ProzessbeginnHat der Aachener Weihbischof eine demente Frau um ihr Geld gebracht?

Lesezeit 6 Minuten
Bündgens2

Johannes Bündgens muss vor Gericht

Aachen – Gemessen an dem Finanzskandal um Geldwäsche, Amtsmissbrauch Urkundenfälschung und anderer  Verfehlungen hoher Geistlicher, der zurzeit den Vatikan erschüttert, geht es am kommenden Dienstag vor dem Amtsgericht Kerpen um Peanuts. Auch was die in Rede stehenden Geldsummen angeht. Gleichwohl hat der „Fall Bündgens“, seit er im Dezember 2019 publik wurde, im Bistum Aachen einen Schock ausgelöst und hohe Wellen geschlagen - und zu einem weiteren Glaubwürdigkeitsverlust der Kirche geführt. Es kommt schließlich nicht alle Tage vor, dass sich ein hoher katholischer Würdenträger als Angeklagter vor einem weltlichen Gericht verantworten muss. 

Weihbischof Johannes Bündgens (65) wird von der Staatsanwaltschaft Köln beschuldigt, die Vollmacht und das Vertrauen einer möglicherweise bereits dementen Seniorin missbraucht  und insgesamt 143.000 Euro auf sein Privatkonto überwiesen zu haben. Angeklagt ist Bündgens wegen Untreue. Sollte er schuldig gesprochen werden, erwartet ihn eine Geldstrafe. Theoretisch reicht der Strafrahmen bis zu fünf Jahren Haft.

Das könnte Sie auch interessieren:

Das Geld der frommen und vermögenden Witwe Marga K.,  teilte der damalige Kerpener Amtsgerichtsdirektor Joachim Rau mit, soll Bündgens sich zwischen Dezember 2017 und Januar 2018 in mehreren „Tranchen“ überwiesen haben. Offenbar setzte er es zum Kauf eines Mehrfamilienhauses im noblen Aachener Süden ein. Im Gegenzug habe er Frau K. ein lebenslanges Wohnrecht in dem Haus eingeräumt, ließ der Weihbischof, der seit gut anderthalb Jahre sämtliche Ämter, darunter auch seinen Vorsitz beim Diözesan-Caritasverband, ruhen lässt, über seine Anwälte wissen. Doch ein normalerweise in solchen Fällen üblicher Eintrag im Grundbuch fehlt.  

Merkwürdige Transaktionen

Den „zinslosen Kredit“, wie Kritiker spotten, hat Bündgens mittlerweile komplett zurückgezahlt. Er und seine juristischen Berater hatten offenbar darauf gesetzt, die peinliche Causa still und heimlich ohne öffentliches Aufsehen aus der Welt schaffen zu können. Aufgeflogen waren die merkwürdigen Transaktionen, als einem vom Gericht wegen fortschreitender Demenz der Witwe eingesetzter Betreuer die Kontobewegungen der wohl schon nicht mehr geschäftsfähigen Frau aufgefallen waren und er Anzeige erstattete.

Schon zweimal ist der Prozessbeginn verschoben worden, wegen ärztlich attestierter Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten. Ob Bündgens am Dienstag persönlich erscheinen wird, ist ungewiss. Falls nicht, könnte der Richter  einen medizinischen Sachverständigen beauftragen.  Denkbar wäre auch, das Verfahren auf dem Weg eines Strafbefehls ohne Hauptverhandlung abzukürzen.

Weihbischof ist verschollen

Nach Bekanntwerden der gegen ihn erhobenen Vorwürfe ist der seit 2006 amtierende Weihbischof „wie vom Erdboden verschluckt“,  sagt eine Bistumsangestellte. Es gibt die Vermutung, dass er sich in Köln aufhält, möglicherweise bei seinem jüngeren Bruder Markus. Der ist Anwalt in einer bundesweit renommierten Kanzlei, der auch Christof Püschel  angehört, einer der beiden Verteidiger des Bischofs.

In seinem Sprengel  hat Bündgens nach wie vor viele Sympathisanten. Sie beschreiben ihn als zurückhaltend, zugewandt, empathisch und „eigentlich bescheiden“. Er sei „da in eine dumme Sache reingestolpert“. Naiv und unverzeihlich sei das, auch ohne Prozess  sei er durch die öffentliche Aufmerksamkeit für seinen Fall  gestraft genug. Sollte er verurteilt werden, käme auch ein kirchenrechtliches Verfahren auf ihn zu. Rom müsste dann entscheiden, wie es für ihn weiterginge - wohl kaum in seinen bisherigen Funktionen.

Johannes Bündgens

„Der Bischof handelte stets in ihrem Interesse und mit ihrer Zustimmung“, sagt Bündgens Strafverteidiger über dessen Verhältnis zu der 78-Jährigen. (Archivbild)

Kirchliche Mitarbeiter und Gläubige, die dem Weihbischof wohlgesinnt  sind, loben das Engagement, mit dem  er Partnerschaftsprojekte in Kolumbien und Tansania fördert und begleitet.  Bei Besuchen in Gemeinden wirkt er liebenswürdig und tritt ohne klerikalen Dünkel auf. Johannes Bündgens ist ein ausgesprochen sportlicher  Kirchenmann: Tennis bei Rot-Weiß Düren, Basketball, Laufen, Radfahren. Von manchen wird er als „Filou“ beschrieben. Sein langjähriger Fahrer Karl Haupts gab 2016 in der Aachener Bistumszeitung zum Besten, sein Chef  habe es „faustdick hinter den Ohren“. So eine Äußerung liest sich heute freilich in einem ganz anderen Licht.

Marga K. soll „Priester-Anbeterin“ gewesen sein

Und auch das Motto, das sich Aachener Kirchenobere lange vor Bekanntwerden des umstrittenen privaten Immobilienkaufs für eine Aktion  zu  mehr Beteiligung der Gläubigen ausgedacht haben („Heute bei dir“) wirkt unfreiwillig komisch. Seine Gegner münzen den Slogan auf das seltsame Verhältnis zu Marga K.. Sie kann sich zu dem Fall nicht mehr äußern. Frau K. starb im März 2020 mit 79 Jahren. Gut möglich, dass die Fernanalyse eines Geistlichen aus dem Aachener Umland zutrifft, wonach die Frau den gar nicht so seltenen Typus der „Priester-Anbeterin“ verkörpert habe und Bündgens ihrer Bewunderung für ihn als Seelsorger  zumindest zeitweise erlegen sei.

Ortstermin Sievernich, Gemeinde Vettweiß im Kreis Düren. Eine kleine Beterschar versammelt sich am vergangen Montagabend mit Klappstühlen um einen Brunnen, dessen Quelle heiltätige Wirkung nachgesagt wird. Vor mehr als 20 Jahren begann der Rummel um die „Seherin“ Manuela Strack. Sie behauptet, mehrfach sei ihr die Muttergottes, „Maria die Makellose“, erschienen und habe ihr aufgetragen, in dem 450-Seelen-Örtchen ein „spirituelles Zentrum“ zu errichten. Gerade erst wieder habe ihr „das Jesuskind persönlich“ diesen Auftrag bestätigt, verkündet die Anwaltsgehilfin so selbstverständlich, als gehe es um die neue Umleitungsstrecke nach Vettweiß.

Kerpenerin unterstützte „Blaue Oase“

Von diesem seltsamen Kreis, der sich „Blaue Oase“  nennt und dessen Wirken von der Amtskirche äußerst skeptisch registriert wird, fühlte sich jahrelang die Kerpenerin Marga K. angezogen. Mit großem Eifer und wohl auch mit großen Summen unterstützte sie den „Förderverein Gebets- und Begegnungsstätte Sievernich“.

Regelmäßige Besucherinnen wie Annegret B. aus Euskirchen erinnern sich gut an die „lustige Witwe“  – und an Johannes Bündgens „in ihrem Schlepptau“. Er war seinerzeit Pastor im Eifelort Heimbach – und vom Aachener Oberhirten Heinrich Mussinghoff  als „geistlicher Führer“ des Mediums Manuela bestimmt worden. Zur „seelsorglichen Beratung“ und „geistlichen Anleitung“ der selbsternannten „Visionärin“ mit ihren „Privatoffenbarungen“. Durch seine regelmäßigen Besuche  in Sievernich, die er als Weihbischof fortsetzte, lernte Bündgens fast zwangsläufig Marga K. kennen. In der Folgezeit soll es regelmäßige Treffen in deren großem Haus in Kerpen gegeben haben. Auf ihr Drängen, heißt es.

 Bewohner wissen nichts von Plänen für „Senioren-WG“

Ortstermin Aachen-Burtscheid. Die Eupener Straße im Umkreis des Piusgymnasiums ist laut und vielbefahren, das Viertel gilt trotzdem als bevorzugte Wohngegend. Die dreistöckige weiß verputzte Mehrfamilienhaus-Hälfte  atmet den Chic der 80er Jahre. Viel Beton, Balkone mit hölzerner Fassadenverkleidung. Die heutigen Bewohner der Immobilie können oder wollen sich nicht  über den zwischenzeitlichen Erwerber des Hauses äußern. Von einer angeblich von Bündgens geplanten „Senioren-WG“, zu der auch Marga K. gehören sollte, haben sie nie etwas gehört.

Nach Recherchen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ soll Bündgens  das Haus von der Erbengemeinschaft eines früheren leitenden Mitarbeiters  im Aachener Generalvikariat gekauft haben. Das Haus  soll für 600.000 Euro den Besitzer gewechselt haben, natürlich still und heimlich. Mit seinem Gehalt von geschätzt monatlich 8.000 Euro brutto allein und einem Darlehen der kirchennahen Pax Bank, die nach eigener Darstellung „ökonomisches Handeln mit ethischer Zielsetzung“ verbindet, hätte sich das Projekt nicht stemmen lassen. Bündgens zapfte also das Konto von Marga K. an.

Ortstermin Friedhof Kerpen-Brüggen, Grabfeld M, Reihe 01, Grabnummer 14. Die letzte Ruhestätte von Marga K. in einer Gemeinschaftsgruft mit ihrem 2010 verstorbenen Mann Manfred und ihrer Mutter. Die Vertraute des Weihbischofs starb am 3. März 2020.  Offenbar hat lange niemand mehr das Grab besucht. Auf der schwarzen Marmoreinfassung steht eine Schale mit verblühten Astern. Daneben liegt ein kleiner Stein mit stilisiertem Engel und der Aufschrift  „In Erinnerung an einen wunderbaren Menschen.“

KStA abonnieren