IndienMaharadscha-Sprössling nimmt verfemte LGBT-Leute in Palast auf

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Manvendra Singh Gohil

Manvendra Singh Gohil

Auf offiziellen Fotos ist Manvendra Singh Gohil meist in der farbenprächtigen Tradition seiner seit mehr als 600 Jahren in Rajpipla ansässigen Maharadscha-Vorfahren zu sehen. Die Öffentlichkeit kennt den 52-jährigen Prinzen und einzigen Sohn des indischen Adelsgeschlechts aus dem Bundesstaat Gujarat seit 2006 als „schwulen Maharadscha“. Zum Schrecken seiner Familie bekannte Manvendra sich damals öffentlich als Homosexueller.

In diesen Tagen versetzte er Indiens Öffentlichkeit mit einer neuen Ankündigung in Aufruhr. Laut einem einst von britischen Kolonialherren erlassenen Gesetz steht gleichgeschlechtlicher Sexualverkehr unter Strafe „Ich werde mein Schloß Hanumanteshwar samt dem 60.000 Quadratmeter großen Gelände in ein Zentrum für LGBT-Leute (lesbisch, homosexuell, bisexuell und transgender) verwandeln. “

Manvendra eröffnete Gay-Pride-Parade in London

Die Begründung lieferte Indiens einziger Prinz, der sich als Homosexueller outete, gleich mit: „Ich werde keine Kinder haben.“ Dabei hatte der Maharadscha-Spross vor einigen Jahren noch mit der Idee geliebäugelt, ein Kind zu adoptieren. Stattdessen tritt er heute in aller Welt als Botschafter für die Gleichberechtigung sexueller Minderheiten an.

Während der vergangenen Jahre eröffnete er einen Gay-Pride-Umzug in London. Am wichtigsten aber erwies sich ein Auftritt in der Oprah-Winfrey-Show in den USA, die auch in Indien gerne gesehen wurde. „Danach änderte sich alles“, sagt Manvendra. Der von drei Freunden geführte Lakshya Trust, der auch das LGBT-Center Hanumanteshwar am Ufer des Narmada-Flusses betreiben wird, konnte sich vor Interesse kaum noch retten.

Mutter wollte Sohn nach Outing enterben

„Ich will den betroffenen Leuten eine Heimat geben“, begründet der Maharadscha die Einrichtung des Centers. „Es wird auch eine Sozialversicherung geben. Denn viele Leute stehen ökonomisch vor dem Nichts, nachdem sie sich öffentlich zu erkennen geben.“

Prinz Manvendra weiß, wovon er spricht. Nachdem er sich vor elf Jahren ausgerechnet in einer lokalen Tageszeitung hindunationalistischer Prägung geoutet hatte, folgte nicht nur ein weltweiter Wirbelsturm des Aufsehens. Die eigene Mutter schaltete in Gujarat Anzeigen in den Tageszeitungen, in denen sie öffentlich die Enterbung des Sohnes verkündete.

Der Prinz wehrte sich und verhinderte das Vorhaben. „Auslöser meines Outings waren Pläne, mich in eine zweite Ehe zu drängen“, erzählt Manvendra einmal. Dabei geriet schon die erste Heirat im Jahr 1991 zum Desaster. Der Prinz trennte sich nach einem Jahr.

Ehen sind verbreitet, um Schein zu wahren

„Laut den Erhebungen des Lakshya Trust leben 75 Prozent aller homosexuellen Männer in einer Ehe, um den Schein zu wahren“, sagt der Prinz. „Vielen Ehefrauen ist es sogar ganz recht, dass ihre Männer zu anderen Männern gehen. Auf diese Weise kann bei der Untreue wenigsten kein Kind entstehen.“

Der Hass und die Verfolgung Homosexueller geht auf die britischen Kolonialherren zurück, die Indien während ihrer Herrschaft ein puritanisches Dogma aufzwangen, das in der Gegenwart ausgerechnet von den regierenden Hindunationalisten mit großem Aufwand verteidigt wird.

Dennoch werden laut hinduistischen Traditionen als Frauen auftretende „Hijras“ – unter den Oberbegriff können von Eunuchen bis zu Zwittern alle Menschen mich zweideutiger Sexualität fallen – verehrt. Der schwule Prinz von Rajpipla hat sich also eine Menge vorgenommen, wenn er verkündet: „Mein Ziel ist, sexuelle Minderheiten in Indiens Mainstream zu bringen.“

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