Das Bundeskabinett will das Rentenniveau bei 48 Prozent festschreiben. Die Interessen junger Beitragszahler spielen dabei keine Rolle. Für andere Politikfelder gilt dies leider ebenso.
Keine LobbyDie junge Generation kommt bei der Rentenreform gnadenlos unter die Räder


Jugendliche treffen sich auf dem Tempelhofer Feld in Berlin.
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Wenn sich das Bundeskabinett am Mittwoch mit der Rentenpolitik befasst, dann steht ein Verlierer längst fest: die jungen Menschen. Nein, es ist im Prinzip nichts Falsches daran, das Rentenniveau bei 48 Prozent des Durchschnittseinkommens zu stabilisieren. Das gilt vor allem für Ostdeutschland, wo die meisten Rentner nur von der gesetzlichen Rente leben, weil die Vermögen im Osten deutlich kleiner sind als im Westen und es Einkünfte aus Betriebsrenten und privater Vorsorge kaum gibt.
Es ist nicht minder legitim, die Mütterrente auszuweiten und dabei die Erziehungsleistung von Müttern beziehungsweise Vätern von Kindern einzubeziehen, die vor 1992 geboren wurden.
Nicht legitim ist es allerdings, die finanziellen Folgen dieser Politik der jüngeren Generation aufzubürden. Die nämlich guckt – egal, ob in Ost oder West – auf nahezu allen Politikfeldern bitter in die Röhre.
Achselzuckende Naturzerstörung
Das hat mit der objektiven Entwicklung zu tun. Der fortschreitende Klimawandel muss Boomer aus dem Jahrgang 1964 nicht mehr so arg interessieren. Sie hatten in der Regel ein schönes Leben – und haben voraussichtlich noch einen angenehmen Ruhestand. Die vom Jahrgang 1994 müssen hingegen mit Bangen in die Zukunft blicken. Nach der weithin achselzuckend zur Kenntnis genommenen Zerstörung vieler Tierarten und Pflanzen – sprich: der Natur – durch die Gattung Mensch gerät diese nun selbst ins Visier der Erderhitzung.
Überdies schreiten die Kriege voran. Gut möglich, dass die Bundesregierung angesichts der Bedrohung alsbald die Wehrpflicht wieder einsetzen muss, weil sich nicht genügend Freiwillige finden, um die Truppe zu verstärken. Die Jungen müssten dann ein alterndes Land verteidigen.
Die 64er sind fein raus, die 94er nicht
Schließlich ist da die galoppierende Staatsverschuldung – die nicht zuletzt deshalb galoppiert, weil der Staat immer mehr Geld aufwenden muss, um die Rentenkassen zu füllen. Es sei denn, er würde die Lebensarbeitszeit weiter verlängern. Auch das träfe die 94er. Die 64er träfe es nicht.
Manche Ungerechtigkeit ließe sich ausgleichen, wenn die Belange von Minderheiten bei einschlägigen Debatten zumindest zur Kenntnis genommen würden. Der Vorschlag des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, dass gut gestellte Ruheständler einen sogenannten Boomer-Soli für Menschen mit geringer Rente entrichten sollen, geht in diese Richtung.
Die Regel ist jedoch, dass Gerechtigkeitsfragen aus der Perspektive meist privilegierter Mehrheiten und motiviert durch die Interessen von Parteien bis zur nächsten Wahl beantwortet werden. Da kommt eine Gruppe, die lediglich zehn Prozent der Gesamtbevölkerung stellt, gnadenlos unter die Räder.
Wie es für 94er im Jahr 2033 aussieht, ist vor 2029 wurscht. Für diese Republik, die ohnehin unter wachsender Polarisierung und Instabilität leidet, ist das eine zusätzliche Hypothek.