Folgen von Hitze und DürreWie der Klimawandel das Waldbild in Deutschland verändert

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Wald_Schaeden_durch_Stuerme_Symbolfoto

Stürme und andere extreme Wetterlagen haben in den letzten Jahren größere Schäden in den deutschen Wäldern hinterlassen als bislang angenommen. 

  • Heiße und trockene Perioden haben in den vergangenen Jahren schwere Schäden in Deutschlands Wäldern ausgelöst.
  • Der Waldzustandsbericht gibt Aufschluss darüber, welche Baumarten besonders betroffen sind.
  • Ein Experte glaubt: „Der Wald wird nicht sterben. Er wird sich aber stark verändern. In 30 bis 40 Jahren werden aber andere Baumarten das Waldbild bestimmen.“

Köln – Tiefgreifende Veränderungen beginnen mitunter schleichend: „Im Gegensatz zu den meisten Naturkatastrophen beginnt eine Dürre, bevor sich Symptome zeigen“, schreibt Toby Ault. In einem Übersichtsartikel beschreibt der Klimaforscher der Cornell University in Ithaca (US-Staat New York) im Magazin „Science“, wie ausgedehnte Dürreperioden in den vergangenen Jahrhunderten Imperien wie etwa die Maya-Reiche zum Kollaps brachten.

„Künftige Dürren können jene der vergangenen Jahrhunderte bezüglich Dauer, Ausprägung und Frequenz in den Schatten stellen“, mahnt Ault in einer „Science“-Schwerpunktausgabe zu den Folgen von Trockenheit.

Bäume müssen sich mit Anpassungsmechanismen behelfen

Wie sich der Wassermangel speziell auf Bäume auswirkt, beschreibt in dem Magazin ein internationales Team um Timothy Brodribb von der University of Tasmania in Hobart. Demnach gefährdet der rapide fortschreitende Klimawandel gerade solche eher langsam wachsende Pflanzen besonders. „Baumsterben wird meist beobachtet, wenn Trockenheit und hohe Temperaturen zusammenfallen“, schreibt das Team. Zudem mache diese Kombination Bäume anfälliger für Schädlingsbefall.

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Nur wenige Baumarten könnten ihren Lebensraum schnell genug wechseln, um mit den gegenwärtigen Veränderungen Schritt zu halten. Ansonsten müssten Bäume sich mit Anpassungsmechanismen behelfen. „So erlaubt das Abwerfen von Blättern, die zur Transpiration vorhandene Blattoberfläche schnell zu verringern und bei Trockenheit den Wasserverlust zu begrenzen.“ Diese Kronenverlichtung beschränke aber Produktivität und Wachstumsrate und im Wettbewerb mit anderen Arten möglicherweise das Überleben.

„Klimawandel endgültig im deutschen Wald angekommen“

Der Übersichtsartikel deckt sich mit Resultaten der hiesigen, gerade vorgelegten Waldzustandserhebung 2019. „Die letzten beiden Jahre 2018 und 2019 haben gezeigt, dass der Klimawandel endgültig und für alle sichtbar im deutschen Wald angekommen ist“, schreibt das Thünen-Institut für Waldökosysteme in Eberswalde, das den Bericht erstellt hat. „Die anhaltende Dürre in den Vegetationszeiten hat verbreitet zum vorzeitigen Abfallen der Blätter geführt.“

Bei den vier häufigsten Baumarten habe sich der Kronenzustand weiter verschlechtert. Noch nie seit Beginn der Erhebungen im Jahr 1984 war der Anteil der Bäume ohne Kronenverlichtung demnach so gering. 2019 war nur jede fünfte Baumkrone (22 Prozent) intakt – nach 28 Prozent im Jahr zuvor. Und etwa jeder dritte Baum (36 Prozent) wies eine deutliche Kronenverlichtung auf. Im Jahr davor waren es mit 29 Prozent noch merklich weniger gewesen.

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„Die Perioden mit Trockenstress haben in den letzten Jahren deutlich zugenommen“, sagt Koordinatorin Nicole Wellbrock vom Thünen-Institut. Für den jährlichen Bericht begutachten Experten jedes Jahr im Hochsommer rund 10 000 Bäume in einem Stichprobennetz, das insgesamt etwa 16 mal 16 Kilometer misst und als repräsentativ für das Bundesgebiet gilt.

Die häufigsten Arten im Einzelnen

Bei der Fichte (Picea abies) – der in hiesigen Wäldern häufigsten Baumart – stieg der Anteil der deutlichen Kronenverlichtungen von 30 Prozent im Jahr 2018 auf 36 Prozent. Ohne Verlichtung waren noch 28 Prozent, nach 30 Prozent im Vorjahr.

Bei der Kiefer (Pinus sylvestris) nahm der Anteil der deutlichen Kronenverlichtungen von 15 auf 26 Prozent zu. Der Anteil der Bäume ohne Kronenverlichtung sank von 31 Prozent im Jahr 2018 auf 18 Prozent.

Selbst bei der eher als robust geltenden Buche (Fagus sylvatica) stieg der Anteil der deutlichen Kronenverlichtungen ebenfalls stark - von 39 auf 47 Prozent. Der Anteil ohne Verlichtung sank von 19 auf 16 Prozent.

Bei Trauben- und Stieleiche (Quercus petraea und Q. robur) hatte jeder zweite Baum (50 Prozent) eine deutliche Kronenverlichtung, 2018 waren es 42 Prozent gewesen. Der Anteil ohne Verlichtung sank von 20 auf 17 Prozent.

Fichtenbestände flächenhaft abgestorben

Damit nicht genug: Dem Bericht zufolge sind bislang bereits 180 000 Hektar Wald (1800 Quadratkilometer) abgestorben – das entspricht gut zwei Dritteln der Fläche des Saarlands (2570 Quadratkilometer). Und Wellbrock zufolge starben 2019 zum ersten Mal seit dem Waldsterben in den 1980er Jahren Fichtenbestände flächenhaft ab.

Zudem wurden vorgeschädigte Bestände besonders stark vom Borkenkäfer befallen. Die Baumgerippe sorgten vorigen Sommer bei Wanderern etwa im Harz oder in der Sächsischen Schweiz für Entsetzen. Wellbrock betrachtet diese Entwicklung als das Ende der Fichtenkultur in tiefen Lagen: „Die Forstwirtschaft wird dazu übergehen, andere Baumarten anzupflanzen.“

„Wir werden großflächig Schäden sehen“

Für das laufende Jahr befürchtet sie eine weitere Verschärfung der Lage: „Schädigungen offenbaren sich meist erst mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung.“ Die Schäden des heißen Sommers 2019 würden sich in den kommenden Monaten zeigen. Zudem drohe nach dem milden Winter erneut verstärkter Insektenbefall – und auch der bislang sehr trockene April verheiße nichts Gutes. „Wir gehen davon aus, dass der Trend anhält. Wir werden großflächige Schäden sehen.“

Wie stark etwa Buchen unter der Trockenheit leiden, beschreibt Christian Ammer von der Universität Göttingen am Beispiel des Nationalparks Hainich in Thüringen. In dem Waldgebiet, das aufgrund seines einzigartigen Buchenwald-Bestands Unesco-Weltnaturerbe ist, sterben Buchen an flachgründigen Südhängen flächig ab. Ausgerechnet der Buche, seit Jahrtausenden die dominierende Baumart Mitteleuropas, könnten die klimatischen Veränderungen große Probleme bereiten, befürchtet Ammer.

„Die Buche leidet extrem“

„Buchen schränken ihren Wasserverbrauch bei Trockenheit erst dann ein, wenn kein Wasser mehr da ist. Erst dann schließen sie ihre Spaltöffnungen. Man kann nur hoffen, dass sie mit dieser Strategie auch mehrere trockene Sommer hintereinander in großer Zahl überleben werden.“ In Südeuropa wachsende Buchen-Varianten, die heißtrockenes Klima besser vertragen, könnten nicht schnell genug nach Norden vordringen. „Niemand weiß, wie schnell sich so eine Baumart, die frühestens im Alter von 30 Jahren fruktifiziert und sich nur alle fünf Jahre reproduziert, an die wechselnden Bedingungen anpassen kann“, sagt Ammer.

Wie empfindlich sogar Bäume im südlichen Ostseeraum trotz der dort relativ hohen Luftfeuchtigkeit reagieren, berichtet ein Team um Martin Wilmking von der Universität Greifswald im Fachblatt „Environmental Research Letters“. Dort können zwar reichlich Winter-Niederschläge Bäumen über einen trockenen Sommer hinweghelfen, aber gerade das Jahr 2019 habe „voll durchgeschlagen“, sagt Wilmking. „Die Buche leidet extrem.“ Das zeige neben lichten Kronen auch der extrem dünne Baumring im Trockenjahr 2019.

„Andere Baumarten werden das Waldbild bestimmen“

Eichen und Kiefern, die als trockenheitstolerant gelten, setzen bei der Kombination von Trockenheit, Wärme und milden Wintern vor allem Schädlinge zu: Regional machen Eichen laut Ammer Fraßgemeinschaften aus Frostspannern, Eichenwicklern, Eichenprozessionsspinnern und Schwammspinnern zu schaffen, Kiefern leiden aufgrund der trockenen Sommer verstärkt am sogenannten Diplodia-Triebsterben, verursacht vom Pilz Sphaeropsis sapinea.

„Trockene und warme Bedingungen werden im Sommer eher die Norm sein in den nächsten Jahrzehnten“, sagt der Greifswalder Experte Wilmking. Das werde Struktur und Zusammensetzung der Wälder verändern. „Wald wird es immer geben“, sagt der Göttinger Forscher Ammer, „aber wenn die Entwicklung so weitergeht, wird er anders aussehen.“ „Der Wald wird nicht sterben“, sagt Wellbrock. „Er wird sich aber stark verändern. In 30 bis 40 Jahren werden andere Baumarten das Waldbild bestimmen.“

Wie der Wald der Zukunft aussieht, dazu gibt es nur Spekulationen. Diskutiert wird, vermehrt Arten aus anderen Erdregionen anzupflanzen, die mit dem künftigen Klima möglicherweise besser zurechtkommen. „Es gibt keine nicht-heimische Art, die man vorbehaltlos empfehlen könnte“, schränkt Ammer jedoch ein. (dpa)

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