Seit sieben Jahren unterwegsMatt Green geht jede Straße in New York ab

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Foto Green Brücke

Matt Green in den Hudson Yards in Manhattan

  • Matt Green hat sich zum Ziel gesetzt, alle Straßen New Yorks abzulaufen.
  • Er ist seit sieben Jahren unterwegs, geschafft hat er die 13.000 Kilometer noch nicht.
  • Für seine Mission, die er in einem Blog beschreibt, hat er Beruf und Wohnsitz aufgegeben. Nun ist ein Dokumentarfilm über ihn entstanden.

New York – Matt Green muss sich oft anhören, dass er ein Taugenichts sei, dass er sein Leben sinnlos vergeude, dass er nichts tue, was die Gesellschaft oder gar die Menschheit voranbringe. Er findet das ungerecht, wenn er so etwas hört. Für ihn ist das, was er tut, durchaus sinnvoll, sehr sogar.

Green läuft. Jeden Tag. Seit zehn Jahren tut er das nun schon. Zuerst ist er quer durch die USA gelaufen, vom Rockaway Beach in New York zum gleichnamigen Rockaway Beach an der Pazifikküste von Oregon. Als das nach beinahe zwei Jahren geschafft war, hat er sich gleich eine neue Wanderung vorgenommen.

Green möchte jeden Kilometer Straße von New York abwandern, rund 13 000 sind das insgesamt. Beinahe sieben Jahre ist er schon unterwegs. Block für Block. Fertig ist er immer noch nicht.

Foto Green Portrait

Matt Green ist jeden Tag unterwegs.

Die Überreste einer bürgerlichen Existenz hat er in dieser Zeit nach und nach abgebaut. Green hat keinen Wohnsitz mehr und kaum mehr Besitztümer. Er schläft bei Bekannten auf dem Sofa, auf dem Boden oder auch mal auf dem Billardtisch.

15 Dollar am Tag

Als Gegenleistung für das Obdach füttert er die Katzen, geht einkaufen oder mit den Hunden spazieren. Sein tägliches Budget beträgt 15 Dollar, das reicht, um mit der U-Bahn herumzufahren und sich Reis und Bohnen zu kaufen.

Mehr, sagt er, brauche er nicht, er vermisse rein gar nichts. Wenn ihn Menschen auf der Straße ansprechen, was er aus diesen Expeditionen einmal machen möchte – ein Buch vielleicht oder ein Unternehmen für Stadtrundgänge –, dann sagt er meist, er wolle eigentlich gar nichts damit machen.

Foto Green Dreh

Dreharbeiten zur Kinodokumentation

Die Tatsache, dass nun ein Dokumentarfilm über ihn in die Kinos kommt („The World Before Your Feet“ – Die Welt zu deinen Füßen), sei nicht seine Schuld, dazu habe ein Freund ihn überredet.

Es genügt Matt Green völlig, Eindrücke und Begegnungen zu sammeln und sie auf seinen Blog einzutragen. Oft recherchiert er dann im Nachhinein die Hintergründe für Kuriositäten, die er entdeckt hat.

Foto Green Brooklyn

Begegnung mit Straßenreinigern beim Gang durch Brooklyn

Warum etwa auf den Abwasser-Gullys in ganz New York Farbkleckse sind, hat ihn interessiert. Wie sich herausstellte, markiert das Gesundheitsamt mit diesen Klecksen einen durchgeführten Test auf übertragbare Krankheiten.

Oder, woher die Einschusslöcher an der Außenmauer eines alten Bankgebäudes an der Wall Street stammen. Dort gab es 1919 ein Bombenattentat von Anarchisten.

Der Weg ist das Ziel

Oft lädt Green aber einfach nur Fotos von Dingen hoch, die ihm ins Auge springen – eine Pfütze auf Staten Island, in der sich der Abendhimmel spiegelt. Oder eine Feige, die er in Coney Island in einem Vorgarten geerntet hat.

Sinn, Bedeutung, Erkenntnis – das alles entsteht für Matt Green alleine aus dem Gehen und Erfahren selbst. Immer wieder betont er das beinahe schon klischeehafte Mantra, dass der Weg das Ziel sei.

Fertig werden, ankommen interessiert ihn nicht. Der Lebensentwurf, den der ehemalige Ingenieur gewählt hat, hat seinen Preis. Die letzten beiden Beziehungen Greens sind in die Brüche gegangen.

Trennung von Verlobter

Seine Verlobte, die sich zwei Wochen vor der Hochzeit von ihm getrennt hat, sagt: „Es war einfach nicht möglich, mit ihm etwas zu planen. Er will einfach nicht darüber nachdenken, was als Nächstes kommt.“

Greens Wandern ist mit Bindungen nicht kompatibel. Er scheint dabei glücklich zu sein, frei durch New York zu gehen und dabei die Stadt mit allen Sinnen in sich aufzusaugen. Und wenn die Pilgerschaft irgendwann zu Ende ist? Das wird sich finden. Darüber nachzudenken, würde ihn viel zu sehr aus dem Hier und Jetzt entführen.

Und irgendwie scheint er sich selbst in den Straßen verloren zu haben. Die aktuellsten Bilder, die er gepostet hat, stammen aus dem September 2015. Die anderen sind noch in seinem Gedächtnis.

Hier geht es zu seinem Blog.

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