Bundesgartenschau 2029Der Run auf die Buga-Millionen hat begonnen

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Die Marksburg bei Braubach über dem Mittelrhein: Zur Bundesgartenschau werden die Terrassen als Gartenanlagen gestaltet.  

Der Stadt Bingen kehrt man seit je her den Rücken, denn am Schönsten ist der Blick auf die andere Seite: auf den breiten Fluss hin zum Mäuseturm, auf die Weinberge und die Burg Ehrenfels, auf das Niederwalddenkmal hoch über der Rüdesheimer Drosselgasse – das südliche Tor zum UNESCO-Welterbe Oberes Mittelrheintal.

Inzwischen geht der Blick aber nicht mehr nur hinüber. Das Binger Kulturufer lädt auf eine drei Kilometer lange Flaniermeile mit Parks und Gärten, Sport- und Spielflächen, Romantikmuseum und Gastronomie. „Bis 2008 war hier eine trostlose Bahn- und Hafenbrache“, erzählt Gästeführer Karl-Josef Jungerts. „Die Landesgartenschau war für Bingen der Sechser im Lotto.“

In Koblenz brachte die Bundesgartenschau 2011 den Ruck. Seitdem lockt die Seilbahn über den Rhein auf die Feste Ehrenbreitstein. Die Gäste- und Übernachtungszahlen stiegen nachhaltig, das Koblenzer Angebot machte einen Niveausprung. Diesen Innovationsschub soll nun die Buga 2029 ins gesamte Mittelrheintal tragen. Auf 67 Rheinkilometern sollen Parks, Burgen, Stadtmauern, Uferanlagen neu gestaltet werden. Gastronomie und Hotellerie sollen sich neu und zeitgemäß aufstellen. Die Suche nach Ideen und der Run auf die 108 Millionen Euro Buga-Budget haben begonnen.

Die Städte näher ans Wasser bringen

„Uns geht es darum, die Städte und Gemeinden wieder näher ans Wasser zu bringen“, erklärt Sven Stimac, Geschäftsführer der Buga 2029. So sollen etwa in Bacharach und Oberwesel die Rheinanlagen neu gestaltet, in Lahnstein der Rheinradwanderweg durch eine Lahnbrücke geschlossen, der alte Industriehafen zum Ausflugsziel umgebaut, so wie in Bingen ein ufernaher Wohnpark entstehen.

Stimac wünscht sich einen neuen Spirit im Tal. Das Gastgewerbe müsse aus dem Mittelmaß heraus. Doch nicht alle Stadtoberen am Rhein sehen das so. „Unser alter Bürgermeister meinte, für die Buga reiche es, einen Weinausschank in die Fußgängerzone zu stellen“, sagt der Bopparder Winzer Toni Lorenz. Gemeinsam mit der Winzerinitiative Riesling Charta wünscht er sich, dass auf den vielen Rheinkreuzfahrtschiffen auch die Weine der Region ausgeschenkt werden. So könne ein internationales Publikum auch das kleine Weinanbaugebiet am Rhein kennenlernen.

Rückständige Schnitzel-Gastronomie

„Manches ist hier ein wenig aus der Zeit gefallen“, sagt Ulrike Dallmann, neue Geschäftsführerin der Loreley-Touristik. „Wer in 20 Jahren neue Gäste haben will, muss heute dafür sorgen“, mahnt sie und meint damit eine rückständige Schnitzel-Gastronomie. „All die Jahre kamen die Leute an den Rhein, obwohl Gastronomie und Hotellerie oft nicht mehr up to date waren“, bestätigt Carolin König-Kunz vom Landhotel Zum Weißen Schwanen in Braubach. „Die hatten es eben schlicht nicht nötig zu investieren“.

Als ihr Vater, der Maler und Restaurator Erich Kunz, vor rund 50 Jahren ein marodes Fachwerkensemble kaufte und sanierte, nannten ihn die Braubacher „Doll-Dachs.“ Heute ist seine alte Mühle ein Schmuckstück und ein empfohlener „Welterbe Gastgeber“ mit anspruchsvoller Küche und Weinkarte.

Hier genießen auch Tatort-Kommissare das Angebot von Kunst und Kulinarik. „Da schlagen zwei Herzen in meiner Brust“, so König-Kunz. Auf der einen Seite könne das Tal moderne Hotels gebrauchen. Auf der anderen Seite gebe es so viele schöne alte Hotels, wo es sich lohnen würde, sie herzurichten. „Da würde ich mir Investoren und junge Gastronomen wünschen, die die Buga-Chance erkennen.“

Zwischen Burgen und Beach

Eine Buga ist mehr als eine Blumenschau. Sie soll Infrastrukturen modernisieren. Das Fachwerkstädtchen Braubach unterhalb der Marksburg könnte mit Buga-Förderung und den absehbaren Einnahmen durch Buga-Besucher die in die Jahre gekommene Bausubstanz sanieren, sagt Carolin König-Kunz. Aber das Rathaus habe noch kein Konzept, auch müssten die Bürger zu Vorschlägen ermutigt werden. „Da braucht es einen Ruck“. Junge Leute wünschten sich einen Beach. Aber weite Teile des Ufers gehörten gar nicht der Gemeinde, sondern dem Bund.

Oben auf der Marksburg klagt Stefan Hirtz, Geschäftsführer der Deutschen Burgenvereinigung, darüber, dass ihn die Buga nicht mit einbeziehe. Dabei seien die 39 Mittelrhein-Burgen für die Buga wichtig. „Als Burgenverein würden wir uns mehr Ansprache wünschen“, sagt Hirtz. Gleichwohl werde die Burg ihre bislang für die Öffentlichkeit gesperrten Burgterrassen als Gärten gestalten, aus eigenen Einnahmen.

700 Betten-Hotel auf der Loreley

Auf der Loreley will die Verbandsgemeinde das Plateau „touristisch in Wert setzen“. Teile der Wiesenlandschaft wurden an einen Investor verkauft, der Pläne für ein 700 Betten-Hotel vorlegte. Der alte Landschaftspark wurde mit einem „Mythenpark“ überbaut. Eine breite Betonschneise führt nun zu „vier mythischen Orten“ mit 13 Hörfelsen, die in sechs Sprachen die Mythenvermittlung übernehmen. Es gibt auch eine Mythoshalle, ein bunkerartiger Raum, überbaut von einem nachts hellleuchtenden Glasdach. Denkmal- und Landschaftsschützern stehen die Haare zu Berge.

Der Rheinische Verein für Denkmalpflege verlangt eine Reduzierung des Hotelbauvolumens und den Verzicht auf einen Großparkplatz. Für Otto Schamari von den örtlichen Grünen ist „der so genannte Mythenpark eine krude Mischung aus Kitsch, Betonbolzerei und Disney World.“ Zusammen mit der Open Air Bühne, der Sommerrodelbahn, dem geplanten Hotel, Ausflugslokal und den neuen Andenkenläden befürchtet er eine Art Luna Park zur Buga, „aber keine ökologisch sinnvolle Gestaltung."

Die Schau als Feigenblatt für Landschaftszerstörung?

Die Buga sieht sich als „Wegbereiter für nachhaltige ökologische Entwicklungen“. Sollte das Hotel gebaut werden, warnt Schamari, leide der Ruf der Buga. „Dann ist sie ein grünes Feigenblatt für die Landschaftszerstörung.“ Buga-Chef Stimac winkt ab. Die Entscheidungshoheit liege nicht bei ihm, sondern bei der Politik.

Die rheinland-pfälzische Landesregierung, maßgeblich SPD-Innenminister Roger Lewentz aus Kamp-Bornhofen, puscht die Buga und wünscht sich dafür auch die seit einem halben Jahrhundert diskutierte Mittelrheinbrücke. Auf den 80 Kilometern zwischen Mainz und Koblenz queren sechs Fähren den Fluss, aber keine Brücke. Deshalb soll bei St. Goar eine Welterbe-verträgliche Querung gebaut werden. Der raumordnerische Bescheid wird noch für dieses Jahr erwartet.

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Doch Planfeststellungsverfahren dauern Jahre. Klagen von Landschafts- und Naturschützern sind wahrscheinlich. Die privaten Färbetreiber verweisen darauf, dass sie den Fährbetrieb über 20 Uhr hinaus verlängern könnten, falls sie von Land und Bund unterstützt werden. Brückenkritiker warnen: Die Brücke ziehe erst den Verkehr an, den sie zu ihrer Rechtfertigung brauche.

Buga-Chef Stimac liegt auf Linie der Landespolitik. Das sei ja der Grund dafür, eine Buga durchzuführen, so Stimac: „um Kräfte zu bündeln, durch die Projekte möglich werden, deren Umsetzung sonst viel länger dauern würde“. Sollte die Brücke nun einige Jahre früher kommen, wäre damit ein Teil der Buga-Zielsetzung erfüllt, nämlich die Menschen zusammenzubringen. „Ich wäre glücklich, dazu beitragen zu können.“

„Wir trinken hier Zug um Zug“

Die Buga wird den Mittelrhein nicht zur Erholungslandschaft machen. An der meistbefahrenen Güterzugstrecke Europas leiden viele Anwohner unter Schlafstörungen, Kopfschmerzen und hohem Blutdruck. In Kaub sagen die Anwohner: „Wir trinken hier Zug um Zug“. Entlastung brächte ein gut 100 Kilometer langes Tunnelsystem für Güterzüge – die neueste Kostenberechnung veranschlagt dafür 6,8 Milliarden Euro. Bahn und Straße trennen die Städte vom Ufer. Das Binger Kulturufer brachte der Innenstadt keinen Schub. Der Blick aufs andere Ufer ist allemal schöner.

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