Donald Trumps früherer Sicherheitsberater steht wegen Geheimnisverrats vor Gericht – und spricht von einem politischen Rachefeldzug.
Der Preis der Trump-KritikEx-Sicherheitsberater Bolton droht lange Gefängnisstrafe

Ein Team, in dem es vom ersten Tag an Spannungen gab: Sicherheitsberater John Bolton (r.) und US-Präsident Donald Trump im Jahr 2018 im Weißen Haus. Evan Vucci
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Der Präsident gab sich überrascht. „Ich wusste davon nichts“, antwortete er demonstrativ teilnahmslos auf die Frage einer Journalistin nach der kurz zuvor bekanntgewordenen Anklage gegen seinen Ex-Sicherheitsberater John Bolton: „Ich höre das zum ersten Mal von ihnen.“ Doch einen Kommentar konnte sich Donald Trump dann doch nicht verkneifen: „Er ist ein übler Kerl. So ist das Leben.“
Tatsächlich hat Trump den einstigen engen Vertrauten seit langem im Visier. Er werde „einen hohen Preis dafür bezahlen“, hatte er dem Mann mit dem Walrossbart schon im Juli 2020 gedroht, nachdem dieser ein äußerst kritisches Buch veröffentlicht hatte. In den vergangenen Wochen hat Trump seine Justizministerin Pam Bondi und seinen FBI-Chef Kash Patel mehrfach aufgefordert, aggressiver gegen seine politischen Gegner vorzugehen.
Einer der schärfsten Kritiker des Präsidenten
Nach dem Rauswurf aus der ersten Trump-Regierung im September 2019 ist Bolton - eigentlich ein außenpolitischer rechter Hardliner - zu einem der schärfsten Kritiker des Präsidenten mutiert. Die nun erhobene Anklage wegen der unrechtmäßigen Weitergabe und Aufbewahrung sensibler Informationen zur nationalen Verteidigung markiert den bisherigen Höhepunkt von Trumps Rachefeldzug gegen seine persönlichen Feinde. Erst vor drei Wochen war Ex-FBI-Direktor James Comey wegen einer angeblich falschen Zeugenaussage angeklagt worden. In der vergangenen Woche folgte eine Anklage gegen die New Yorker Generalstaatsanwältin Letitia James wegen Bankbetrugs.

John Bolton ist einer der schärfsten Kritiker Trumps. (Archivbild)
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Die Bundespolizei FBI hatte im Morgengrauen eines Augusttages überraschend das Haus von Bolton im Washingtoner Vorort Bethesda durchsucht und kistenweise Material herausgetragen. Die Anklage wirft dem 76-Jährigen nun Gesetzesverstöße in 18 Fällen vor. So sollen die Ermittlungen ergeben haben, dass Bolton während seiner Zeit als Nationaler Sicherheitsberater insgesamt 1000 Seiten tagebuchähnliche Notizen über seine Tätigkeit verfasst und über zwei private E-Mail-Konten und eine nicht offizielle Messenger-App an zwei Familienangehörige übermittelt haben.
Brisante Notizen in privaten E-Mails
Der Vorgang ist brisant, da die Unterlagen angeblich streng geheime Informationen zu künftigen Angriffen, ausländischen Gegnern und außenpolitischen Beziehungen der USA enthielten. Der damalige Sicherheitsberater soll in seinen Notizen sogar Formulierungen wie: „Der Informant des Geheimdienstes sagte...“ und „Während ich im Situation Room war, erfuhr ich...“ verwendet haben. Das Material für seine 2020 erschienene Autobiografie verschickte er angeblich über dafür nicht freigegebene Kanäle. Die Empfänger, die ihm beim Abfassen des Buches halfen, besaßen keine Sicherheitsfreigabe.

John Bolton war Sicherheitsberater für Donald Trump und hat auch ein Buch über die Zeit geschrieben. (Archivbild)
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Erschwerend könnte hinzukommen, dass eines von Boltons privaten E-Mail-Konten im Juli 2021 gehackt wurde. Dahinter soll ein Täter mit Verbindungen zum Iran stehen, gegen den Bolton stets einen extrem harten Kurs bis hin zum Regimewechsel gefordert hatte. Der Hacker soll sich an Bolton gewandt und diesem mit der Weitergabe der Unterlagen an das FBI gedroht haben.
Anders als bei Comey und James, deren erkennbar politisch motivierte Anklageschriften nach Experten-Einschätzung juristisch auf extrem dünnem Eis stehen, gelten die Vorwürfe gegen Bolton als schwerwiegend. Sollte der frühere Sicherheitsberater von einem Geschworenengericht verurteilt werden, könnte er für den Rest seines Lebens ins Gefängnis wandern. Jeder der 18 Anklagepunkte sieht eine Haftstrafe von maximal zehn Jahren vor.
Das Justizministerium als Waffe
Bolton, der am Freitag vor Gericht erschien und sich den Behörden stellte, bestreitet jegliches Fehlverhalten im Umgang mit Regierungsunterlagen. „Ich bin nur das neueste Ziel in dem Versuch, das Justizministerium als Waffe einzusetzen - gegen Menschen, die er als Feinde sieht“, sagte der Ex-Sicherheitsberater. Auch sein Anwalt Abbe Lowell kritisierte die Anklage scharf: „Es geht hier um persönliche Tagebuchnotizen aus Boltons 45-jähriger Laufbahn, die nicht als geheim eingestuft und nur im engsten Familienkreis geteilt wurden. Tagebücher zu führen, ist kein Verbrechen.“

Donald Trump im Jahr 2018 – daneben sein damaliger Sicherheitsberater John Bolton. (Archivbild)
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Zur bitteren Ironie des Falls gehört, dass Donald Trump bis vor Kurzem wohl ganz ähnlich argumentiert hätte. Er war nach seiner ersten Amtszeit nämlich wegen des unsachgemäßen Umgangs mit geheimen Dokumenten angeklagt worden. Nachdem sich der Ex-Präsident geweigert hatte, die Unterlagen herauszugeben, durchsuchte das FBI im August 2022 dessen private Residenz Mar-a-Lago und fand dort - unter anderem auf einer für Gäste zugänglichen Toilette - kistenweise vertrauliches und geheimes Material aus dem Weißen Haus. Trump wurde angeklagt. Doch eine von ihm ernannte Richterin stellte im Juli des vergangenen Jahrs das Verfahren ein.
Auf derartige Gefälligkeiten kann Bolton kaum zählen. Der Ausgang des Verfahrens ist offen. Das konservative „Wall Street Journal“ bringt die Misere des von Trump politisierten amerikanischen Justizsystems auf den Punkt: „Hätte Bolton Trump in seinem Buch gelobt, wäre er mit Sicherheit nicht angeklagt worden.“