Anschlag in Kölner ProbsteigasseZweifel an Integrität des V-Manns

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Das Lebensmittelgeschäft in der Kölner Probsteigasse nach dem Anschlag am 19.01.2001.

Das Lebensmittelgeschäft in der Kölner Probsteigasse nach dem Anschlag am 19.01.2001.

Düsseldorf – Mathilde Koller muss sich schon gut anderthalb Stunden eine Kaskade von Fragen anhören. Die 2012 zurückgetretene Chefin des NRW-Verfassungsschutzes macht das, was Menschen so tun, wenn sie gerne woanders wären: Sie beugt sich vor, lehnt sich zurück, nippt am Wasserglas. "Ich fühle mich unwohl", sagt die 65-Jährige. Viele Fragen der Abgeordneten im NSU-Ausschuss des Landtags zu einem ehemaligen "geheimen Mitarbeiter" ihrer Behörde dürfe sie öffentlich nicht beantworten.

Die Abgeordneten bohren jedoch weiter - mit Ergebnissen: Koller bestätigt am Dienstag im Landtag, dass sie im Februar 2012 in einem vertraulichen Vermerk an die Bundesanwaltschaft einen führenden Kölner Rechtsextremisten als V-Mann ihrer Behörde enttarnte. Die Chefin der NRW-Verfassungsschützer stand damals wohl unter enormem Druck. Ein Jahr nach der Enttarnung des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) versuchten Sicherheitsbehörden in ganz Deutschland die Hintergründe der Mordserie aufzuklären und Kontaktleute des NSU-Trios ausfindig zu machen.

Anfrage des Generalbundesanwalts

Über das Bundesamt für Verfassungsschutz, so schildert es Koller, sei eine Anfrage des Generalbundesanwalts in Düsseldorf aufgelaufen: Die Ermittler, die auch den ungeklärten Bombenanschlag auf ein iranisches Geschäft in der Kölner Probsteigasse aus dem Jahr 2001 neu aufrollten, wollten wissen, ob der Geheimdienst in NRW einen Mann aus der rechten Szene kenne, der zum Phantombild des Täters passt: Das Bild war nach der Beschreibung des Ladenbesitzers erstellt worden.

Man habe daraufhin bei der Abteilung Rechtsextremismus nachgeforscht, sagt Koller. "Die kennen ja ihre Leute." Einem ihrer Beamten sei daraufhin die Ähnlichkeit zwischen dem Probsteigassen-Phantombild und dem Mann aufgefallen, der dem Verfassungsschutz Informationen aus der Kölner Szene lieferte. Das könnte einer sein, "mit dem wir zusammenarbeiten", habe der Kollege gesagt, erinnert sich Koller an den brisanten Hinweis. Ein vom Verfassungsschutz bezahlter V-Mann, der in Verbindung zu einem NSU-Attentat steht? Es wäre ein Skandal, der schlimmste Befürchtungen übertreffen würde.

Keine Hinweise auf Beteiligung des V-Mannes

Bei der erfahrenen Beamtin müssen damals viele Alarmglocken geläutet haben: Sie verfasste einen vertraulichen Vermerk an den Generalbundesanwalt, der erst vor wenigen Monaten öffentlich bekannt wurde.

Eine Ähnlichkeit zwischen Phantombild und V-Mann sei nicht auszuschließen, hieß es darin vage. Hinweise auf eine Beteiligung des Mannes am Anschlag in der Probsteigasse, bei dem ein 19 Jahre altes Mädchen schwer verletzt worden war, habe man jedoch nicht, schrieb Koller. Der Mann sei noch einmal eindringlich von Mitarbeitern nach mögliche Verbindungen befragt worden.

Trotzdem hatte sie offenbar Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit des Kölners, der auch führendes Mitglied der heute verbotenen Kameradschaft "Walter Spangenberg" war. Sie habe angeordnet, die wohl seit 1989 andauernde Zusammenarbeit zu beenden.

Unklar ist, ob Koller die Bundesanwaltschaft auf ein brisantes Detail aus der Vita des V-Manns hingewiesen hat: Er ist vorbestraft - ausgerechnet wegen eines Sprengstoffdelikts aus dem Jahr 1985. Das ermittelte das Bundeskriminalamt nach Kollers Mitteilung. Die Generalbundesanwaltschaft schloss ihn später jedoch als Mittäter des Mördertrios aus.

Dass Mathilde Koller selbst nur vier Monate nach ihrem "Vermerk" zurücktrat, hatte für viele Spekulationen gesorgt: Sie wolle mit der "Legendenbildung" aufräumen, sagt sie am Dienstag. Der Rücktritt habe nichts mit dem NSU zu tun. Sie habe es nie geschafft, ein Vertrauensverhältnis zum Staatssekretär im Ministerium aufzubauen.

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