Corona-SkeptikerDer rätselhafte Tod von Tansanias Präsident Magufuli

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Magufuli Pombe afp

John Pombe Magufuli

Daressalam – Tansania war in den vergangenen Monaten so etwas wie eine globale Insel der Corona-Skeptiker. Während die Welt im Corona-Lockdown saß, machten Touristen auf Sansibar munter Urlaub oder liefen Marathonrennen am Kilimandscharo; Masken zierten nur die Gesichter der wenigsten Menschen auf den Straßen.

Verantwortlich dafür war Präsident John Magufuli: Lange dementierte der Corona-Skeptiker die Existenz des Virus in Tansania. Aus dem ostafrikanischen Land wurden seit Mai keine Infektionszahlen mehr bekanntgegeben. Nach tagelangen Spekulationen über sein mysteriöses Verschwinden aus der Öffentlichkeit wurde am Mittwoch sein Tod bekanntgegeben. Ist er Karma zum Opfer gefallen und selbst an Covid-19 gestorben? Düstere Realsatire aus Ostafrika?

John Magufuli soll an Herzversagen gestorben sein

„Es ist eine poetische Gerechtigkeit“, meinte der im belgischen Exil lebende Oppositionsführer Tundu Lissu. „Präsident Magufuli trotzte der Welt im Kampf gegen Corona, (...) er trotzte der Wissenschaft“, sagte er Kenias TV-Sender KTN am Donnerstag. Lissu ist überzeugt, dass Magufuli an Covid-19 starb. Doch die offizielle Erklärung lautet Herzversagen. Der Staatschef habe schon lange an einer Herzerkrankung gelitten, sagte Vizepräsidentin Samia Suluhu Hassan, die nun per Verfassung das höchste Amt im Land übernehmen soll.

Magufulis Tod spiegelt sein Leben: Er polarisierte. Seit seinem Amtsantritt 2015 wurde der populistische Präsident in dem ostafrikanischen Land mit seinen rund 58 Millionen Einwohnern verhasst sowie verehrt. Wegen seines kompromisslosen Führungsstil der „Bulldozer“ genannt, galt er für seine Befürworter als starker Staatsmann, der die Entwicklung des Landes vorantrieb, die Infrastruktur verbesserte und Interessen Tansanias mit Selbstbewusstsein vertrat. Auch im Ausland wurde Tansania als stabiles, sicheres Land mit stetigem Wirtschaftswachstum gesehen.

Autokratischer Herrscher, der Menschenrechte mit den Füßen trat

So sangen einige afrikanische Staatschefs Lobeshymnen auf Magufuli. „Afrika und die Welt hat tatsächlich einen erhabenen Anführer verloren, dessen Vision, Passion und unglaubliche Führung die Nation von Tansania nach vorne getrieben hat“, sagte Kenias Präsident Uhuru Kenyatta. Ugandas Präsident Yoweri Museveni nannte Magufuli einen „pragmatischen Anführer, der an die wirtschaftliche Ermächtigung der Menschen Ostafrikas glaubte und dafür arbeitete“.

Doch Kritiker sehen in dem 1959 im westlichen Chato-Distrikt geborenen Magufuli einen autokratischen Herrscher, der zunehmend Menschenrechte mit den Füßen trat. Unter Magufuli wurden Presse- und Meinungsfreiheit eingeschränkt und die Arbeit von Oppositionellen und NGOs erschwert. „Er war einer der bösartigsten Diktatoren, die diese Region je gesehen hat“, sagte Lissu.

Statt Kirchen zu schließen, setzte Magufuli auf die Kraft des Gebets

In die Geschichtsbücher eingehen dürfte aber vor allem sein Umgang mit der Corona-Pandemie. Lange gab es aus seiner Sicht in Tansania kein Corona - er sprach stattdessen von einer Lungenkrankheit oder Atembeschwerden. Er stellte die Glaubwürdigkeit von Corona-Tests infrage und warnte vor den Impfstoffen. Der promovierte Chemiker empfahl Dampfbäder und Gesundheitsdrinks. Statt Kirchen zu schließen, setzte er auf die Kraft des Gebets. „Es macht keinen Sinn, Kirchen oder Moscheen zu schließen, denn das sind die einzigen Orte, an denen wir Gott um Vergebung bitten können“, sagte er einst. Und wer eine andere Meinung zum Coronavirus hatte, dem drohten harte Strafen.

Die Gesundheitsorgane der Welt schienen machtlos. „Wenn die politische Führung eine Krankheit nicht anerkennt, wird das sehr, sehr schwer“, äußerte sich am Donnerstag der Chef der panafrikanischen Gesundheitsbehörde Africa CDC, John Nkengasong, vorsichtig.

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Sollte Magufuli tatsächlich an Covid-19 gestorben sein, wird das die Weltöffentlichkeit womöglich nie erfahren. Doch sein Tod bietet Tansania eine Chance, eine Kehrtwende zu machen. Sollte die künftige Präsidentin Samia Suluhu Hassan dem Weg Magufulis folgen, „kommt sie in eine Sackgasse“, sagte Lissu. „Die rationale Wahl für sie ist es (...), einen neuen Weg für das Land einzuschlagen.“ (dpa) 

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