Mozart alla Turca in Wien

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Wien - Zwei junge türkische Frauen landen in den Händenwestlicher Paschas: Mit vertauschten Rollen zwischen Orient undOkzident spielt das ambitionierte Musiktheater-Projekt "Saray" imWiener Schauspielhaus. Regisseur Ibrahim Quraishi versetzt MozartsErfolgsoper "Die Entführung aus dem Serail" dabei mit einemtürkisch-mitteleuropäisch gemischten Ensemble in heutigeVerhältnisse. Das rund 90-minütige Spiel mit historischen undheutigen Klischees als Beitrag zum Wiener Mozartjahr hat dasPremierenpublikum am Dienstagabend mit Sympathie und Respektaufgenommen.

Quraishi greift das Motiv der "alla turca"-Mode auf, in derMozarts erstes Singspiel in deutscher Sprache 1782 entstanden ist.Dazu versucht er eine musikalische Verlagerung in türkischeTraditionen und gleichzeitig eine szenische Übertragung in heutigeVerhältnisse. Das große Opernorchester ersetzt er durch einsechsköpfiges Ensemble, das die bekannten Melodien auf traditionellentürkischen Instrumenten erklingen lässt. Die leer geräumte Bühne(Stefanie Wilhelm) gibt keine Anhaltspunkte auf definierte Orte odereine bestimmte Zeit.

Osmin, vielmehr: Oskar S. (Michael Doumas) ist ein bornierterKraftmensch in enger roter Lackhose und Nadelstreifen-Sakko. EinUnbelehrbarer: Wie am Anfang, so berauscht er sich auch am Ende anseiner Vision, das kulturell Andere auszulöschen mit den Worten derbekannten Arie: "Erst geköpft, dann gehangen...". Auch Bassa Selimalias Felix H. (Martin Niedermair) ist hier kein überraschenderHumanist, sondern ein politischer Populist, der sich derWahlkampfrhetorik österreichischer Rechtspopulisten bedient: "Wiendarf nicht Istanbul werden" oder "Warum haben sich unsere Vorfahrenerfolgreich gegen die Türken zur Wehr gesetzt, wenn wir sie jetztwieder herein lassen?"

Das sind amüsante Anspielungen, die jedoch die Geschichte um dieentführte Feraye/Constanze und Esmercik/Blonde nicht schlüssig machen- die zudem von verschiedenen Sängerinnen (Serap Gögüs, CigdemSoyarslan, Görkem Ezgi Yildirim) dargestellt werden. RegisseurQuraishi erzählt die Handlung um die Entführung der Frauen und dieBefreiung durch Kahraman/Pedrillo (Erdem Erdogan) und Süleyman/Belmonte (Ali Murat Erengül) nicht einfach linear, sondern zeigt ineinzelnen Bildern und stilisierten Bewegungen gleichzeitig eineParabel über das Nebeneinander der Kulturen.

So entwickelt sich zwischen den Figuren keine wirklicheInteraktion, sie singen konsequent aneinander vorbei, bleibenisoliert und finden zu keiner gemeinsamen Ebene. Auf diese Weisebetont die Inszenierung eine ambivalente Atmosphäre zwischenAblehnung und Anziehung, die jedoch wenig sinnlich greifbar wird. Deranvisierte musikalisch-kulturelle Rollentausch geht nicht ganz auf."Saray" ist als Auftragswerk des Wiener Mozartjahres in Koproduktionmit dem Grand Théatre de la Ville Luxembourg und Het TonellhuisAntwerpen entstanden.(dpa)

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