Erich PriebkeWenn ein Kriegsverbrecher 100 wird

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Erich Priebke.

Erich Priebke.

Rom – In den Straßen des Viertels Balduina im Nordwesten Roms sind die Leute an das Trio gewöhnt: Ein alter Mann mit Schirmmütze geht am Arm seiner Pflegerin spazieren, direkt dahinter läuft ein stets aufmerksam um sich blickender Jüngerer. Bei dem Alten handelt es sich um den verurteilten deutschen Kriegsverbrecher Erich Priebke, genannt „der Henker von Rom“, und bei dem Jüngeren um einen Polizisten in Zivil.

Der SS-Hauptmann Erich Priebke, dritthöchster Nazi im besetzten Italien, war im März 1944 an der Erschießung von 335 italienischen Zivilisten beim Massaker in den Ardeatinischen Höhlen nahe Rom beteiligt, eine Vergeltungsaktion für ein Attentat von Partisanen. Priebke lebte nach dem Krieg Jahrzehnte lang unbehelligt mit deutschem Pass in Argentinien, bevor er schließlich nach Recherchen des Simon-Wiesenthal-Zentrums mit 85 Jahren nach Italien ausgeliefert und zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Wegen seines hohen Alters wurde sie in Hausarrest umgewandelt. Seitdem lebt Priebke im Viertel Balduina, seit vier Jahren darf er die Wohnung für Spaziergänge, Einkäufe und Restaurantbesuche verlassen.

Am Montag wird Priebke 100 Jahre alt. Und in Rom befürchtet man, dass der Geburtstag des Kriegsverbrechers Anlass für eine unliebsame Feier werden könnte. Vor zehn Jahren, zum 90. von Priebke, kamen mehr als hundert Leute - Verwandte, alte Kameraden, Neonazis aus Italien, Deutschland, und Frankreich. Organisiert hatte das Geburtstagsessen in einer Landgaststätte bei Rom Priebkes Anwalt Paolo Giachini, eine bekannte Figur in rechtsextremen Kreisen.

Die Jüdische Gemeinde Roms hat einen Appell an Staatspräsident Giorgio Napolitano, an die Regierung und an die Stadt gerichtet, so etwas dieses Mal unbedingt zu verhindern. „Priebke hat seine Taten nie bereut, er hat sich nie dafür entschuldigt, er hatte nie Mitleid mit den Angehörigen der Opfer oder mit denen, die er foltern ließ“, sagt der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Riccardo Pacifici. „Rom würde durch eine solche Feier beleidigt, die Wut der Opferfamilien könnte explodieren.“ Auch der Partisanenverband Anpi erklärte, es wäre unwürdig, wenn sich die Szenerie von vor zehn Jahren wiederholte.

Roms sozialdemokratischer Bürgermeister Ignazio Marino verspricht, er werde persönlich darüber wachen, dass es am Montag keine öffentliche Veranstaltung gibt. Der Anwalt hat inzwischen erklärt, es kämen nur einige Verwandte und alte Freunde, Priebke plane keine Feier außerhalb der Wohnung. Bürgerinitiativen und jüdische Organisationen wollen am Montag vor der Wohnung eine Demonstration in Erinnerung an die Opfer abhalten. Sie werfen dem italienischen Staat vor, den Kriegsverbrecher mit Samthandschuhen anzufassen. Der Anwalt einer Opfervereinigung, Sebastiano Di Lascio, erklärte, er wünsche sich, dass Priebke sich wenigstens an seinem 100. Geburtstag über seine Taten klar werde und um Entschuldigung bitte.

Dazu wird es wohl nicht mehr kommen. Mario Merlino, ein italienischer Neofaschist und Freund des Kriegsverbrechers, hat italienischen Zeitungen erzählt, Priebke habe sein Erinnerungsvermögen fast völlig verloren.

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