Hunderte Soldaten und ihre Anführer sollen vor den Toren Kölns geköpft worden sein: Gereon und seine Truppe wurden zu Kölner Schutzheiligen. True Crime Köln versucht herauszubekommen, was wirklich passierte.
Massenmord vor den Toren KölnsDie Geschichte des Heiligen Gereon

Auf dem Platz vor St.Gereon findet man ein Kunstwerk des Bildhauers Iskender Yediler, das den abgeschlagenen Kopf des Stadtpatron darstellen soll
Copyright: Helmut Frangenberg
Die Chronisten haben eine ziemlich genaue Vorstellung davon, wie, wann und warum Kölns Stadtpatron Gereon und seine Gefährten vor den Toren Kölns umgebracht worden sind. Sie beschreiben ein blutiges Massaker um das Jahr 304 nach Christus - eine Strafaktion römischer Heerführer, weil sich Gereon und seine Einheit nicht dazu zwingen lassen wollten, auf den Kaiser zu schwören, der sich selbst als gottgleichen Herrscher sah. Gereon, Gregorius und Hunderte Soldaten wurden so zu frühen christlichen Märtyrern und so zu himmlischen Beschützern Kölns.
Was ist dran an dieser Legende, die so wichtig für die Geschichte der Stadt und ihr Selbstverständnis wurde? Dieser Frage geht „True Crime Köln“, die Podcastreihe des Kölner Stadt-Anzeiger über wahre Kriminalfälle in Köln und in der Region, in einer vorweihnachtlichen, neuen Folge nach.
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Zu Gast im Studiogäste sind der Domkapitular Dominik Meiering, der als Innenstadtpfarrer auch für die prachtvolle Basilika zu Ehren des Heiligen Gereon zuständig ist, und der Leiter des Historischen Archivs des Erzbistums, Joachim Oepen. Im Interview streiten sie für einen mutmaßlich „wahren Kern“ der Geschichte, für die es tatsächlich keinen einzigen historischen Beleg gibt. Doch was heißt das schon, wenn eine Legende eine solche Wirkung über Jahrhunderte entfaltet und letztlich historisches Fakten schafft? Oder haben wir es mit einem groß angelegten Betrugsfall zu tun, weil sich nach der Entdeckung eines römischen Friedhofs aus den Knochen von dort Begrabenen wertvolle Reliquien machen ließen?
Die Legende wurde im Laufe der Zeit ein bisschen „angepasst“ und die Zahl der Heiligen erhöht. Gereons thebäische Legion soll 318 Mann stark gewesen sein, hinzu kommt eine maurische Kohorte mit 360 Soldaten unter der Führung von Gregorius. Sie alle sollen für ihren christlichen Glauben gestorben sein.

Das Gemälde eines unbekannten Malers aus dem 15. Jahrhundert zeigt den Heiligen Gereon (2.v.l.) vor dem Kölner Stadtpanorama neben den Heiligen Christopherus (l.) und Petrus (r.) sowie Anna und Maria
Copyright: Wallraf-Richartz-Museum/Repro: Helmut Frangenberg
Wer hier nur Geschäftemacherei vermutet, verkennt die Bedeutung solcher Reliquien für das mittelalterliche Köln. Zum einen halfen sie der Vermarktung als „heilige Stadt“, zum anderen glaubten die Menschen jedoch auch fest an die Wirkkraft der Reliquien. Sie waren eine Art Versicherungspolice: Je mehr man davon hatte, desto größer war der Schutz für Seuchen und kriegerischen Angriffen. Da waren hunderte Soldatenheilige natürlich etwas ganz Besonderes. Man kann sich vorstellen, wie groß der Schock war, als es den Wikingern doch gelang, im 9. Jahrhundert in die Stadt einzufallen. Man zog daraus den Schluss, dass der Schutz nicht ausreichend war. Da traf es sich gut, bei der Erweiterung der Stadtmauer in der Nähe des alten Doms auf einen weiteren Friedhof gestoßen zu sein: Die Soldatenheiligen bekamen die Unterstützung der elftausend Jungfrauen der Heiligen Ursula. Es sollte fast 1000 Jahre dauern, bis wieder eine fremde Macht die Stadtmauern überwand. Und diese kam ohne blutige Schlachten in die Stadt. Köln hatte sich 1794 kampflos den französischen Revolutionstruppen ergeben.
Die Legende der heiligen Gereon und Gregorius wirkte weiter – nicht nur rund um St.Gereon in der Innenstadt, wo in diesem Jahr gegen den Willen der Kirche und der Mehrheit der Anwohner die Mohrenstraße umbenannt wurde, obwohl sie über Jahrhunderte zu Ehren Schutzheiligen aus dem afrikanischen Mauretanien diesen Namen trug. Dominik Meiering hält die Umbenennung für falsch, Joachim Oepen findet, dass mit dem neuen Namen „Gregorius Maurus Straße“ ein guter Kompromiss im Namensstreit gefunden wurde.

Mechternbrunnen in Ehrenfeld: Hier sollen Gereon und seine Soldaten geköpft worden sein
Copyright: Helmut Frangenberg
Auch in Ehrenfeld hat die Legende Spuren hinterlassen. Die Kirche St. Mechtern leitet ihren Namen vom lateinischen Ausdruck „ad martyres sanctos“. Aus dem komplizierten Namen „zu den heiligen Märtyrern“ machten die Kölner die Kurzform „Mechtern“. Neben der Kirche, gleich an der Ecke Mechternstraße/Vogelsanger Straße steht der „Mechternbrunnen“ von Rudolf Schwarz aus den 1950er Jahren. Hier soll der Massenmord, von dem die Legende berichtet, stattgefunden haben.

True Crime
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Die aktuelle Folge von „True Crime Köln“ findet man auf den Internetseiten des „Kölner Stadt-Anzeiger“ und überall dort, wo man Podcasts streamen kann.

