Jens Spahn denkt nicht an Rückzug, sagt er bei „Caren Miosga“ im Ersten. Doch der Rentenstreit in der CDU könnte ihm den Posten kosten.
Union-Fraktionschef bei „Caren Miosga“Kostet der Renten-Streit Jens Spahn den Job?

Für Unions-Fraktionschef Jens Spahn steht in der aktuellen Renten-Debatte viel auf dem Spiel. (Bild: ARD/Thomas Ernst)
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Noch herrscht Ärger in der Union. Offenbar sind noch nicht alle jungen Rebellen überzeugt worden, bei der Abstimmung im Bundestag am Donnerstag für das Rentenpaket der schwarz-roten Koalition zu stimmen. Darum führt Unionsfraktionschef Jens Spahn derzeit ernste Einzelgespräche mit den jungen Abweichlern - und zwar in seinem Wohnzimmer.
Dazu wird Pizza serviert. Die dürfte dem Einen oder Anderen schwer im Magen liegen. Denn Spahn will die Rentenreform durchsetzen, auch wenn die eher ein Reförmchen ist. Sonst, so fürchtet Spahn, könnte der Krach in der Koalition zu ihrem Bruch führen. Und dann könne auch das Bürgergeld nicht abgeschafft werden.

Der Ökonom Clemens Fuest teilt die Bedenken der jungen CDU-Rebellen gegen das geplante Rentenpaket. (Bild: ARD/Thomas Ernst)
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Dabei findet Spahn die jungen CDU-Rebellen irgendwie cool, deutet er am Sonntagabend bei „Caren Miosga“ in der ARD an. Die Moderatorin hat drei Gäste eingladen, um über das Rentenpaket zu diskutieren. Dass es dabei richtig zur Sache geht, liegt nicht an Jens Spahn - sondern am Präsidenten des IFO-Instituts für Wirtschaftsforschung, Clemens Fuest. Der teilt die Bedenken der „jungen Wilden“.
Spahn: „Können stolz sein auf unsere junge Gruppe“
„Ich verstehe das Anliegen der jungen Generation sehr gut“, beteuert auch Jens Spahn. Ja, in der Rente müsse es generationengerecht zugehen. In den 2030-ern würden die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen, weiß er. Darauf sei man „noch nicht genügend vorbereitet“.

Auch Journalistin Eva Quadbeck nahm Spahn in die Mangel. (Bild: ARD/Thomas Ernst)
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Dass es im Bundestag junge Abgeordnete gebe, die engagiert seien und sich in der Sache einsetzten, begrüßt der Unionsfraktionschef. „Wir können stolz sein auf unsere junge Gruppe“, sagt Spahn. „Und gleichzeitig weiß ich, dass die Kolleginnen und Kollegen in der Fraktion gleichzeitig einerseits die Sachfrage sehen, aber auch die Frage, was das mit der Koalition macht und mit der Stabilität der Regierung.“ Der Fraktionschef gibt sich siegessicher: „Die Mehrheit ist im Werden“, sagt er. Wie viele Pizzen er dazu noch aus seinem Tiefkühlfach holen muss, wagt er nicht zu sagen.
Worum geht es? Das derzeitige Rentenniveau liegt bei 48 Prozent. Das heißt: Wer in Rente geht, bekommt 48 Prozent seines gesamten Bruttoeinkommens ausgezahlt. Das gilt bis 2031, hat die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag festgehalten. Dann soll ein neues Rentenniveau ausgerechnet werden, und das soll sich an diesen 48 Prozent orientieren.
Wirtschaftsexperte Fuest: „Dieses Gesetz ist nicht sinnvoll“

Caren Miosga (zweite von links)sprach mit ihren Gästen über das geplante Renten-Paket und seine möglichen Folgen. (Bild: ARD/Thomas Ernst)
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Genau das wollen die jungen Partei-Rebellen nicht. Sie fordern ein Prozent weniger. Das würde letztlich bedeuten, dass die Renten in den 2030er-Jahren nicht so schnell steigen wie sonst. Clemens Fuest geht sogar davon aus, dass sie drei Jahre lang gar nicht steigen würden. Der Vorteil: So kann man laut den jungen Rebellen innerhalb von 10 Jahren 120 Milliarden Euro im Haushalt sparen - oder sie für andere wichtige Dinge ausgeben.
Das ist das „Rentenpaket 1“, wie Spahn es mittlerweile nennt. Kommt das durch den Bundestag, werde eine Rentenkommission eingesetzt, deren Aufgabenbereich deutlich erweitert worden sei und die schon im Juni kommenden Jahres Ergebnisse liefern solle. „Nach der Debatte kann man nicht mehr zur Tagesordnung übergehen, sondern wir werden dann auch über die Vorschläge der Kommission und eine weitere Rentenreform reden“, so Spahn.
Clemens Fuest überzeugt er so nicht. „Dieses Gesetz ist nicht sinnvoll“, sagt der. „Wir steuern erstmal in die Richtung, dass wir künftige Bundeshaushalte stark belasten. Wir wissen alle: Wir haben künftig weniger Menschen, die einzahlen. Wir haben auch weniger Steuerzahler. Und jetzt wird hier beschlossen, dass künftige Bundeshaushalte mit etwa 12 Milliarden Euro im Jahr mehr belastet werden als meines Erachtens auch im Koalitionsvertrag stand“, erklärt der Ökonom. Falsch sei, zunächst in die falsche Richtung zu steuern und dann eine Kommission einzusetzen, die diese falsche Reform rückgängig machen müsse. Das würde die SPD nicht akzeptieren. „Das ist eine Alibiveranstaltung, mit der jetzt die Leute beruhigt werden“, so Fuest.
Spahn: „Müssen handlungsfähig bleiben“
Auch Eva Quadbeck, Chefredakteurin vom Redaktionsnetzwerk Deutschland, kritisiert das Vorgehen der Koalition. Sie erklärt: Jede der drei Parteien habe ihr wichtigstes Projekt durchsetzen können. Das werde nun wahnsinnig teuer für die Beitragszahler. Fuest wird noch deutlicher: „Wir fahren den Bundeshaushalt vor die Wand.“ Denn die Bundesregierung habe sehr viele Projekte, die finanziert werden müssten: Investitionen in die Rüstung oder in die marode Infrastruktur, und dann müsse auch noch die Wirtschaft wieder zum Laufen gebracht werden, damit die Löhne steigen könnten. Denn je höher die Löhne, desto höher die Renten. Er, Fuest, könne nicht verstehen, warum die Union dem Rentenpaket am Donnerstag zustimmen wolle.
Spahn erklärt ihm seine Sicht der Dinge: „Am Ende ist eine handlungsunfähige Regierung, die nicht in der Lage ist, das Vereinbarte miteinander umzusetzen, das Schlechteste. Ich muss mit den Mehrheiten umgehen, die im Bundestag da sind.“ Die Koalition sei keine Wunschkoalition gewesen. Aber jetzt müsse man gemeinsam gewinnen und gemeinsam verlieren. „Erfolg wird nicht entstehen, wenn wir in die Handlungsunfähigkeit kommen. Deshalb werden wir handlungsfähig bleiben müssen, indem wir durchtragen, was wir auch vereinbart haben.“
Glaubt man Eva Quadbeck, geht es aber nicht allein darum. „Es muss diese Woche schon gutgehen, sonst ist die Wahrscheinlichkeit nicht gering, dass es Herrn Spahn den Kopf kosten könnte.“ Vielleicht ist diese Wahrscheinlichkeit sogar größer als die eines Koalitionsbruchs. (tsch)
