„Alabama hat etwas Historisches erreicht“Erste Stickstoff-Hinrichtung in den USA – Justizminister verteidigt umstrittene Methode

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Kenneth Eugene Smith wurde als erster Mensch durch die Anwendung einer Stickstoffhypoxie hingerichtet.

Kenneth Eugene Smith wurde als erster Mensch durch die Anwendung einer Stickstoffhypoxie hingerichtet.

Experten warnten vor einem grausamen Tod für Kenneth Eugene Smith. Seine Anwälte zogen bis vor den Supreme Court. Erfolglos.

In den USA ist erstmals ein zum Tode verurteilter Mensch mittels einer neuen Stickstoff-Methode hingerichtet worden. Der 58 Jahre alte Kenneth Eugene Smith, der 1996 wegen Mordes verurteilt worden war, starb am Donnerstagabend in einem Gefängnis im US-Bundesstaat Alabama unter Anwendung sogenannter Stickstoffhypoxie, wie Alabamas Justizminister Steve Marshall mitteilte.

Marshall sagte, die neue Methode habe sich als „effektive und humane Hinrichtung“ erwiesen. „Der Gerechtigkeit wurde Genüge getan“, fügte er hinzu. Damit habe „Alabama etwas Historisches erreicht“. John Hamm, Leiter der Justizvollzugsanstalt von Alabama, hingegen stellte fest, dass Smith auf der Trage unfreiwillig gezittert habe.

Todesstrafe in Alabama: Erstmals Stickstoff für Hinrichtung benutzt

Die Gouverneurin von Alabama, Kay Ivey, die auf eine Anfrage, der Hinrichtung beizuwohnen, nicht reagierte, bestätigte Smiths Tod in einer Erklärung. „Nach mehr als 30 Jahren und einem Versuch nach dem anderen, das System auszutricksen, hat Herr Smith für seine schrecklichen Verbrechen gebüßt“, sagte sie.

Bei der Prozedur bekommt der Betroffene über eine Gesichtsmaske Stickstoff zugeführt - die Folge ist der Tod durch Sauerstoffmangel. Menschenrechtsexperten hatten vorab beklagt, die Methode sei ungetestet und Smith könnte einen grausamen Tod sterben, der womöglich Folter gleichkomme. Alle Versuche seiner Anwälte, die Exekution aufzuhalten, waren jedoch erfolglos.

Tod durch Stickstoff: Neue Hinrichtungsmethode umstritten

Hingerichtet wurde Smith in einem Gefängnis in der kleinen Stadt Atmore in dem Bundesstaat im Süden der USA. Nach Angaben von Marshall dauerte die Prozedur weniger als 30 Minuten. Bei der Exekution waren nur wenige Medienvertreter als Beobachter zugelassen, darunter eine Reporterin des regionalen Fernsehsenders WHNT.

Ihr zufolge sagte Smith kurz vor seinem Tod: „Heute Abend hat Alabama die Menschheit dazu gebracht, einen Schritt zurück zu machen.“ Und weiter: „Ich gehe mit Liebe, Frieden und Licht.“ Die Reporterin berichtete weiter, mit dem Start der Stickstoffzufuhr habe Smith begonnen, sich zu winden und zu zittern. Mehrere Minuten lang habe er schwer geatmet, bevor schließlich keine Atemzüge mehr zu beobachten gewesen seien.

Ein Vertreter der zuständigen Strafvollzugsbehörde sagte, Smith habe zum Teil gezuckt und abnormal geatmet. Aber das sei erwartet worden und entspreche dem Forschungsstand zu Stickstoffhypoxie.

Kenneth Eugene Smiths Anwälte versuchten, die Hinrichtung zu stoppen

Dass die Inhalation von reinem Stickstoff keine schwerwiegenden Leiden verursacht, halten Experten der Vereinten Nationen für nicht wissenschaftlich bewiesen. Smiths Anwälte hatten bis zuletzt versucht, die Hinrichtung zu stoppen. Doch weder die zuständigen Gerichte in Alabama noch der Oberste US-Gerichtshof waren ihren Gesuchen gefolgt. Demonstranten hatten in den vergangenen Tagen auch die Gouverneurin von Alabama, aufgefordert, zu intervenieren. Doch auch dazu kam es nicht.

Smith war 1996 zum Tode verurteilt worden – wegen der Beteiligung an einem Auftragsmord acht Jahre zuvor. Bereits 2022 sollte Smith eigentlich mit der Giftspritze hingerichtet werden. Dem Gefängnispersonal gelang es damals aber nicht, die dafür nötige Kanüle in seinen Arm zu legen: Nach mehreren Stunden, in denen er angeschnallt auf dem Exekutionstisch lag, wurde er wieder in seine Zelle gebracht.

2022 sollte Kenneth Smith hingerichtet werden – Versuch scheiterte

Weder den gescheiterten Versuch von 2022 noch die Bedenken mit Blick auf die neue Methode werteten Gerichte jedoch als ausreichend, um nun die Stickstoff-Hinrichtung zu stoppen. Alabama und zwei weitere US-Bundesstaaten hatten die Verwendung von Stickstoffhypoxie als alternativer Hinrichtungsmethode genehmigt, da die für die tödliche Injektion verwendeten Medikamente immer schwieriger zu beschaffen seien. Wegen dieses Umstandes sind amerikanischen Medien zufolge landesweit die Durchführungen von Todesstrafen zurückgegangen.

Mike Sennett, Sohn von Elizabeth Sennett, und andere Familienmitglieder sprechen nach der Hinrichtung von Kenneth Eugene Smith in Atmore

Mike Sennett, Sohn von Elizabeth Sennett, und andere Familienmitglieder sprechen nach der Hinrichtung von Kenneth Eugene Smith in Atmore.

Smiths Anwälte hatten argumentiert, dass er zu einer Art Testkandidat würde und noch viel zu viele Fragen offen seien. In ihrem Gesuch bemängelten sie unter anderem, dass an dem Protokoll für den Ablauf der Hinrichtung noch wenige Tage vor dem Termin Änderungen vorgenommen worden seien. Die Anwälte werteten dies als weiteren Beweis für die vielen Unklarheiten bei einer Hinrichtung mit Stickstoff.

Todesstrafe wird durch Stickstoffhypoxie vollzogen – Eilantrag bleibt erfolglos

Das Berufungsgericht in Alabama wies die Vorbehalte am Mittwoch jedoch zurück. Smith könne nicht belegen, dass die Hinrichtung eine „grausame und ungewöhnliche“ Bestrafung darstelle, hieß es in der Entscheidung. Auch der Supreme Court lehnte einen ähnlichen Antrag ab, nannte allerdings keine Begründung dafür. Erfolglos blieb auch ein weiterer letzter Eilantrag vor dem Obersten Gerichtshof, über den erst am Donnerstagabend unmittelbar vor der Exekution entschieden wurde.

Bei seiner Verurteilung 1996 hatten die Geschworenen eigentlich eine lebenslange Haftstrafe für Smith vorgesehen. Der zuständige Richter setzte sich damals aber über diese Empfehlung hinweg und verfügte die Todesstrafe. Das Gesetz, das dies ermöglichte, schaffte Alabama als letzter US-Bundesstaat 2017 ab.

Smiths Hinrichtung ist in den USA die erste überhaupt in diesem Jahr. 2023 waren landesweit 24 Todesurteile vollstreckt worden. 2330 zum Tode verurteilte Menschen sitzen derzeit im Todestrakt, teils schon seit Jahrzehnten wie im Fall von Smith. (pst mit dpa)

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