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Verfassungsschutz überprüft NGOsLinke: „Regime der Ausspähung“

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Das Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln. (Archivbild).

Das Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln. (Archivbild).

Der Inlandsgeheimdienst überprüft Tausende NGOs und Einzelpersonen, die staatliche Fördergelder beantragen. Die Linke kritisiert ein „Regime der Ausspähung“.

Der Verfassungsschutz hat in den vergangenen vier Jahren im Auftrag der Bundesregierung mehr als 2500 Nichtregierungsorganisationen und Einzelpersonen überprüft, die öffentliche Fördermittel beantragt haben. Das geht aus der Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion hervor, die dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) vorliegt. Demnach wurden in den Jahren 2020 bis 2024 insgesamt 1250 NGOs und 1296 Einzelpersonen nach dem sogenannten „Haber-Verfahren“ überprüft.

Das Bundeskanzleramt, Ministerien und Bundesbehörden wie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) können nach diesem Verfahren Anfragen an das Bundesamt für Verfassungsschutz richten und erfragen, ob „verfassungsschutzrelevante Erkenntnisse“ über Personen oder Organisationen vorliegen, die Fördergelder beantragt haben.

Konkreter Verdacht nicht notwendig

Einen konkreten Verdacht braucht es dafür nicht, die Personen oder Organisationen werden auch nicht darüber informiert, dass sie vom Geheimdienst überprüft wurden. In 210 Fällen meldete der Verfassungsschutz den Angaben des Innenministeriums zufolge entsprechende Erkenntnisse. In diesen Fällen empfiehlt das Bundesinnenministerium, eine Förderung abzulehnen.

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Dieses Verfahren gibt es in Grundzügen seit dem Jahr 2004, wie viele Abfragen es seitdem insgesamt gab, ist nicht bekannt. Aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Linken-Anfrage im Jahr 2018 ging jedoch hervor, dass zwischen 2004 und 2018 rund 50 Antragssteller aus dem Förderprogramm „Demokratie Leben“ überprüft wurden.

In den Jahren 2018 und 2019 wurden nach Angaben der Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine weitere parlamentarische Anfrage insgesamt rund 330 Verfassungsschutzüberprüfungen für mehrere Ministerien und Behörden durchgeführt.

Linken-Politikerin kritisiert Verfassungsschutzüberprüfungen

Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Clara Bünger, kritisierte die Zunahme solcher Überprüfungen. „Das Bundesinnenministerium und der sogenannte Verfassungsschutz haben gegenüber der Zivilgesellschaft in den letzten Jahren eine Verdachtskultur und ein Regime der geheimdienstlichen Ausspähung etabliert“, sagte sie dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Von der Merz-Union ist bekannt, dass sie Initiativen, die sich gegen den Rechtsruck, für die Rechte von Geflüchteten und queeren Menschen einsetzen, misstrauisch bis feindlich gegenübersteht“, sagte Bünger.

Die Anfrage mache deutlich, dass das Problem weiterreiche als bisher angenommen. „Auch die Vorgängerregierungen begegneten der Zivilgesellschaft demnach bereits mit großem Misstrauen.“ Das Vorgehen war schon 2019 auch vom damaligen Bundesdatenschutzbeauftragten Ulrich Kelber kritisiert worden, der eine klare Rechtsgrundlage monierte.

Die Zahl der Überprüfungen dürfte in diesem Jahr noch deutlicher ansteigen: Bundesfamilienministerin Karin Prien (CDU) teilte den Mitgliedern der Unionsfraktion im Bundestag im August mit, dass sie eine „breit angelegte Verfassungsschutzprüfung im sogenannten ‚Haber-Verfahren‘“ für die Tausenden von ihrem Ministerium geförderten Demokratieförderprojekte eingeleitet habe.

Teile von CDU und CSU haben sich in den vergangenen Monaten für eine massive Einschränkung der staatlichen Förderung für NGOs und deren stärkere Überprüfung ausgesprochen. (RND)