Gibt im Rentenstreit der Koalition einer der Beteiligten nach? Kanzler Friedrich Merz und die SPD wollen das umstrittene Gesetz unverändert durchbringen. Dafür geben sie ein Versprechen.
KoalitionKanzler bleibt gegenüber Rentenkritikern hart

Kanzler Friedrich Merz will bei der Rente nicht nachgeben.
Copyright: Fabian Sommer/dpa
Im Rentenstreit in der Koalition hat Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) der Jungen Gruppe der Unionsfraktion bei ihren Forderungen nach Korrekturen an zentraler Stelle eine Absage erteilt. Den Worten des Kanzlers zufolge soll das Rentenniveau wie geplant gesetzlich bei 31 Prozent bis 2031 stabilisiert werden und auch ab 2032 höher liegen als ohne Gesetz, wie er auf dem Arbeitgebertag in Berlin deutlich machte.
Der Chef der Jungen Union, Johannes Winkel (CDU), hatte auf derselben Veranstaltung zuvor seine Kritik an dem geplanten Rentengesetz erneuert. Die SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil und Bärbel Bas bekräftigten hingegen ihre Ansage, dass an den Plänen nichts mehr geändert werden solle. Die Koalitionsführung will einen Koalitionsbeschluss zu dem Gesetz noch im Dezember im Bundestag erreichen, es soll ab Anfang 2026 gelten.
Das Rentenniveau beschreibt das Verhältnis der Renten zur Lohnentwicklung. Es würde ohne Gesetz in den kommenden Jahren sinken, weil immer mehr sogenannte Babyboomer in Rente gehen. Dadurch würden die Renten bei den jährlich im Sommer stattfindenden Anpassungen weniger stark steigen und den Löhnen hinterherhinken.

Junge-Union-Chef Johannes Winkel will nicht nachgeben.
Copyright: Fabian Sommer/dpa
Die 18-köpfige Junge Gruppe akzeptiert ein 48-Prozent-Niveau bis 2031 – lehnt den geplanten einen Prozentpunkt mehr in den Jahren danach wegen befürchteter Milliardenkosten aber ab. Winkel forderte vor den Arbeitgebern Kompromissfähigkeit bei der SPD. Ohne die Stimmen der Jungen Gruppe hat die Koalition keine eigene, sichere Mehrheit.
Merz: Nicht bereit, mit Alterssicherung zu spielen
Merz sagte aber, in den Koalitionsverhandlungen habe die SPD eine Stabilisierung des Rentenniveaus bis 2039 gefordert, die Union habe bis maximal 2029 gehen wollen. „Wir haben uns mit der SPD für die Jahre 2029 bis 2039 auf einen Kompromiss geeinigt, der da lautet 2031 – also zwei Jahre mehr als wir eigentlich wollten. Sieben Jahre weniger als die SPD eigentlich wollte.“
Merz verteidigte auch den umstrittenen vorgesehenen Punkt, dass das Rentenniveau auch nach 2031 höher sein soll also ohne Gesetz: „Wenn man eine Haltelinie verlängert, dann ist doch völlig klar, dass das, was dann einsetzt, nicht das ist, was wäre, wenn man früher aufgehört hätte, sondern dass das gilt, was dann gilt.“ Merz zog ein Vergleich mit einer Autofahrt: „Wenn Sie irgendwann auf ihrem Weg anhalten und dann weiterfahren, dann fahren Sie an der Stelle weiter, wo sie sind, und nicht an der Stelle, wo Sie wären, wenn Sie nicht angehalten hätten – ist doch klar.“
Heute sei für „sehr viele Menschen im Osten“ die gesetzliche Rente die einzige Absicherung. „Ich bin nicht bereit, mit dieser Altersversorgung einfach mal so ein bisschen herumzuspielen nach dem Motto: Wer bietet eigentlich weniger?“, sagte der CDU-Chef. „Wir brauchen eine gewisse Verlässlichkeit und Stabilität für die Bevölkerung und vor allem Vertrauen darin, dass wir, der Staat, ein System schaffen, in dem wir auf Dauer ein gesichertes Alterseinkommen ermöglichen.“
Merz stärkt Bas und Klingbeil den Rücken
Damit bestätigte Merz die Position von Bas und Klingbeil. Klingbeil sagte: „Ich bin sehr klar darin, dass wir dieses Gesetz jetzt beschließen sollten, wie wir es vorgelegt haben.“ Bas verwies auf die weiteren Rentenvorhaben der Koalition. Sie stehe komplett zum Gesamtpaket. „Ich erwarte am Ende natürlich auch, dass diese Verlässlichkeit und Vertragstreue eben auch für alle Beteiligten gilt.“
Wie Merz argumentierte Bas mit dem Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger. Die SPD-Chefin warf Kritikern der Stabilisierung des Rentenniveaus vor, die Debatte zerstöre solches Vertrauen. „Sie verlieren Vertrauen in die soziale Sicherheit und überhaupt in den Staat.“

SPD-Chef Lars Klingbeil bleibt bei der Rente hart.
Copyright: Fabian Sommer/dpa
Was der Unionsnachwuchs will
JU-Chef Winkel bekräftigte allerdings, dass ihm ein von Merz vorgeschlagener Entschließungsantrag in unverbindlicher Form zum aktuellen Gesetzentwurf nicht reicht, in dem den Bedenken Rechnung getragen werden soll. „Es geht am Ende des Tages darum, Verbindlichkeit zu schaffen. Erst zu sagen: Verbindlichkeit gilt nur für das Geld, aber nicht für die Reformen, ist eben schwierig.“ Sich selbst beschrieb er als standhaft: „Wenn man selbst intrinsisch motiviert und felsenfest überzeugt vom Argument ist, dann lässt sich so eine Debatte auch sehr gut führen.“
Auch die geplante erweiterte Mütterrente soll mit dem Gesetz ab 1. Januar gelten; sie war ein CSU-Anliegen.
Hilft der Blick auf die Rentenkommission?
Wie bereits Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) versuchten Merz und Bas, die Blicke verstärkt über das umstrittene Rentengesetz hinaus zu lenken. Die ebenfalls geplante Aktivrente sei der Einstieg in eine längere Lebensarbeitszeit, sagte Merz. Der Kanzler stellte darüber hinaus eine tiefgreifende Rentenreform in Aussicht, die bald auf den Weg gebracht werden solle. Dabei gehe es um die Gesamtversorgung im Alter.
Dazu sollten die private und betriebliche Säule deutlich gestärkt werden – auf Basis von Kapitaldeckung. Über so eine Kapitaldeckung wäre vor wenigen Jahren mit der SPD noch gar nicht diskutierbar gewesen – nun sei man sich über den Weg einig. An die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber richtete der Kanzler den Aufruf, attraktive Angebote für Betriebsrenten zu machen.
Klingbeil und Bas versicherten ihren Reformwillen. Klingbeil sagte: „Da kommt alles auf den Tisch.“ Bas sagte, sie sei „sehr offen“ für weitere Diskussionen. Ihren festen Reformwillen habe die SPD dem Kanzler bereits versichert. Ziel sei ein eigenes mutiges Rentensystem für Deutschland. „Ich bin dazu bereit.“
Auch längeres Arbeiten kommt in die Debatte
Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger forderte einen Stopp des umstrittenen Rentenpakets. „Kabinettsbeschlüsse können geändert werden“, sagte Dulger. „Wenn sie falsch sind, dann muss das Parlament sie ändern.“ Dulger lehnt das gesamte Paket ab. „Vielleicht würde der Politik in dieser Situation eine Denkpause helfen, um danach klug zu entscheiden.“

Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger unterstützt die Rentenrebellen in der Union.
Copyright: Sebastian Gollnow/dpa
Dagegen setzte Dulger die Forderung nach einem höheren Rentenalter. „Wenn die Menschen älter werden, muss auch die Regelaltersgrenze schrittweise angehoben werden“, sagte er. Ähnlich äußerte sich auf dem Arbeitgebertag Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU). Für die Zeit nach dem Jahr 2031 plädierte Reiche für eine Anpassung des Renteneintrittsalters an die gestiegene Lebenserwartung. (dpa)
