Neun Digital-Angebote werden bei der Verleihung im Essener Colosseum ausgezeichnet. Grimme-Chefin verspricht Kritikern „offene Debatte“.
Medienpreis Grimme Online Awards verliehen – KI-Preisträger lehnen ab

Protest auf offener Bühne: Zwei Preisträger lehnen die Auszeichnung ab
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Acht Grimme-Online-Awards für herausragende publizistische Beiträge im Internet und ein Sonderpreis KI sind am Mittwochabend verliehen worden. Der Festakt zum 25. Grimme-Online-Award (GOA) fand erstmals im ehemaligen Colosseum-Musical-Theater in Essen statt.
Die seit Wochen umstrittene Aberkennung einer Ehrung für die junge Nahost-Aktivistin Judith Scheytt sorgte für Protest während der Preisverleihung: Zwei Preisträger, die Regisseure Moritz Riesewieck und Hans Block, nahmen den Preis am Mittwochabend bei der Gala-Veranstaltung nicht an. Die Regisseure sollten einen Sonderpreis für ihren Report „Eternalyou“ über KI-generierte Angebote zur fiktiven Kommunikation mit Verstorbenen bekommen.
Die Ehrung für Scheytt hatte nicht das Grimme-Institut, sondern der vom Institut unabhängige Förderverein „Verein der Freunde des Adolf-Grimme-Preises“ ausgesprochen. Als Kritik und Antisemitismus-Vorwürfe gegen Scheytt laut geworden waren, hatte der Förderverein die Ehrung aber wieder zurückgenommen, obwohl Teile der Jury dem widersprachen. Das sorgte in den vergangenen Wochen bereits heftige Proteste, die sich auch gegen das Grimme-Institut selbst richteten.
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„Wir hoffen auf eine reflektierte Aufarbeitung, damit wir weiter an diesen Preis glauben können. Solange wir das nicht können, stellen wir diesen Preis hier hin und hoffen, uns vielleicht irgendwann wiederzusehen und uns irgendwann wieder richtig zu freuen“, sagte Riesewick und stellte den Preis auf das Rednerpult. Dann verließen beide die Bühne.
Uzunoğlu verspricht „offene Debatte“
Grimme-Chefin Çiğdem Uzunoğlu hatte den Konflikt zu Beginn des Festaktes selbst angesprochen. Die Entscheidung des Vereins zur Aberkennung sei „formal betrachtet ein Fehler“, sagte sie. Das Institut habe auf den Vorgang keinerlei Einfluss genommen. Sie wolle nun eine offene Debatte zu dem Thema führen, versprach sie. Die Unabhängigkeit von Jurys werde bei Grimme ohne Ausnahmen respektiert. Uzunoğlu kündigte außerdem an, dass das Institut sich künftig organisatorisch vom Förderverein komplett trennen werde.
Viele Angebote zu Gesundheit und Lifestyle
Unter den weiteren ausgezeichneten Online-Angeboten befassen sich mehrere mit Themen rund um Gesundheit, Lifestyle und Ernährung. Den GOA erhielten etwa der Instagram-Kanal „Little Monsters“ (WDR) zum Trend-Thema mentale Gesundheit. Ausgezeichnet wurde auch der TikTok-Kanal „Know & Grow“ (SWR für funk). Mit aufwendig produzierten Videos würden Fitness- und Gesundheitsmythen entlarvt. Das Angebot erreiche eine Zielgruppe, an die klassische Medien kaum noch herankommen, teilte die Jury mit.
Einen weiteren Preis erhielt der Instagram-Kanal „Gynaekollege“ des in Köln lebenden Arztes und Journalisten Mertcan Usluer. Er bietet Aufklärung über den menschlichen Körper, insbesondere zum Thema „gynäkologische Gesundheit“.
Eine Auszeichnung ging an den Instagram-Kanal „Femizide stoppen“, der Morde an Frauen dokumentiert. Zwei Schulfreundinnen der im November 21 in Köln-Chorweiler zusammen mit ihrem vierjährigen Sohn durch den Kindsvater ermordeten 24-jährigen Studentin Derya hatten den Kanal gestartet - als Strategie gegen ihre Ohnmacht. „Die akribische und unermüdliche Arbeit bei der Recherche, die Auseinandersetzung mit einem gesellschaftlichen Problem und dann auch noch der Fakt, dass sie sich nicht beirren lassen vom Hass, der ihnen teilweise entgegenschlägt, all das macht diesen Kanal zu einem preiswürdigen Angebot“, betonte die Laudatorin und Juryvorsitzende Sarah Brasack, die auch stellvertretende Chefredakteurin des „Kölner Stadt-Anzeiger“ ist.
Ein weiterer Preis ging an das Social Media-Angebot „Barrierebrecher“ - einer Gruppe von Menschen mit Behinderung. Sie nutzten die Möglichkeiten des Internets „um hautnahe und aufrüttelnde Einblicke in den Alltag von Menschen mit verschiedensten Behinderungen zu geben“, lobte die Jury.
Podcast „Parlamentsrevue“ erklärt den Bundestag
In der Kategorie Information wurde der Podcast „Parlamentsrevue“ ausgezeichnet. Die Initiatorin Sabrina Gehder nehme ihre Zuhörerinnen und Zuhörer mit viel Liebe zum Detail mit in die Plenardebatten des Bundestags und schaffe es, die Parlamentsarbeit anschaulich darzustellen - alles ohne eine große Redaktion.
Einen Preis gab es schließlich für „Herbst 89 – Auf den Straßen von Leipzig“ - ein Spiel, in dem User in verschiedene historische Charaktere schlüpfen und Szenen aus der Endphase der DDR „durchspielen“ können. Ausgezeichnet wurde auch der „Erfinder“ des nicht kommerziellen Microblogging-Dienstes Mastodon, Eugen Rochko. (dpa/ksta)