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Kommentar

Washington-Besuch
Ein Humpen für „Pete“ und ein Haufen Geld

Ein Kommentar von
4 min
Boris Pistorius wird von seinem US-amerikanischen Amtskollegen Pete Hegseth mit militärischen Ehren empfangen.

In Washington lobte Boris Pistorius (links) „die veränderte Tonlage“ der Trump-Regierung zum Ukraine-Krieg.

Bei seinem Antrittsbesuch in Washington lobt Verteidigungsminister Boris Pistorius „die veränderte Tonlage“ der Trump-Regierung zum Ukraine-Krieg. 

Es war sicher nicht Boris Pistorius' Wunschtermin, drei Stunden nach einem vielbeachteten Auftritt von Nato-Generalsekretär Mark Rutte mit Präsident Donald Trump im Oval Office bei schwülheißem Wetter auf der anderen Seite des Potomacs die Stufen des Pentagons zu Trumps Verteidigungsminister Pete Hegseth hinaufzusteigen. Die Ereignisse überschlagen sich gerade in Washington, und der kurzfristig angesetzte Besuch von Rutte überlagerte medial naturgemäß den zweitklassigen Gesprächstermin des Deutschen.

Europa zeigt Entschlossenheit – und Trump überrascht

Doch Mitglieder der kleinen Delegation von Pistorius trösteten sich rasch mit einer anderen Sichtweise: Der geballte Auftritt der Europäer in Washington zeige, wie wichtig dem Westen die Unterstützung der Ukraine und wie entschlossen der alte Kontinent sei, dabei die Führungsrolle zu übernehmen.

Tatsächlich bemerkte Trump am Mittag anerkennend: „Ich muss ihnen sagen, Europa zeigt eine Menge Tatkraft in diesem Krieg.“ Das habe er nicht erwartet. „Die Nato muss europäischer werden, damit sie transatlantisch bleiben kann“, beschrieb Pistorius später die Herausforderung.

Zwei Patriot-Systeme aus Deutschland für die Ukraine?

In dem Gespräch mit seinem Amtskollegen Hegseth ging es zentral um die Themen, die Trump und Rutte schon angesprochen hatten. Scheinbar beiläufig bemerkte der SPD-Politiker anschließend aber doch, dass er es gewesen sei, der „vor einigen Wochen“ Hegseth in einem Telefonat vorgeschlagen habe, Deutschland könne den Amerikanern doch zwei Patriot-Systeme abkaufen und der Ukraine zur Verfügung stellen.

So soll es nun kommen, wobei wichtige Details offenbar noch geklärt werden müssen. Klar ist auf jeden Fall: „Die Vereinigten Staaten werden dafür nicht zahlen“, hatte Trump im Oval Office betont. Allerdings sprach er von insgesamt 17 Patriot-Systemen, die von anderen Ländern gekauft weden könnten. Soviel hatte nicht einmal die Ukraine erbeten. Beobachter glauben, dass es im Kern um drei Patriot-Systeme geht  - zwei, die von Deutschland und eines, das von Norwegen finanziert werden soll.

Ein gefechtsbereites Flugabwehrraketensystem vom Typ «Patriot» des Flugabwehrraketengeschwaders 1 der Bundeswehr steht auf dem Flugfeld des Militärflughafens.

Ein gefechtsbereites Flugabwehrraketensystem vom Typ Patriot des Flugabwehrraketengeschwaders 1 der Bundeswehr steht auf dem Flugfeld des Militärflughafens.

Zu den Zahlen und Modalitäten wollte Pistorius nichts sagen. Offenbar ist geplant, dass Deutschland vorhandene Flugabwehr-Systeme der Bundeswehr an die Ukraine liefert und in den USA für eine Milliarde Euro pro Stück Ersatz beschafft. Bei den Gesprächen auf Arbeitsebene dürfte es nun vor allem darum gehen, sicherzustellen, dass die zeitliche Verzögerung zwischen beiden Aktionen möglichst kurz ist. Jedenfalls, so versicherte Pistorius, solle der Handel „sehr kurzfristig“ über die Bühne gehen.

Trotz Trump: Pistorius lobt neue Töne aus Washington

Trotz der offensichtlichen Unberechenbarkeit der Trump-Regierung im allgemeinen und ihres Verteidigungsministers Hegseth im Besonderen, der im Juni angeblich ohne Rücksprache mit dem Weißen Haus kurzerhand die US-Waffenlieferungen in die Ukraine pausiert hatte, hob Pistorius die aus seiner Sicht positive Entwicklung in Washington hervor: „Entscheidend ist, dass sich die Tonlage verändert hat.“ Mehrfach betonte er den „freundschaftlichen“ Charakter seines Gespräches mit Hegseth, den er demonstrativ „Pete“ nannte.

Den Deutschen bleibt gar nichts anderes übrig, als zu hoffen, dass die Abkehr, die Donald Trump derzeit verbal von seiner russlandfreundlichen Politik vollzieht, von Dauer ist. Der Präsident hatte sich zuletzt deutlich frustriert über die mangelnden Fortschritte bei den Verhandlungen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin über einen Waffenstillstand in der Ukraine gezeigt und dem Kremlchef vorgeworfen, „Bullshit“ zu erzählen. Bei dem Gespräch mit Rutte erklärte Trump, er sei „sehr unglücklich“ und „enttäuscht“ über Putin. Zugleich betonte er jedoch: „This is not Trump's war“ (Dies ist nicht Trumps Krieg) - eine Hintertür für einen möglichen späteren Rückzieher aus den Friedensbemühungen.

Pistorius begrüßt US-Druck – doch Putins Frist läuft

Vor diesem Hintergrund begrüßte Pistorius die Androhung amerikanischer Strafzölle für den Fall, dass Russland nicht innerhalb von 50 Tagen ein Übereinkommen zur Beendigung des Krieges schließt: „Ich glaube, das ist der richtige Ansatz: Klare Ansprache und die klare Androhung von Konsequenzen sind das Mittel der Wahl.“ Das mag man so sehen. Andererseits sind 50 Tage sieben lange Wochen, in denen Putin noch viele Drohnen und Bomben auf ukrainische Städte niedergehen lassen kann. Die Frage, ob die Frist nicht bemerkenswert lang sei, wischte Pistorius beiseite: „Es ist müßig, sich darüber zu unterhalten.“

Als Gastgeschenk zum Antrittsbesuch brachte der Deutsche seinem Amtskollegen einen Bierhumpen aus Grafenwöhr mit, wo Hegseth während seiner aktiven Militärzeit einmal stationiert gewesen war. Wesentlich lukrativer für die Amerikaner ist der Plan für ein Rüstungsprojekt, den der deutsche Minister überraschend präsentierte: Er will in den USA weitreichende Raketenwerfer vom Typ Typhon kaufen, mit denen Ziele in einer Entfernung von 2000 Kilometer getroffen werden können. Über solche Waffen, die tief in Russland hineinwirken können, verfügt die Bundeswehr bislang nicht. Eine Entscheidung über die Beschaffung ist in Berlin zwar noch nicht gefallen. Aber Pistorius meldete im Pentagon offiziell sein Interesse an.