OlympiasiegerTod von Steiners Ehefrau mysteriös

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Gewichtheber Matthias Steiner im Gerichtssaal. (Bild: ddp)

Gewichtheber Matthias Steiner im Gerichtssaal. (Bild: ddp)

Heidelberg – Das Ende kennt Matthias Steiner. Es hat sein Leben verändert. Er saß bei seiner Ehefrau Susann, als die 22-Jährige in der Nacht zum 17. Juli 2007 um 1.58 Uhr an den Folgen eines Verkehrsunfalls starb. Seither ist für Steiner nichts mehr, wie es mal war. Er liegt nachts allein im Bett. Er sitzt morgens allein am Frühstückstisch. Wenn er nach einem langen Trainingstag nach Hause kommt, ist niemand da. Steiner musste ohne die Liebe seines Lebens nach Peking reisen. Er musste ohne ihre Unterstützung den gemeinsamen Traum vom Olympiasieg im Zweikampf der Gewichtheber wahr machen. Er rührte Millionen Menschen, als er das Bild seiner Frau bei der Siegerehrung in die Kamera hielt.

Das hat er geschafft. Jetzt will er wissen, warum. Warum musste sie sterben? Er will die ganze Tragödie kennen, nicht nur das Ende. Deshalb tritt der gebürtige Österreicher, der Anfang des Jahres die deutsche Staatsbürgerschaft bekam, am Mittwoch als Nebenkläger auf, als am Amtsgericht Heidelberg das Verfahren gegen Franz G. eröffnet wird. Seine Schwiegermutter Bärbel Zinker sitzt im Publikum. Beide hoffen sehnsüchtig auf eine Aussage des wegen fahrlässiger Tötung angeklagten Unfallverursachers. Warum war er am 16. Juli 2007 um etwa 18.25 Uhr auf der B 3 bei Heidelberg mit seinem Jeep Cherokee auf die Gegenfahrbahn geraten und hatte den Nissan Micra von Susann Steiner gerammt?

Franz G. sitzt mit gepflegtem grauen Bart und ordentlich gestutztem grauen Haar aufrecht im Gerichtssaal, mit ängstlichem Blick, die Hände im Schoß, das Gesicht leicht gerötet - und schweigt. Er habe ihm dazu geraten, sagt sein Anwalt. „Es ist schwer, etwas zu erklären, wenn man sich nicht erinnert.“ Franz G. weiß nicht mehr, wie es zu der Kollision kam. Ob das die Wahrheit ist oder eine Verteidigungsstrategie, kann wohl nur er selbst sagen

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Hinweise auf eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die bei ihm eine kurzzeitige Bewusstseinsstörung hervorgerufen haben könnte, fanden die Gutachter nicht. Das Urteil wird am 3. Dezember verkündet. Staatsanwalt Joachim Steinbacher fordert eine Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung und den Entzug des Führerscheins für weitere sechs Monate. „Wer im Straßenverkehr so unkonzentriert agiert, ist eine tickende Zeitbombe.“

In einer Verhandlungspause tritt die Mutter von Susann Steiner dem Angeklagten gegenüber und redet auf ihn ein. „Ich habe an seine Ehrlichkeit appelliert“, sagt sie und weint. In Jeans, schwarzem Hemd und schwarzem Sakko verfolgt 145-Kilo-Mann Matthias Steiner aufmerksam die Aussagen der Sachverständigen. Susann, die ihn bei der Gewichtheber-EM 2004 im Fernsehen sah, die ihn per E-Mail kontaktierte und die sich als seine Traumfrau erwies, habe keine Chance gehabt, dem Jeep auszuweichen, erklärt der technische Gutachter Andreas Peuser.

Sie war angeschnallt, im dichten Feierabendverkehr fuhr sie etwa 50 Kilometer pro Stunde. Franz G. war nicht angeschnallt, und er fuhr mindestens 85 - 70 Kilometer pro Stunde waren erlaubt. In seinem großen Auto überlebte er den schweren Zusammenstoß.

Bei Susann Steiners Nissan wurde das Dach abgetrennt, damit sie herausgeholt und mit dem Hubschrauber in die Uniklinik Heidelberg gebracht werden konnte. Sie hatte eine beidseitige Lungenquetschung, mehrere Rippen waren gebrochen, Milz und Leber gerissen. An der Summe dieser Verletzungen starb sie. Hätte sich Franz G. an die Geschwindigkeitsbegrenzung gehalten, wären ihre Chancen, den Unfall zu überleben, deutlich größer gewesen. Auch das will Matthias Steiner nicht wissen. Für seinen inneren Frieden will er das Warum klären. Nicht die Strafe interessiert ihn und nicht das Was-Wäre-Wenn. „Er wollte einfach wissen, was passiert ist“, sagt sein Anwalt.

Matthias Steiner selbst ist zu keinem Kommentar bereit. Heute nicht. Heute will er Antworten. Er wird enttäuscht. Immerhin nutzt Franz G. am Ende der Verhandlung seine Chance, doch noch das Wort zu ergreifen. Er sagt: „Das Geschehene tut mir unendlich leid. Wenn ich könnte, würde ich es gern rückgängig machen, auch wenn man mir das nicht glauben mag.“

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