen hatte. Angst vor dem Polterer sei aber völlig unbegründet, denn die scheuen Tiere griffen niemals Menschen an.

Possierliche Tiere

Eigentlich könne man sich glücklich schätzen, ein solches Wildtier beobachten zu können, findet Flunkert. Es sind wahrlich possierliche Tiere mit seidigem braunen Fell, weißer Brust, kleinen Ohren und elegantem Gang. Die Natur hat ihnen jedoch zwei weitere Eigenschaften mitgegeben, mit denen sie sich beim Menschen nicht nur Freunde machen: scharfe Zähne und die Liebe zur Höhle. „Ihre Höhlen bauen sich Marder niemals selbst“, erklärt Flunkert. Sie können in Holzhaufen leben oder in hohlen Baumstämmen. Nur leuchtet auch ein, dass ein warmer Dachboden, der das Nistmaterial in Form von Dämmung gleich mitliefert, eine Alternative ist, die man als Marder gar nicht abschlagen kann. „Wir laden sie ja geradezu ein“, meint Flunkert. Als Marderbeauftragter bereitet er sich nun auf die anstehenden Hilferufe vor.

Da ist es praktisch, dass er „Versuchstiere“ gleich im eigenen Haus hat. Diese werden sich nun wundern, denn die letzten Jahre durften sie ungestört unter seinem Dach hausen. „Unser Schlafzimmer ist im Keller“, sagt Tierfreund Flunkert, zu dessen Haustieren auch Reh „Lilli“ gehört, das er vor sieben Jahren mit der Flasche aufzog. Doch nun werden „seine“ Marder wohl herhalten müssen, um die in Seminaren gewonnenen Kenntnisse in der Praxis zu testen. Beim Friseur hat Flunkert sich bereits einen Sack menschlicher Haare besorgt, um die abschreckende Wirkung zu prüfen. Gerüche jeglicher Art können die Marder vertreiben: Menschenhaare, Hundehaare, Parfüm, Toilettensteine. Alles sei recht, aber genau so wenig Erfolg garantierend wie Geräusche. Die von ihm installierte Anlage, die hochfrequente Töne aussendet, fand entgegen der Beschreibung des Herstellers großen Anklang auf dem Dach, denn: „Rund um das Gerät hatten wir Marderdisko.“

Von Fallen und Fangen hält der Jäger überhaupt nichts. Es sei schwierig, und selbst ein in einer Lebendfalle gefangenes Tier könne eigentlich nur erschossen werden. Das Aussetzen an anderer Stelle führe entweder zum Tode, weil das Revier bereits besetzt sei, oder zu einer erneuten Besetzung eines Dachbodens. Das einzige, was wirklich helfe, sei, Kletterhilfen zu entfernen oder am besten gleich das Haus so abzudichten, dass kein Marder mehr reinpasst. Faustregel: Wo der Kopf durchpasst, passt auch der Rest des Tieres. Bei seinen Besuchen zeigt der Marderbeauftragte, wo Schwachstellen sind, und empfiehlt weitere Maßnahmen. Sind alle Einschlupflöcher in Holzverkleidungen, unter Dachpfannen oder an der Kaminverkleidung gesichert, ist der Marder in aller Regel vergrämt.

Eindringlinge

Sichern solle man übrigens nicht nur das eigene Haus, sondern gegebenenfalls auch das der Hühner und Kaninchen, denn das Raubtier mache auch vor größeren Säugetieren nicht Halt. Das sei keine Boshaftigkeit, sondern Natur, sagt Flunkert und fügt dazu passend als kleinen Trost für den Menschen hinzu: „Wer einen Marder auf dem Dachboden hat, hat ganz sicher keine Mäuse.“

Zum Thema Natur, Mensch und Marder formuliert er gern einen weiteren Gedanken: Der Marder war zuerst da. Zwar störe das Tier heute den Menschen, aber zuvor habe der Mensch das Tier gestört. Er baute Häuser und Straßen, parkte Autos und riss alte Scheunen ab, in denen die Marder ungestört ihr Höhlenleben praktizieren konnten. „Eigentlich sind wir die Eindringlinge“, stellt der Experte fest und fordert Nachsicht mit dem Marder, der schließlich auch ein Nutztier im Gleichgewicht der Natur sei.

Diese Sichtweise ist für jene, denen morgens um vier die lustige Raubtierfamilie buchstäblich auf dem Kopf herumtanzt, vermutlich etwas zuviel verlangt. Doch gerade wenn es bereits zur Marderfamilie gekommen ist - nämlich ab März -, kennt Flunkert kein Pardon. „Die zwei Monate haltet ihr jetzt noch aus“, lautet sein Plädoyer für den Marder, denn würde die Mutter jetzt vertrieben, kämen die Jungen elendig um. Häufig seien es die Großstädter, die damit die meisten Probleme hätten. „Sie ziehen aufs Land“, sagt Flunkert etwas mürrisch, „wollen aber kein Laub auf dem Zierrasen und keinen Marder auf dem Dach.“

Nun haben sie aber zumindest einen Ansprechpartner, der ihnen fachkundig zur Seite steht. „Sie sollen einfach anrufen mit ihrem Marder“, sagt Peter Flunkert wohlgemut, „wir vertreiben ihn schon!“

KStA abonnieren