Neue TechnikSchmuck aus dem 3-D-Drucker

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Die Grafiken sind Vorlage für das Laser-Sintern. Anschließend müssen die Stücke nachgeschliffen werden. (Bild: Worring)

Die Grafiken sind Vorlage für das Laser-Sintern. Anschließend müssen die Stücke nachgeschliffen werden. (Bild: Worring)

Die Kette liegt überraschendleicht in der Hand,und sie wirkt trotz ihrerrauen Oberfläche so fragil, dassman kaum wagt, die einzelnenGlieder wie einen Druckknopfmit einem leichten Ruck zu trennen– oder mit einem leisenKlick wieder zu verbinden. „Siekönnen sich ruhig trauen“, sagtDesignerin Tine Latein, „diegeht nicht kaputt.“ Schließlichist der Umstand, dass sich dieElemente der Kette verbindenund trennen lassen – und die Trägerinso die Länge ihrer Ketteselbst bestimmen kann – eine derBesonderheiten ihres Schmuckstücks„Einzeller“. Aber darinstecken noch viel mehr Ideen –so viele, dass Tine Latein fürihren Entwurf nun mit dem„Gold Award“ des InternationalForum Design ausgezeichnetwurde, einem der renommiertestenDesignpreise Deutschlands.Gestern wurde der Preis aufder Hannover Messe vergeben –in der Begründung der Jury heißtes zum „Einzeller“: „Die Verbindungzwischen dem Spielerischenund dem Hightech-Verfahrenist einfach perfekt gelungen.“

Denn gefertigt werden diekleinen, korbähnlichen Kettengliederauf einer Laser-Sinter-Anlage – eine Art 3-D-Drucker.Dabei wird ein Behälter nachund nach mit feinem Pulver aufgefüllt,ein Laser schweißt darausSchicht für Schicht die gewünschteForm heraus. Normalerweisewerden so technischeBauteile oder medizinische Produktehergestellt.

Andere Karriere

Auch Tine Latein, die seit dreiJahren in Köln lebt, kannte dasVerfahren von ihrer Arbeit alsIndustriedesignerin: Sie entwickeltin ihrem Ehrenfelder Atelierhauptsächlich Formen undOberflächen für Gebrauchsgegenständewie Laptops oderScanner. Dazu entwirft sie amComputer 3-D-Modelle – Entwürfe,die auch als Vorlagen fürdas selektive Laser-Sintern genutztwerden können. Bevor TineLatein Industriedesign studierte,hatte sie aber noch eineandere Karriere: Sie arbeitetemehrere Jahre als Goldschmiedin.Und irgendwann, erzählt Latein,habe sie sich angesichts dertechnischen Möglichkeiten ebengefragt: Warum macht damitniemand Schmuck?

Der preisgekrönte „Einzeller“verbindet also nicht nur Designund Hochtechnologie, sondernauch die verschiedenen Fähigkeitenvon Tine Latein: Die Industriedesignerinwusste, dasssich per Entwurf am Computerund durch Laser-Sintern komplexeFormen realisieren lassenund verfügte über Kontakte zuFirmen, die ihre Maschinen fürdas Experiment zur Verfügungstellen würden. Gleichzeitig erdachtedie Goldschmiedin gezielteine Form, die durch klassischeSchmiedearbeit nur sehrmühsam herzustellen wäre – diekleinen Körbe sind zu fein, umsie zu gießen, also müsste jederDraht einzeln verlötet werden –und wählte mit Titan ein Material,das auch in dieser Dickenoch fest genug sein würde, umden speziellen Verbindungsmechanismuszu ermöglichen.„Gold oder Silber wären zuweich“, erklärt Latein, „das würdenicht klicken.“

17 Kettenglieder ergeben ein Armband

Aufwändig ist die Fertigungder einzelnen Kettenglieder –17 an der Zahl ergeben ein Armband,35 eine kurze Halskette.Tine Latein schickt ihren 3-DEntwurfan den Hersteller, derlässt seine Maschine jedes einzelneGlied „ausdrucken“. Anschließenerhält die Designerindie Stücke zurück. Um Materialresteabzuschmirgeln, kommensie nun in die Schleifmaschine –eine Art Waschtrommel, gefülltmit kieselähnlichen Schleifkörpern,die nun zwei Tage lang inTine Lateins Atelier vor sich hinsurrt. Danach wird jedes Kettengliedam Goldschmiedetischnachpoliert, „für den Glanz unddamit es besser klickt“, erklärtLatein. Und weil es die „Einzeller“in drei verschiedenen Farbabstufungengibt – in Titan-Grau, silbrig und blaugrau – gehtes für einige Stücke noch zumFärben. Auch hier hat sich TineLatein für ein spezielles Verfahrenentschieden: Ihr Schmuckwird nicht etwa schnöde mitFarbpigmenten beschichtet, erwird anodisiert. Dabei wird dieOberflächenstruktur des Titansdurch elektrische Spannung verändert.Es entstehen Interferenzfarben– weil das Material nundie Lichtwellen anders reflektiert,schillert es in einem bestimmtenFarbton.

Ein Jahr lang hat Tine Lateingetüftelt, anfangs nur nach Feierabend.„Ich wusste ja nicht, ob eswirklich funktioniert“, sagt sie,„das war sowohl für mich alsauch für die Hersteller ein Lernprozess.“Seit Anfang diesenJahres wird der „Einzeller“ in einerKölner Galerie verkauft, einekurze Kette kostet etwa 2000 Euro.Der „Gold Award“ ist schondie zweite Auszeichnung, die siefür ihren Entwurf bekommt:Letzten Sommer erhielt sie den„Design Plus Preis“ des Rats fürFormgebung und der MesseFrankfurt.

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