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Organisierte KriminalitätErmittler schöpfen in Nordrhein-Westfalen fast 86 Millionen ab

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Ein gesprengter Geldautomat ist auf einer Pressekonferenz beim Landeskriminalamt (LKA) zur Vorstellung des Lagebilds der Organisierten Kriminalität hinter einem Flatterband mit der Aufschrift «Polizeiabsperrung» ausgestellt.

In insgesamt 37 Verfahren gegen organisierte Kriminalität konnten Finanzermittler in Nordrhein-Westfalen 2021 fast 85,7 Millionen Euro an illegal erlangtem Vermögen vorläufig sichern (Symbolbild).

Durch die Auswertung des geknackten Krypto-Messenger-Dienstes EncroChat sei es den Ermittlern gelungen, organisierte Strukturen aufzubrechen.

In insgesamt 37 Verfahren gegen organisierte Kriminalität konnten Finanzermittler in Nordrhein-Westfalen 2021 fast 85,7 Millionen Euro an illegal erlangtem Vermögen vorläufig sichern. Das geht aus dem „Lagebild Organisierte Kriminalität 2021“ hervor, das NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) jetzt dem Düsseldorfer Landtag zugeleitet hat. Die enorme Steigerung der Vermögensabschöpfung um gut 154 Prozent gegenüber dem Vorjahr resultiere aus einem beim Landeskriminalamt geführten Verfahren wegen betrügerischer Vermarktung einer Kryptowährung, heißt es im Bericht.

Allein bei diesen illegalen Finanztransfergeschäften seien 2021 rund 72,9 Millionen Euro beschlagnahmt worden. „Wir lassen nicht locker“, kommentierte Reul die Zahlen. Durch die systematische Auswertung des geknackten Krypto-Messenger-Dienstes EncroChat sei es den Ermittlern gelungen, organisierte Strukturen aufzubrechen und tief einzudringen. Der wirtschaftliche Gesamtschaden durch organisierte Kriminalität (OK) wird für das Berichtsjahr auf über eine Milliarde Euro geschätzt.

Die meisten Verdächtigen stammen aus Deutschland

In diese Berechnungen flossen Straftaten der Wirtschafts- und Eigentumskriminalität sowie Steuerstrafsachen aus neun OK-Verfahren ein. Hier hätten sich sogenannte Cum-Ex-Geschäfte als extrem schädlich erwiesen, erläuterte Reul. Im Vergleich zum Vorjahr stieg die Zahl der OK-Ermittlungsverfahren insgesamt von 80 auf 90 (2019: 73). Davon waren 18 von kriminellen Angehörigen türkisch-arabischstämmiger Clanfamilien dominiert.

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Die Zahl der Tatverdächtigen stieg im Vergleich zu 2020 um 3,4 Prozent auf 1467 - darunter waren rund 62 Prozent Ausländer mit insgesamt 56 unterschiedlichen Staatsangehörigkeiten. Mit jeweils 165 stellen der Libanon und die Türkei überdurchschnittlich große Blöcke unter den ausländischen Verdächtigen. Den größten Einzelposten in der Staatsangehörigkeitsstatistik der Verdächtigen stellt mit 565 allerdings Deutschland.

Internationale Rauschgifthandel gestiegen

„Der internationale Rauschgifthandel und -schmuggel bleibt der vorherrschende Kriminalitätsbereich in der OK-Bekämpfung“, bilanziert der Lagebericht. Im Vergleich zum Vorjahr sei der Anteil in diesem Bereich um elf Prozentpunkte gestiegen. In etwa einem Drittel der OK-Verfahren seien die Tätergruppierungen in mehr als einem Kriminalitätsbereich aktiv. „Da OK-Gruppierungen fest im kriminellen Milieu verhaftet sind und gewinn- und machtorientiert agieren, werden Tatgelegenheiten auch neben den eigentlichen Hauptaktivitäten wahrgenommen“, heißt es im Bericht.

So handelten OK-Gruppierungen beispielsweise nicht nur mit Betäubungsmitteln, sondern auch mit Waffen und Diebesgut. „Über Schmuggelrouten werden Drogen und Menschen geschleust. Die aus den Straftaten erlangten Gelder werden durch Handlungen der Geldwäsche in den legalen Wirtschaftskreislauf eingebracht.“ In 82 Prozent der OK-Verfahren seien für kriminelle Aktivitäten globale Kontakte in insgesamt 56 verschiedene Länder genutzt worden. Deshalb sei eine starke internationale Vernetzung der Ermittler wichtig, betonte Reul.

Rocker-Clubs wegen Tötungsdelikten und Waffenhandel auffällig geworden

Die Gruppierungen haben nach den Erkenntnissen der Ermittler besondere Schwerpunkte herausgebildet: - Deutsch dominierte OK-Gruppierungen waren im Bereich der Wirtschaftskriminalität sowie in einzelnen Verfahren wegen Waffenhandels und Kfz-Verschiebung tätig. - Angehörige türkisch-arabischstämmiger Familienclans, die der Clankriminalität zugerechnet werden, gerieten wegen Kfz-Verschiebung, betrügerischer Immobilienfinanzierung, Subventions- und Sozialleistungsbetrugs sowie Steuerhinterziehung und Geldwäsche in den Fokus der ermittelnden Behörden.

- Mitglieder der sogenannten Outlaw Motorcycle Gangs Hells Angels MC und des Bandidos MC sind wegen versuchter und vollendeter Tötungsdelikte, wegen Waffenhandels und Kfz-Hehlerei sowie wegen Betrugshandlungen zum Nachteil älterer Menschen auffällig geworden. - OK-Gruppierungen, die von türkischen Staatsangehörigen dominiert werden, begingen schwere Steuerstraftaten durch Gründung eines Umsatzsteuerkarussells im Zuge legaler Gewerbetätigkeiten und auch durch Veranstaltung illegalen Glückspiels.

Tatbeteiligte und Personen mit Bezügen zur italienischen organisierten Kriminalität wurden mit internationalem Kokainhandel, Falschgeldherstellung und -verbreitung sowie Wirtschaftskriminalität auffällig. Alle Gruppierungen spielten dem Bericht zufolge beim internationalen Drogenhandel eine wesentliche Rolle. Insgesamt zehn OK-Gruppierungen betrieben in NRW eigene Hanf-Plantagen zur Marihuana-Produktion.

„In 51,1 Prozent der OK-Verfahren kam es durch Angehörige der kriminellen Organisationen zu Anwendungen von Gewalt und Einschüchterungshandlungen gegenüber Mittätern und Konkurrenten sowie Opfern als auch Zeugen“, hält das Lagebild zudem fest. „Gewalttätige Auseinandersetzungen rivalisierender Gruppierungen dienen dazu, sich im kriminellen Milieu gegenüber dem Konkurrenten zu behaupten und ihn einzuschüchtern.“ (dpa)

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