Tamina Kallert im Interview„Auf meiner Herzensreise flossen die Tränen“

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Tamina Kallert

Tamina Kallert

  • Reporterin Tamina Kallert reist seit 2004 für das WDR-Magazin „Wunderschön“.
  • Die Auswirkungen der Corona-Krise haben auch Kallert getroffen. Im Interview spricht sie über Existenzängste und Beschäftigung während der Hochphase der Krise.
  • Außerdem berichtet sie von beruflichen Niederlagen und erzählt von ihrer schönsten Reise.

Frau Kallert, Sie haben uns am vergangenen  Sonntag Wangerooge näher gebracht. Prickelt ja im ersten Augenblick nicht so, wenn man weiß, wo Sie schon überall waren. Was macht den Reiz der Nordseeinsel aus? Inseln haben immer was Besonderes. Die Nordseeinseln sind sehr beliebt. Gerade in diesen unberechenbaren Zeiten ist die Sehnsucht nach Durchatmen und Kopffreikriegen groß, beides kann man auf Wangerooge wunderbar.

Corona ändert vieles. Wie war’s, als Sie merkten, dass das Virus Einfluss auf Ihr WDR-Reisemagazin  namens „Wunderschön“ nehmen kann – Haben Sie da Existenzängste ereilt?

Ja, die gab es. Am Anfang war da ein großes Fragezeichen,  keiner wusste, wie es weitergeht. Da ich von Natur aus optimistisch bin, habe ich gedacht, dass ich eine kurze Pause einlegen muss und sich dann alles wieder rüttelt. Ich fand es sogar gut, weil es mich runter bremste, ich mehr Zeit für die Familie hatte. Bis ich merkte, dass die Corona-Pause nicht vorübergehend, sondern offensichtlich sehr langanhaltend sein wird.

Was haben Sie  gemacht?

Ich bin groß ins Aufräumen eingestiegen. Das musste sein, denn unsere Familie hat ein großes Projekt durchgezogen: den Umzug in ein neues Zuhause im Schwarzwald. Jetzt leben wir in einem Mehrgenerationenhaus.

Die ganze Familie  –   hatten Sie keine Angst, dass das schiefgehen könnte?

Vor zehn Jahren hätte ich mir das vorstellen können. Jetzt ist das anders. Ich habe so etwas  oft auf meinen Reisen gesehen und finde es unglaublich sympathisch, wenn Generationen sich mischen und zusammenrücken. Wenn jede der anderen was zu geben hat, bereichert das gegenseitig.  Außerdem funktioniert mein Lebenskonzept nur, weil auch die Großeltern tatkräftig mitmischen.

 Sie reisen im Verhältnis zu uns anderen Menschen sehr viel. Was hat sie auf den Geschmack gebracht?

Das habe ich von meinen Eltern mitbekommen. Ich habe noch das »Wumms« in den Ohren, das Geräusch, wenn beim VW-Bus die Tür einrastete, als wir in den 70ern und 80ern auf Camping-Reise waren. Hund unten, Bruder und Schwester hinten, die Eltern rauchenderweise vorn. Typische Entdeckungsreisen, nichts war geplant, immer nur gucken, was noch kommt. 

Hatten Sie damals schon Traumorte?

Die kleinen Buchten am Mittelmeer. Der Bulli stand am Wasser, Papi ging schnorcheln, Mami kochte, ich habe meinem Bruder das Schwimmen beigebracht. Fernab vom Rummel, immer ganz individuell.  Wir haben uns letztes Jahr ein kleines Wohnmobil gemietet und sind nach Sardinien gereist. Da kam dieses schöne Gefühl von damals zurück, ich merkte wieder, dass  Neues erleben auch mit kleinem Gepäck geht.

Reise-Reporterin klingt nach einem der schönsten Berufe auf Erden. Wie wird man das?

Es war nicht geplant. Ich habe in Freiburg und Köln auf Lehramt studiert, gehörte  beim WDR  mit Bastian Pastewka und Rebecca Siemoneit-Barum zur  wilden „Lollo Rosso“-Truppe, habe als Reporterin Blut geleckt, machte erste Reportagen aus Mallorca und unseren Nachbarländern. Das Studium brach ich kurz vorm Ziel ab, als ich einen Ausflug nach München zu den Privaten machte – erst Pro7, dann Deutsches Sportfernsehen.

Das ging gut, bis DSF Ihre Sendung mangels Quote rauswarf ...

... was sehr einschneidend für mich war. Ich hatte mich dran gewöhnt, überall vorn dabei, gern gesehen und gemocht zu sein – dann diese Zwangspause. Im Nachhinein war sie gut für mich. Sie hat mich geerdet, mir gezeigt, dass das Leben auch anders verlaufen kann, als man es sich wünscht. Und sie hat meine Widerstandskraft geweckt. Ich verzweifelte nicht, habe mich weiterbewegt. Wenn man das macht, bewegen sich Dinge. Dann kam der WDR, der die Reisesendung „Wunderschön“ neu starten wollte – und ich war da.

Seitdem haben Sie den Fernseh-Zuschauern unzählige schöne Ecken nahegebracht. Ihre schönste Erinnerung?

Das ist schwer, nur  eine rauszupicken. Es gab viele, die mit persönlichen Glücksmomenten verbunden waren – das lag entweder  an tollen Menschen, denen ich begegnete,  oder an  großen Naturmomenten, bei denen ich mich ganz klein vor der großen Schöpfung fühle. Trotzdem ragt eine Herzensreise raus: eine Wanderung über die Alpen von Oberstdorf nach Meran.

Was war daran so schön?

Jeder Tag brachte neue Herausforderungen, tolle Glücksmomente – z. B., wenn ich nach steilem Anstieg an einem kleinen  Herrgottswinkel mein Butterbrot auspackte und übers friedliche Tal blickte. So schön. Als wir nach neun Tagen am Ziel waren, bin ich aus der Moderatoren-Rolle ins Ich gerutscht und in Tränen ausgebrochen.

Glücksmomente, bei denen Ihre Lieben fehlen. Wie hält die Familie das aus?

Zum Glück habe ich einen Mann, der mir das aus tiefstem Herzen gönnt und die Fernsehwelt kennt. Er weiß, dass das Glück im Job der Familie kein  Glück wegnimmt. Das tut gut. Wenn man eine gute Basis, ein stabiles Zuhause hat, kann man unbeschwert in die Welt ziehen und diese entdecken. 

Müssen Sie aufgrund des Jobs auf Privates verzichten?

Manchmal schon. Ich würde gern  in einem Chor mitsingen oder wieder in ein Orchester gehen, ich spiele ja Geige. Beides ist unglaublich schön, doch jede Woche was machen, geht bei meiner Lebenssituation nicht.

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