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Kommentar

Julia Klöckner
Feindbild der Linken und alter, weißer Männer

5 min
Julia Klöckner (CDU), Bundestagspräsidentin, ist am 17. August Teilnehmerin beim Sommerfest der CDU Koblenz. Das Fest im Innovationszentrum der CompuGroup Medical sorgt für Kritik, weil Firmengründer Frank Gotthardt das als rechtspopulistisch eingestufte Portal Nius mitfinanziert.

Julia Klöckner (CDU), Bundestagspräsidentin, ist am 17. August Teilnehmerin beim Sommerfest der CDU Koblenz. Das Fest im Innovationszentrum der CompuGroup Medical sorgt für Kritik, weil Firmengründer Frank Gotthardt das als rechtspopulistisch eingestufte Portal „Nius“mitfinanziert. 

Gastkommentator Volker Resing nimmt in der Kritik an Bundestagspräsident Julia Klöckner (CDU) vor allem eines wahr: Polemik, Häme, Herabwürdigung.

Wer zur Verteidigung von Julia Klöckner ansetzt, muss zunächst einmal durchdringen zu dem, was der CDU-Politikerin und amtierenden Bundestagspräsidentin überhaupt vorgeworfen wird. Doch hier beginnt auch schon die Geschichte von Verdrehung und Polemik. Klöckner ist zum Feindbild einiger Akteure der linken Parteien im Parlament geworden, weil es offenbar ein Ventil braucht angesichts einer CDU-geführten Bundesregierung. Und Klöckner schien aus Sicht ihrer Gegner dazu geeignet.

Volker Resing

Volker Resing

Die Maßstäbe der Gerechtigkeit und Wahrhaftigkeit müssen einem schon ordentlich verrutscht sein, wenn man ausgerechnet an Julia Klöckner seinen Frust abreagieren will. „Sie hat immer nur polarisiert, polemisiert und gespalten“, sagte Robert Habeck in dem bereits legendären „taz“-Interview zu seinem Rückzug aus der Bundespolitik. Der Vorwurf des Grünen hält einer sachlichen Überprüfung schlicht nicht stand. Julia Klöckner war vielmehr immer mittig unterwegs, warb in Berlin schon vor mehr als zehn Jahren für Schwarz-Grün. Habeck war da noch Anfänger in Kiel.

Klöckner hat zwischen Angela Merkel und ihren Kritikern einen Kompromiss gesucht, da tobte Deutschland gerade dem Höhepunkt der polarisierten Flüchtlingsdebatte entgegen. In ihrer Partei war sie lange die Vorsitzende der Herzen – gewiss nicht als Kulturkämpferin, sondern als verbindendes Element. Gegen eine wachsende Zahl kritischer Stimmen, die dem Parteivorsitzenden Friedrich Merz nahestanden, setzte sie in der CDU die Frauenquote durch.

Erfolgreich, katholisch, konservativ

Eine CDU-Politikerin allerdings ist Julia Klöckner – eine erfolgreiche, eine präsente, eine katholische und konservative Frau. Das passt nicht ins Weltbild mancher alten, linken Männer. Der schwerwiegendste Vorwurf gegen Klöckner ist, dass sie nicht in der Lage sei, ihr Amt als Parlamentspräsidentin neutral auszuüben.

Als Beleg wird unter anderem angeführt, dass sie im Plenum die Kleiderordnung durchsetzt. Dazu gehört, dass keine politischen Botschaften sichtbar getragen oder gezeigt werden dürfen. Zweimal traf es Linken-Abgeordnete, die von Klöckner des Saales verwiesen wurden. Zudem hat sie wegen verbaler Entgleisungen 13 Ordnungsrufe erteilt, zwölf davon an die AfD.

Habecks Anklage bleibt, was sie ist: Übles Nachtreten

Ankläger Habeck konstatiert: „Alle müssen neutral sein, nur Klöckner darf rechts sein.“ Rechts? Selbstverständlich ist diese Polemik (man kann sei auch Entgleisung nennen) von der Meinungsfreiheit gedeckt, zumal Habeck seit dem 1. September kein Abgeordneter mehr ist. Nur bleibt sie, was sie ist: Übles Nachtreten.

Ein weiterer Beleg für Klöckners Mangel an Neutralität sei, dass sie die Regenbogenfahne über dem Reichstag nur noch einmal im Jahr hissen will – und nicht immerzu, etwa in der Zeit des „Pride month“ im Juni. Ist es in Robert Habecks Augen dann vielleicht auch schon „rechts“, wenn man als Beobachter in Klöckners Entscheidung sogar eine salomonische Lösung erkennen mag?

Immerhin mögen auch manche Nicht-Rechte die Regenbogenfahne nicht so sehr, was zu erwähnen man sich genötigt sieht. Es existiert auch keine staatsbürgerliche Verpflichtung. Sogar unter Schwulen und Lesben gibt es nicht nur Fans. „Ich kenne Frau Klöckner schon lange. Sie war noch nie in der Lage, Dinge zusammenzuführen“, befindet der frühere Vize-Kanzler. Meint er das ernst?

Unternehmer Gotthardt wird als Gottseibeiuns der Medienszene verachtet

Schließlich war da noch das Sommerfest der CDU Koblenz, an dem auch die rheinland-pfälzische CDU-Frau Klöckner teilnahm. Wohlgemerkt: Eine Bundestagspräsidentin bleibt – anders als der Bundespräsident – auch in ihrem hohen Staatsamt außerhalb des Parlaments Parteipolitikerin. So ist es Konsens, so ist es Tradition. So hat es auch Klöckners Vorgängerin Bärbel Bas (SPD) gehalten. Der Vorwurf gegen Klöckners Auftritt auf dem Sommerfest ist subtiler. Austragungsort des Events war ein Firmengelände, das dem Hunderte Millionen schweren Unternehmer Frank Gotthardt gehört. Dieser wird inzwischen als so etwas wie der Gottseibeiuns der deutschen Medienszene verachtet, weil er nebenbei das Internetportal „Nius“ finanziert.

Mit jeder Verbindung Klöckners zu Gotthardt tritt das Vergehen der sogenannten Kontaktschuld ein. Der Vorwurf: Klöckner hofiere indirekt ein Medium, das als rechts oder rechtspopulistisch zu bezeichnen sei. Inzwischen wurde enthüllt, dass sich die beiden schon länger kennen. Klöckner habe als CDU-Schatzmeisterin sogar mal Geschäfte mit dem Internet-Unternehmer machen wollen. Und das soll nun final belegen, dass Klöckner „rechts“ ist?

Zu viel für wohlanständige Kritiker

Der Kreis zur „taz“ und zum Habeck-Interview schließt sich hier. Denn Klöckner wagte es in Koblenz, ein Loblied auf Meinungsfreiheit und -vielfalt zu singen und dabei „Nius“ und „taz“ in einem Satz zu nennen. Das war nun doch zu viel für die vielen selbstgewiss wohlanständigen Klöckner-Kritiker. Sie wisse nicht, was sich gehört und wo die Grenzen für eine Konservative liegen, so geht das Raunen. In Wahrheit soll sie sich einfügen, wie es sich für brave Mädchen gehört – in einen mittigen Konsens. Wie kann sie es wagen, da auszuscheren?

Gerade ihr früheres Amt als Weinkönigin wurde Klöckner immer wieder spöttisch vorgehalten. Dass nun auch noch die jüngste Wendung in ihrem Privatleben, die Beziehung zu TV-Moderator Jörg Pilawa, die Klatschspalten füllen würde, wird sie gewiss nicht gewundert haben. Nur bleibt die Frage, ob Frauen sich das gefallen lassen müssen: Polemik, Häme, Herabwürdigung. Und ob das der Demokratie wirklich so dienlich ist. Die „taz“, die sich – wie immer beteuert wird – auf gar keinen Fall auf ein solches Kellerniveau begebe wie „Nius“, schrieb jüngst über Julia Klöckner: „Wein, Weib und Jörg! Darauf was Plörriges.“


Zur Person

Volker Resing, geboren 1970, ist Journalist und Autor. Er leitet das Ressort Berliner Republik des Magazins „Cicero“. Als Buch ist von Resing zuletzt im Verlag Herder die Biografie „Friedrich Merz. Sein Weg zur Macht“ erschienen. (jf)