Narkotisiert im Kofferraum entführt

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Wurde 1950 in den Osten gelockt: Erich Kieckhöfel.

Wurde 1950 in den Osten gelockt: Erich Kieckhöfel.

Mit „Entführt - Menschen raub im Kalten Krieg“ legt Erika Fehse eine spannen de Dokumentation über ein dunkles Kapitel deutscher Geschichte vor.

Wer kann sich hierzulande noch daran erinnern, dass bis zum Mauerbau mehr als 600 Menschen aus dem Westen Berlins in die DDR verschleppt wurden? Ihre Geschichten sind hochdramatisch, ihre Schicksale blieben dennoch oft im Dunkeln. Der Kölner Filmemacherin Erika Fehse ist es gelungen, vier ehemalige Entführungsopfer aufzuspüren und deren in Vergessenheit geratene deutsch-deutsche Schicksale wieder aufzurollen. Die Betroffenen erzählen ihre haarsträubenden Erlebnisse selbst und wagen sich an die Orte des Leidens (darunter die Gefängnisse) zurück. Jede einzelne Biografie böte reichlich Stoff für eine aufregende Verfilmung. Erich Kieckhöfel war seinerzeit auf die „dümmste Variante“ der Stasi hereingefallen: Ein „guter Freund“ lockte ihn in den Osten zurück, wo er zu fünf Jahren Zwangsarbeit in Sibirien verurteilt wurde. Der junge Journalist Karl Wilhelm Fricke schrieb Polemiken gegen die DDR, was ihn als „gemeingefährlichen Agenten“ erscheinen ließ. Narkotisiert wurde er in einem Kofferraum abtransportiert und musste vier Jahre Einzelhaft in Bautzen erdulden. Unerträglich war für ihn der Gedanke an seine ahnungslose Mutter, die ebenfalls verhaftet wurde.

Für 200 Mark kidnappte ein Bekannter Niki Glyz, eine vermeintlich gefährliche Spionin. Die zweieinhalb Jahre Gefängnis haben sie schwer traumatisiert. Und Gerd Sommerlatte türmte als junger Volkspolizist während seines Dienstes am Brandenburger Tor, weil er nicht auf Republikflüchtlinge schießen wollte. Zwei kleine Gauner entführten ihn für die Stasi in den Osten. Nach vier Jahren Zuchthaus wurde er freigekauft. Erika Fehses Dokumentation erinnert an ein beklemmendes Stück Zeitgeschichte und bewahrt vier Schicksale vor dem Vergessen.

WDR, 23.30 Uhr

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