Sozialministerin Bärbel Bas bringt am Mittwoch ihr Rentengesetz ins Kabinett ein. Das heutige Rentenniveau von 48 Prozent soll bis 2031 festgeschrieben werden. Auch die Mütterrente soll ausgeweitet werden. Beides ist bei Nachwuchspolitikern umstritten.
Junge Politiker zu Renten„Mütterrente mag gerecht erscheinen, ist aber systemisch rückwärtsgewandt“

Das Rentenniveau soll bis 2031 festgeschrieben werden und die Mütterrente ausgeweitet.
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Zur Mitte dieser politisch ereignisarmen Woche treffen zwei Nachrichten aufeinander, die es in sich haben. Da ist zum einen die Tatsache, dass das Bundeskabinett am Mittwoch ihre ersten rentenpolitischen Vorhaben auf den Weg bringen will. So soll das Rentenniveau bis 2031 bei 48 Prozent des Durchschnittseinkommens festgesetzt werden.
Ferner will Schwarz-Rot die Mütterrente ausweiten. Auch für Kinder, die vor 1992 geboren wurden, soll die Erziehungsleistung von Müttern beziehungsweise Vätern im vollen Umfang von drei Jahren anerkannt werden. Die Kosten liegen bei zunächst zehn Milliarden Euro jährlich - Tendenz anschließend deutlich steigend.
Da ist zum anderen die Mitteilung des Statistischen Bundesamtes vom Dienstag. Zum Ende des Jahres 2024 waren demnach lediglich rund 8,3 Millionen Menschen zwischen 15 und 24 Jahre alt. Das entspricht einem Anteil von zehn Prozent und ist ein historischer Tiefstand. 1983 waren auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik rund 13,1 Millionen Menschen (16,7 Prozent) 15 bis 24 Jahre alt. Das war Rekord. Sie gehen jetzt sukzessive in den Ruhestand.
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Immer weniger junge Menschen müssen Renten erwirtschaften
Die Folgen sind klar: Immer weniger junge Menschen müssen die Renten von immer mehr alten Menschen erwirtschaften. Zugleich verlieren diese jungen Menschen bei Wahlen an Einfluss. Das Grundproblem schlägt sich in den Reaktionen deutlich nieder.
Die Vorstandsvorsitzende der Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen, Luise Roither, sagte dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND): „Mit der Verlängerung der Rentenniveau-Garantie bis 2031 wird ein Signal der Stabilität gesetzt – jedoch zu einem hohen Preis: Die Finanzierung bleibt ungeklärt, während bereits heute Fachkräftemangel, überbordende Sondervermögen und steigende Beitragssätze die jungen Generationen belasten.“ Sie fuhr fort: „Auch die geplante Ausweitung der Mütterrente mag im Einzelfall gerecht erscheinen, ist aber systemisch rückwärtsgewandt, da sie Leistungen für Geburten vor 1992 erhöht, ohne einen Beitrag zur langfristigen Nachhaltigkeit des Systems zu leisten.“
Gegensätzliche Rezepte
Roither betont: „Wir möchten, dass es den Rentnerinnen und Rentnern – auch den Babyboomern, also unseren Eltern – gut geht. Aber Generationengerechtigkeit bedeutet, dass man auch an diejenigen denkt, die die Rechnung bezahlen: die Jungen von heute und morgen.“ Die Stiftung fordere deshalb unter anderem die Einbeziehung von Abgeordneten und Beamten in eine Erwerbstätigenversicherung und die Abschaffung der abschlagsfreien Rente für langjährig Versicherte, die so genannte Rente ab 63. Auch solle es eine generationengerechte Gesetzesfolgenabschätzung geben, bevor neue Leistungen wie die Mütterrente beschlossen würden.
Der Vorsitzende der Jungen Union, Johannes Winkel, warnte: „Die Bundesregierung muss die Augen für die demographische Realität dieses Landes öffnen. Ab den 2030er-Jahren wird der Staatshaushalt angesichts der in Rente gehenden Boomer-Jahrgänge vor einer überwältigenden Situation stehen. Daher geht es in diesem Herbst nicht nur um die Haushalte für 2025 und 2026, sondern um die Frage, ob der jungen Generation in 10 Jahren zwischen Rentenzuschüssen und Zinslasten überhaupt noch Spielräume für eigene Investitionen zur Verfügung stehen.“
Junge Union stützt Reiche
Winkel gab dabei Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) ausdrücklich recht: „Wir müssen länger arbeiten und vor allem die Frühverrentungssysteme beenden. Schwarz-Rot braucht den Mut der Agenda 2010.“ Mit der Agenda 2010 hatte der SPD-Kanzler der rot-grünen Koalition, Gerhard Schröder, den Sozialstaat reformiert.
Juso-Chef Philipp Türmer sagte hingegen: „Die durchschnittliche Rente liegt aktuell nur etwa 200 Euro oberhalb der Armutsgrenze. Für die junge Generation ist daher vor allem entscheidend, dass die dauernden Angriffe der Union auf die gesetzliche Rente abgewehrt werden. Eine Erhöhung des Renteneintrittsalters kommt dabei einer Rentenkürzung gleich.“ Nötig seien stattdessen höhere Löhne und die Einbeziehung aller Berufsgruppen - also auch von Beamten, Bundestagsabgeordneten und Selbstständigen - in die gesetzliche Rente. „Außerdem benötigen wir mehr Umverteilung im System, und hohe Kapitalerträge müssen endlich einen Beitrag zur Sicherung der Altersvorsorge leisten“, so Türmer. „Es geht nicht, dass sie weiterhin nur pauschal mit 25 Prozent versteuert werden.“
Die Sprecherin der Grünen Jugend, Jette Nietzard, beklagte: „Weil sich niemand an eine echte Rentenreform traut, werden die Interessen der Großeltern gegen die ihrer Enkel ausgespielt. Die Kosten des demographischen Wandels müssen aber nicht nur nach Alter, sondern nach Vermögen und Leistungsfähigkeit verteilt werden. Unsere Rentenpolitik ist kein Generationen- sondern ein Verteilungskonflikt.“ Die Rentenlücke müsse mit den privaten Milliardenvermögen in diesem Land geschlossen werden, so Nietzard. Geld sei ja genug vorhanden.
Immerhin: Das Rentenpaket ist keineswegs beschlossene Sache. Es muss nach dem Kabinett erst noch durch den Bundestag, bevor es Gesetz wird. Da sind Korrekturen weiter möglich.