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Sie verteidigt Harvey WeinsteinDonna Rotunno hält #MeToo für gefährlich

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Donna Rotunno und Harvey Weinstein

  • Donna Rotunno vertritt mit Harvey Weinstein einen der wohl unbeliebtesten Männer der USA.
  • Sie ist für harte Verhöre in Vergewaltigungsfällen bekannt.
  • Ihre Argumentation: Man dürfe nicht einfach allen Frauen glauben, die Weinstein Missbrauch vorwerfen.

New York – Donna Rotunno zieht unweigerlich die Blicke auf sich, wenn sie morgens vor dem Gericht im südlichen Manhattan aus dem Taxi steigt. Die Anwältin von Harvey Weinstein ist eine schillernde Erscheinung – sie ist groß gewachsen, trägt hochhackige Stiefel und auffällige Designerblusen.

Rotunno mag es, aufzufallen – auch, wenn das bedeutet, sich unbeliebt zu machen. So legte sie sich nach nur einer Stunde des Weinstein-Prozesses mit der Staatsanwaltschaft an, die ihr den Umgang mit den Medien verbieten wollte. „Die Anklage möchte, dass Herr Weinstein verurteilt wird, bevor dem Gericht auch nur ein einziger Beweis vorgelegt wurde“, sagte sie.

Rotunno wirft Frauen Verleundung vor

Dem Vorfall vorangegangen waren eine Reihe von Interviews, in denen Rotunno lautstark für den Freispruch ihres Mandanten geworben hatte. Gleich ob bei Fox News oder bei CNN – Rotunno hielt nicht mit ihrer Meinung hinter dem Berg, dass sie Weinstein für das Opfer einer breit angelegten Verleumdungskampagne hält.

Für Donna Rotunno ist die #MeToo-Bewegung, die ja überhaupt erst durch die Enthüllungen über den Weinstein-Fall ins Rollen gekommen ist, weit über das Ziel hinausgeschossen. „Wenn wir eine Bewegung haben, die uns unserer Grundrechte beraubt, dann lässt sich das durch nichts rechtfertigen.“

„Was mit #MeToo passiert“, fügt Rotunno an, „ist, dass wir glauben, vollkommen fraglos allen Frauen glauben zu müssen. Ich halte das für gefährlich.“ Noch unbeliebter als durch solche Äußerungen hat Rotunno sich durch ihre Angriffe auf die Frauen gemacht, die Weinstein Übergriffe vorwerfen. „Wenn ich nicht will, dass man mich sexuell belästigt, dann gehe ich nicht mit jemandem auf dessen Hotelzimmer.“

Rotunno will während des Verfahrens zeigen, dass das eigentliche Opfer Weinstein ist. Die Juristin aus Chicago glaubt, dass die Frauen sehr wohl wussten, was sie taten und bewusst sexuelle Handlungen gegen mögliche Karrierevorteile getauscht hätten.

Intime Emails werden vorgelegt

Das will Rotunno nicht zuletzt dadurch belegen, dass die Anklägerinnen auch nach den fraglichen Vorfällen noch Kontakt zu Weinstein hielten. Als Beweis legt sie dem Gericht intime Emails und Textnachrichten vor. „Jeder, der seinen gesunden Menschenverstand benutzt, wird erkennen, dass es sich hier nicht um ein Täter-Opfer-Verhältnis handeln kann.“

Die Anklage wird dem entgegen halten, dass es für Opfer sexueller Gewalt typisch sei, mit den Tätern weiterhin Kontakt zu halten. Es handele sich dabei um einen Versuch, aus Selbstschutz die Beziehung zu normalisieren. Rotunno hingegen behauptet, es gebe keine wissenschaftlichen Belege für eine solche Behauptung.

Mahnung an die Jury

Die Auswahl der Jury für den Weinstein-Prozess wurde am Freitag fortgeführt.  Ausgewählt wird aus einem Pool von 100 Kandidaten. Richter James Burke richtete dabei deutliche Worte an die Anwesenden: Der Prozess sei kein Referendum über die #MeToo-Bewegung oder Frauenrechte. Die Entscheidung der Jury dürfe nur auf den Beweisen beruhen. (dpa)

Weinsteins Wahl fiel nicht zufällig auf Rotunno. Sie selbst gibt zu, dass es sich auf die Meinung der Geschworenen vorteilhaft auswirken wird, wenn eine Frau Weinstein verteidigt. „Das ändert die gesamte Dynamik im Gerichtssaal.“

Hinzu kommt, dass Rotunno sich als Verteidigerin von mutmaßlichen Vergewaltigern einen Namen gemacht hat. Nur einen einzigen Fall hat sie auf diesem Gebiet verloren, auf das sie sich spezialisiert hat, seitdem sie in Chicago vor 15 Jahren ihre Kanzlei eröffnete.

Ihr Erfolg beruht zum einen auf ihrer unbestrittenen Kompetenz als Juristin. „Sie kennt das Gesetz und kann sich unglaublich gut auch die kleinsten Fakten eines Falles merken“, sagt eine Staatsanwältin aus Chicago, die Rotunno vor Gericht erlebt hat.

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Zum anderen zeichnet sie sich auch durch ihre erbarmungslose Härte aus. In einem Fall in Chicago ging sie ein Vergewaltigungsopfer beim Kreuzverhör so heftig an, dass die Frau emotional zusammenbrach. Hinterher ließ sie ihr ausrichten, dass sie nur ihren Job erledigt habe.

Der Angeklagte wurde frei gesprochen, man fand später den wahren Täter. So ist Rotunno die unbequeme Rolle der prominenten weiblichen #MeToo-Gegnerin gewohnt. Und es schreckt sie nicht ab, dass sie nun an der Seite des wohl unbeliebtesten Mannes der USA steht.

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