Kornkreis bei AndechsBotschaft vom Hundsstern

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Der Kornkreis von Andechs: Botschaft von Sirius A.

Der Kornkreis von Andechs: Botschaft von Sirius A.

So richtig los ging der Ärger für den Bauern Georg Zerhoch aus Frieding am Starnberger See am Freitag, dem 3. August, einem schönen sonnigen Sommertag, als plötzlich Gaby Teroerde im Schneidersitz in seinem Weizenfeld hockte und channelte. Gaby Teroerde ist nach eigener Auskunft eine ehemalige Steuerfachangestellte, die um 7.20 Uhr am 22. Dezember 1962, Schütze, Aszendent Schütze, im bayerischen Mühldorf das Licht der Welt erblickte, 1985 einen schweren Autounfall hatte und 2003 spirituell erwachte. Sie hat sich zur geistigen Heilerin ausbilden lassen und lebt seit Donnerstag, 17. November 2005 von Licht. Also schon ziemlich lange.

Anfang August jedenfalls hockt sie im Weizenfeld des Bauern Zerhoch. Das Feld ist 5,5 Hektar groß, das Korn steht eigentlich gut, so ein Feld bringt bis zu 80 Doppelzentner pro Hektar Ernte ein. In der Regel ist das so, aber dieses Jahr nicht. Gaby Teroerde channelt. Channeln kann nicht jeder, auch Bauer Zerhoch nicht, obwohl er ein sehr vielseitiger Mann von 57 Jahren ist. Bauer Zerhoch, ein kraftvoller lebensfroher Oberbayer, hat Landwirtschaftsmeister gelernt, außerdem Sprengmeister. Nach der Wiedervereinigung war er jahrelang in Ostdeutschland unterwegs, hat alte Brücken gesprengt, alte Fabrikhallen und riesige Schornsteine, bis nichts mehr da war, was gesprengt werden musste. Heute ist er CSU-Kreisrat.

Der Bauer versteht vom Channeln nichts

Seit 31 Jahren lebt er auf dem Aussiedlerhof, direkt nebenan wohnen die beiden Söhne. Seine Frau hat ihn verlassen, angeblich, weil er nur noch arbeitete. Zerhoch bewirtschaftet insgesamt 100 Hektar Land, baut Weizen, Raps, Gerste und Mais an. Im Winter sägt er Holz, macht Hackschnitzel und Pellets. Von so etwas versteht er eine ganze Menge. Vom Channeln versteht er nichts, was auch kein Wunder ist, weil er nur ein einfacher Meister ist. Sehr simpel gesprochen ist channeln: reden, sprechen, schwatzen. Nicht über den Zaun mit den Nachbarn im Dorf, den Wirtsleuten vom herrlichen „Gasthaus zum Queri“ oder mit dem Rathaus in Andechs, sondern mit anderen Herrschaften: mit Erzengeln, Hathoren, was interdimensionale intergalaktische Zeitgenossen sein sollen, und geistigen Wesen.

Gaby Teroerde hat genau das in Georg Zerhochs Weizenfeld gemacht. Sie hockte auf der Erde, neben sich ihr Begleiter, der Salzburger Magister Siegfried Trebuch, ein 42-jähriger Österreicher, der nach eigener Auskunft in Harvard Physik studierte, dann aber die naturwissenschaftliche Laufbahn abbrach und sein Leben umkrempelte, mit dem Meditieren begann, mit sehr vielen weisen Menschen auf der Erde Gespräche führte, der irgendwann Gaby Teroerde kennenlernte und seit längerem als freier Autor und Redner unterwegs ist. Außerdem hat er Unterricht als Schauspieler und Reinkarnationstherapeut genommen.

Ein gewaltig gehäkelter Topfuntersetzer

Bevor beide am 3. August im Weizenfeld gut und gerne zwei Kilometer entfernt von Georg Zerhochs Hof hocken, ist schon Folgendes geschehen, was unbedingt erwähnt werden muss: Der Härter Günther, ein Ballonfahrer und Bekannter Zerhochs aus der Nachbarschaft, war Sonntag, den 29. Juli mit seinem Heißluftballon aufgestiegen. Er schwebte über dem lieblichen Voralpenland zwischen Ammersee und Starnberger See bei bestem Wetter und in gehobener Stimmung dahin, als er plötzlich im Weizenfeld von Zerhoch diesen wunderschönen Kornkreis sieht. Es ist ein großer fantastischer Kreis, etwa 75 Meter Durchmesser, mit einem Mittelpunkt, einem geflochten wirkenden Rand und zwölf Zacken dazwischen. Aus der Höhe ein fantastisches Bild, das ein wenig an einen gewaltigen gehäkelten Topfuntersetzer erinnert.

Und wie das nun einmal so geht: Ein Foto des Kornkreises landet im Internet, und ab Anfang August setzt sich ein Strom Menschen aus ganz Deutschland und Österreich in Marsch Richtung Weizenfeld. Fünfe, ein Dutzend, mal zwanzig, mal hundert. Tag und Nacht. Sicherlich auch deshalb, weil im Internet zu sehen war, wie Gaby Teroerde 24 Minuten und 24 Sekunden lang channelte.

Frau Teroerde an Sirius A

Wer sich das jetzt nicht im Netz ansehen möchte, es ging so: Frau Teroerde, eine blonde Frau, die an eine freundliche Grundschullehrerin erinnert und der man sieben Jahre Lichtnahrung nicht unbedingt ansieht, schloss die Augen, nickte abrupt und hatte damit Kontakt hergestellt zu den Bewohnern von Sirius A, besser bekannt als Hundsstern. Sirius A ist Teil des Sternbildes Großer Hund, ist 1,7 mal so groß wie unsere Sonne und 25 mal so hell. Der Stern gilt als metallreich, und seine Oberflächentemperatur wird auf 10273,16 Grad Celsius geschätzt. Der Hundsstern ist 8,6 Lichtjahre entfernt, also relativ sternennah, umgerechnet sind das etwa 9,5 Billionen Kilometer. Eine Distanz allerdings, völlig aussichtslos für Bauer Zerhoch, falls der sich beschweren wollte, auch wenn er in seinem Schuppen ein Wahnsinnsmotorradl stehen hat, eine Kawasaki 1400, 205 PS und locker 300 Stundenkilometer schnell.

Gaby Teroerde im Weizenfeld hat also Kontakt, die Augen sind geschlossen. Magister Trebuch stellt höflich die erste Frage: „Mit wem haben wir die Ehre heute zu sprechen?“ Daraufhin antwortet Sirius A durch das Medium Frau Teroerde und teilt mit, der Kornkreis sei eine verkapselte Information, eine Information, die nötig sei, um das Volk aufzurütteln und in Gang zu bringen. Das Universum sei in seinem Gefüge an einem speziellen Punkt angekommen, der Kornkreis sei sehr komplex und deshalb zugeschnitten auf das deutsche Volk.

Außerirdische zu hässlich für die Menschheit

Während der Hundsstern durch Frau Teroerde spricht, muss diese nach fast jedem Wort nicken, was ein bisschen so ausschaut, als wollte sie die gesagten Wörter wieder aufessen. Man erfährt während der folgenden Minuten außerdem noch: Die Bewohner von Sirius A wollen der Menschheit energetisch schützend und belehrend zur Seite stehen. Einige von ihnen schweben gerade in einem Raumschiff in einer Erdumlaufbahn und passen auf. Sie warnen uns: „Lasst euch nicht hineinziehen in die dunkle Spalte, die sich auftut.“

Magister Trebuch stellt noch einige Fragen, zum Beispiel die, warum die Sirianer keinen direkten Kontakt suchen und stattdessen den Umweg über Channel Teroerde gehen. „Eine gefährliche Frage“, antwortet der Hundsstern. Ihr ungewohntes Aussehen verbreite noch so viel Angst unter den Menschen, dass es noch eine gewisse Zeit brauche.

Ein Rauschen, dann ist es Aus

Nach zwanzig Minuten endet der Frage-Antwort-Trialog, danach gibt Sirius A noch ein vierminütiges Statement an die Menschheit ab. „Diese Erde ist betroffen“, sagt Sirius A. Wovon und weswegen bleibt offen. Die Botschaft endet vielmehr in einem Rauschen und Raunen, in Andeutungen und Nebulösem. Dann öffnet Gaby Teroerde die Augen, der Kopf geht nach oben, das Nicken endet. Sie sagt und klingt plötzlich wie früher das Fräulein vom Amt: „Übertragung abgeschlossen und fehlerfrei erkannt.“

Bauer Zerhoch sitzt in seiner Küche. Er hat eine kräftige Statur wie ein Mittelgewichtsringer, dafür aber nur sparsamen Haarwuchs auf dem Kopf. Meistens lächelt er verschmitzt. Es ist acht in der Früh, ein letzter Kaffee, dann muss er los. Er sitzt am Tisch, er schaut in den Hof, es regnet wie aus Kübeln. Auf der Spüle stehen lauter Schnapsgläschen. Am Vorabend hatte er Besuch.

„Ich will Ihnen was sagen“, fängt er an. „Ich hab nichts gegen diese Leute. Jeder darf in Bayern denken und meinen, was er will.“ Dann stockt die große Rede, er kommt auf sein Feld zu sprechen. „Ich fahr’ gar nicht mehr hin“, sagt er und sieht plötzlich aus wie ein trauriger kleiner Bub. „Das tu’ ich mir nicht mehr an.“

Der Bauer ist der Dumme

Ihn nimmt die Sache mit. Zuerst hat er in Hersching bei der Polizei Anzeige erstattet. Er hat einen landwirtschaftlichen Gutachter bestellt und der hat einen Schaden von 1760 Euro ermittelt, verursacht durch das von den Sirianern oder wem auch immer plattgedrückte Getreide. Dann hat er 500 Euro Belohnung ausgesetzt.

Passiert ist nichts. So wie fast immer. Seit etwa 30 Jahren tauchen Kornkreise auf, zuerst in England, dann in Deutschland und überall. Im Internet kann man erfahren, wie es gemacht wird: ein paar Leute, ein genauer Plan, Taschenlampen, Seile, Bretter. Dann ran an die Arbeit. Selten wird jemand erwischt. „Wir wissen noch nichts“, heißt es auf der Polizeiwache Hersching. „Niemand hat Fingerabdrücke hinterlassen.“

So ist das. Die einen machen sich einen Spaß, die anderen glauben an übernatürliche Mächte, der Bauer ist der Dumme. „Diese Leute“, stöhnt Bauer Zerhoch. Er war oft im Feld, hat versucht sie zu verjagen. „Wie die Tauben. Huschhusch, dann gehen sie weg, dreht man sich um, kommen sie wieder.“ Sie latschten durch sein Feld auf der Suche nach der Energie, welche die Sirianer hinterlassen haben sollen. Sie zelteten am Rand, sie sangen, sie wanderten murmelnd und Hände haltend durch die Ährenreihen. Bauer Zerhoch versuchte ihnen zu erklären, dass sie Lebensmittel zerstören. „Aber die lächeln nur. Mit denen kann man nicht reden. Die begreifen mich gar nicht.“ Die Stimme wird laut. „Was denken die eigentlich? Dass Brot im Supermarkt wächst?“

Zerhoch mäht den Kornkreis nieder

Der 8. August, ein Mittwoch, war der Tag, an dem es Bauer Zerhoch endgültig reichte. Er stieg auf seinen Mähdrescher und fuhr los. Als er am Feld ankommt, singt ein Mädchen verzweifelt „Holy Ground“. Ein grauhaariger Mann um die 50 stellt sich dem Mäher dramatisch und albern zugleich in den Weg. Es gibt ein Foto. Es erinnert unwillkürlich an den tapferen Chinesen, der sich am 5. Juni 1989 auf dem Platz des Himmlischen Friedens einem Panzer in den Weg stellte. Bauer Zerhoch hält an und schimpft. Eine Frau versucht ihm zu erklären, er sei von Gott ausgewählt, ein Junge weint. Bauer Zerhoch nimmt eine Prise Schnupftabak, dann ruft er die Polizei in Hersching an. Danach lassen sich die gut 80 Leute, huschhusch, vertreiben und Zerhoch mäht das Korn nebst Botschaft vom Hundsstern ab. Ein paar Tage später arbeitet er mit der Egge das abgemähte Feld durch, lockert den Boden und hofft, das nun alles vorbei ist.

Ist es aber nicht. „Kommen Sie mit“, sagt der Bauer. Der Kaffee ist ausgetrunken. „Eigentlich will ich nicht hin. Aber warum eigentlich nicht?“ Er eilt über den Hof zur Scheune, wo sein weißer VW-Bus steht. Es regnet immer noch. Raus aus Frieding, durch die Felder, in der Ferne ist das berühmte Kloster Andechs erkennbar. Ein Schotterweg, vorbei an einer alten Eiche, angekommen: sein Feld. Trampelpfade führen zur Mitte, die einmal auch die Mitte des Kornkreises war. Jetzt kokeln hier Reste eines großen Lagerfeuers vor sich hin.

„Himmelsakra, wo samma denn?"

„Sie waren schon wieder da“, stöhnt der Bauer. „Sie übernachten hier und verschwinden, wenn einer kommt.“ Er fährt sich durch sein weniges Haar.

Gaby Teroerde hat von Sirius A beim Channeln erfahren, dass die spirituelle Energie bleibt, auch wenn der Kornkreis weggemäht wurde. Das wissen auch die mindestens 50.000 Leute, die sich das im Internet angesehen haben.

Zerhoch gehört nicht dazu. Er findet das alles überhaupt nicht mehr witzig, nicht eine Nanosekunde lang, es fängt an, ihn zu bedrücken. „Was hat die auf meinem Feld gesagt? Hat die das wirklich gesagt?“ Seine Stirn umwölkt sich, er malt sich aus, was das bedeuten könnte für sich und sein Feld. „Himmelsakra, wo samma denn?“, schimpft er. Dann regt er sich wieder ab. Es ringt in ihm, gute Laune und Kampfeslust haben aber gerade seine Verärgerung besiegt. Er grinst wieder: „Morgen fahre ich erst einmal in Urlaub. Und im September wird alles tief umgepflügt.“

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