Friedrich Merz steht unter Druck. Die Koalition muss vor Jahresende noch einiges liefern. Sonst sieht 2026 richtig düster aus.
BundeskanzlerMerz hat Recht – aber die Weltlage ist keine Ausrede

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) steht unter Druck: Bis zum Jahresende muss seine Koalition noch einiges abliefern.
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Friedrich Merz versucht den innenpolitischen Befreiungsschlag als Außenkanzler. In seiner Regierungserklärung im Bundestag gibt sich der Bundeskanzler staatsmännisch, kommt zwischen der Innenpolitik wieder und wieder auf die aktuellen geopolitischen Herausforderungen zurück. Er spricht von „historischen Zeiten“ und „deutscher Führungsverantwortung für einen Frieden in Freiheit in Europa“.
Merz‘ Rede ist rhetorisch runtergedimmt. Mit dem Job als Kanzler geht ein anderer Sound einher als jener, für den der Oppositionsführer bekannt war. Aber die Botschaft ist klar: Es ist der unausgesprochene Appell an die eigenen Reihen, sich nicht in kleinteiligen Auseinandersetzungen zu verlieren, nicht die Stabilität der Koalition aufs Spiel zu setzen und sich auf die eigene Verantwortung für das Land und Europa zu besinnen.
Kanzler muss sich um Innenpolitik kümmern
Beim Arbeitgebertag am Tag zuvor formulierte Merz noch etwas pointierter. Er beschrieb dort die „brutale Wirklichkeit“ mit einem Krieg in Europa, autoritären Systemen auf der Welt, Zollkonflikten des US-Präsidenten und einem aggressiven China und mahnte mit Blick auf den Rentenstreit: „Wenn wir uns in dieser Welt behaupten wollen, dann geht es in diesen Tagen und Wochen und Monaten um mehr als nur um 48 Prozent Haltelinie.“
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Ja, Merz hat Recht: Die außenpolitischen Herausforderungen sind gewaltig und lassen manche innenpolitische Diskussion nachrangig erscheinen. Und ja, der Kanzler hätte jeden Tag genug zu tun, wenn er sich ausschließlich damit beschäftigen würde, wie Europa mit den Präsidenten der USA, Russlands und Chinas fertig wird. Doch der Kanzler muss sich auch um die Innenpolitik kümmern. Das tut er auch. Aber: Es wird kaum gelingen, unbequeme innenpolitische Debatten mit dem Verweis auf die herausfordernde Weltlage zu beenden. Das hat Merz bereits bei der turbulenten Tagung der Jungen Union versucht – vergeblich. Der Rentenstreit geht nicht einfach so weg.
Er muss das Problem lösen, und andere Schwierigkeiten gleich mit. Und zwar schnell. In dreieinhalb Wochen verabschiedet sich das Parlament in den Weihnachtsurlaub. Nach dieser Haushaltswoche stehen noch zwei Sitzungswochen an, um offene Vorhaben zu beschließen. Der Bundesrat tagt ein letztes Mal am 19. Dezember. Es gibt nur noch wenige Kabinettssitzungen, um Dinge auf den Weg zu bringen. Und es sind noch zwei Koalitionsausschüsse vereinbart, einer davon an diesem Donnerstag, um zu anderen Themen eine Einigung zu erreichen.
Rentenstreit ist festgefahren
Der Rentenstreit ist festgefahren, eine Lösung nicht in Sicht. Merz’ Ziel, das Rentenpaket noch Mitte Dezember im Bundestag zu beschließen, ist sportlich. Der Wehrdienst muss auch noch durch das Parlament, die Bürgergeldreform noch durch das Kabinett. Zum Verbrenner-Aus und der Zukunft des Heizungsgesetzes müssen sich die Koalitionäre ebenfalls noch einigen. Und so weiter. Ein schlichtes „Es gibt wichtigere Themen auf der Welt“ vom Kanzler löst all das nicht.
Sollte die Koalition vor Weihnachten nicht noch einiges abliefern, auch und gerade bei der Rente, dann geht sie geschwächt in ein Landtagswahljahr, das Schwarz-Rot erst recht auf die Probe stellen wird – und dem Bündnis den Rest geben könnte.
Die Koalition ist schon jetzt im Krisenmodus, dabei wird 2026 die eigentliche Herausforderung. Insbesondere die Wahlen in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern im September könnten sowohl die Union als auch die SPD in eine Sinn- oder Existenzkrise stürzen, falls die AfD an ihnen so klar vorbeiziehen sollte, wie es derzeit in Umfragen geschieht. Damit die Koalition dem Druck von rechts standhält, bräuchte sie eine stabile Grundlage, die sie in gut sechs Monaten noch nicht recht gefunden hat. Auch da ist Führungsverantwortung nötig.

