AtomruineRussen sollen radioaktives Material aus Tschernobyl gestohlen haben

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Die „New Safe Confinement“ genannte Schutzhülle über Reaktorblock 4 in Tschernobyl (Archivbild)

Kiew – Russische Soldaten haben nach ukrainischen Angaben während der Besetzung der Atomruine Tschernobyl radioaktive Substanzen aus Forschungslaboren gestohlen. 133 hoch radioaktive Substanzen seien entwendet worden, teilte die für die Verwaltung der Sperrzone rund um das Akw zuständige Behörde am Sonntag mit. Selbst ein kleiner Teil der Substanzen sei tödlich, „wenn er unprofessionell gehandhabt wird“.  Unabhängig prüfen lassen sich diese Informationen derzeit nicht. 

Die russischen Streitkräfte hatten am 24. Februar, dem ersten Tag ihres Angriffs auf die Ukraine, die Kontrolle über die Atomruine übernommen. Ende März zogen sie sich schließlich von dem Gelände zurück. Nach Angaben des ukrainischen Energieministers German Galuschtschenko setzten sich die russischen Soldaten während der Besetzung von Tschernobyl einer „schockierenden“ Menge an radioaktiver Strahlung aus. Manche von ihnen hätten vielleicht nur noch weniger als ein Jahr zu leben, schrieb der Minister am Freitag nach einem Besuch in dem Sperrgebiet auf Facebook.

„Jeder wird ein Stück Tschernobyl mit nach Hause nehmen“

„Sie gruben in radioaktiv verseuchtem Boden, sammelten radioaktiven Sand in Säcken zur Befestigung von Stellungen und atmeten diesen Staub ein“, erklärte Galuschtschenko. „Jeder russische Soldat wird ein Stück Tschernobyl mit nach Hause nehmen. Tot oder lebendig.“ Auch die russische Militärausrüstung sei kontaminiert. „Die Ignoranz der russischen Soldaten ist schockierend.“

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Ein ukrainischer Soldat an einem russischen Schützenpanzer in der Nähe von Tschernobyl (Archivbild)

Bevor die russischen Truppen die Sperrzone verließen, sollen sie zudem 170 ukrainische Kraftwerksmitarbeiter für fast einen Monat unter widrigen Bedingungen gefangen genommen haben. Wie CNN-Korrespondent Frederik Pleitgen auf Twitter berichtet, wurden die Gefangenen in den Bombenschutzraum der Anlage gesperrt. „Ohne Tageslicht, mit schlechter Luft und ohne Kommunikation“, beschrieb Pleitgen die Umstände.

Die Gefangenen seien beim Abzug der russischen Truppen jedoch nicht freigelassen, sondern nach Russland verschleppt worden, erklärte Pleitgen und bezog sich dabei auf Angaben des ukrainischen Innenministeriums. Wo sich die Kraftwerksmitarbeiter nun aufhalten, sei weiterhin unklar.

Soldaten gruben Schützengräben im "Roten Wald"

Dass russische Soldaten vermutlich hohen Strahlendosen ausgesetzt gewesen waren, berichtet unterdessen auch der CNN-Korrespondent. In den Unterkünften, die die russischen Truppen genutzt hätten, sei eine erhöhte Strahlendosis nachweisbar gewesen. Vermutlich hätten russische Truppen radioaktiven Staub aus kontaminierten Gebieten mit ihren Schuhen in die Anlage getragen.

Auch an zurückgelassenen Nahrungsmittelverpackungen der russischen Armee in der Nähe eines besonders stark kontaminierten Waldstücks konnte Pleitgen erhöhte Strahlenwerte nachweisen. Russische Truppen gruben offenbar in der als „Roter Wald“ bekannten Sperrzone demnach sogar Schützengräben.

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Im Atomkraftwerk Tschernobyl hatte sich 1986 das schlimmste Atomunglück der Geschichte ereignet. Das Kraftwerk ist seither stillgelegt, ein riesiger Schutzmantel, das sogenannte „New Safe Confinement“, soll den Austritt von Radioaktivität verhindern. (das/afp) 

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