Illegale NutzungenUrheberrechtsreform soll Verantwortung auf Plattformen verlagern

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Symbolbild

Köln – Am 26. März wird das Europäische Parlament über die EU-Urheberrechtsrichtlinie entscheiden. Die Emotionalität der Debatte darüber führt in den Tagen vor der Abstimmung zu Protesten bis hin zu einer Bombendrohung gegen den berichterstattenden EU-Abgeordneten von der CDU. An Mängeln im demokratischen Prozess kann das nicht gelegen haben. Seit 2016 läuft der EU-Rechtssetzungsprozess, an dem sich jeder beteiligen konnte. Ein erster Kompromissvorschlag wurde im Juli 2018 vom EU-Parlament zunächst abgelehnt und nach einer Modifikation im September mit großer Mehrheit angenommen. Bis Februar 2019 wurde zwischen Rat, Kommission und EU-Parlament dann die Fassung ausgehandelt, über die das Parlament jetzt entscheiden muss.

Woher kommt die Aufregung? Einigkeit herrscht für viele darüber, dass der europäische Rechtsrahmen für das Urheberrecht im Internet aus dem Jahr 2001 veraltet ist. Es gab damals weder YouTube noch Facebook, und Internetplattformen sollten Fuß fassen. Mit ihren Geschäftsmodellen erzielten sie überschaubare Gewinne. Der Gesetzgeber schuf für sie eine Privilegierung, wonach fremde Inhalte ins Netz gestellt werden durften, ohne vorher auf Freigabe durch den Rechteinhaber überprüft worden zu sein. Erst nach einem Hinweis durch den Berechtigten sollten sie gelöscht werden. Diese Regelung gilt bis heute. Die Rolle der Plattformen hat sich aber ebenso verändert wie die Gewinne, die sie mittels Werbung aus den von Nutzern bereitgestellten Inhalten schlagen.

Urheberrechtsrichtlinie will Fairness herstellen

Die Urheberrechtsrichtlinie will nun durch einen Systemwechsel Fairness herstellen. Die Verantwortung für illegale Nutzungen im Netz wird von den Nutzern auf die Plattformen verlagert. Wenn ein YouTuber heute sein Katzenvideo mit einem Song unterlegt, an dem Rechte bestehen, dann verletzt er möglicherweise Urheberrecht und kann abgemahnt werden. Künftig wäre YouTube in der Pflicht, das Video mit Lied nur auf die Plattform zu laden, wenn dafür eine Lizenz vorliegt.

Dafür muss zwischen lizenzierten – und somit vergütungspflichtigen – und illegalen Inhalten unterschieden werden. Diese Prüfpflicht soll nur Anbieter treffen, deren geschäftlicher Hauptzweck es ist, geschützte Inhalte gegenüber einem großen Nutzerkreis für Geschäftszwecke zu verbreiten. Ausgenommen sind Enzyklopädien (Wikipedia), nicht geschäftsmäßige Bildungsangebote, Open Source-Angebote, Anbieter elektronischer Kommunikation (WhatsApp) und Share-Hoster (Dropbox). Auch Chat-Foren, in denen üblicherweise keine großen Mengen urheberrechtlich geschützter Inhalte geteilt werden, sind nicht davon erfasst. Solange Start-ups jünger als drei Jahre sind und ihr Jahresumsatz unter zehn Millionen Euro liegt, sind auch sie von der Lizenzpflicht befreit.

Schon heute setzt YouTube die Software Content ID ein, um Lizenzen zu prüfen. Dieser bewährte Upload-Filter ist mit Informationen über Inhalte gefüttert, die die Software mit hochgeladenen Inhalten abgleicht. Das funktioniert etwa so, wie bei der Musikerkennungs-App Shazam, die ein Musikstück erkennt, wenn man es ihr vorspielt. Unbestritten gibt es Probleme beim Einsatz derartiger Systeme zur Erkennung von lizenzierten Inhalten. Die Erfahrungen sind aber nicht gänzlich unbefriedigend.

Sie basieren darauf, dass Inhalte mit Worten oder Wasserzeichen gekennzeichnet werden, die der Filter erkennt. Probleme entstehen bei Sonderfällen wie gesetzlich erlaubten Zitaten, Karikaturen, Parodien in freier Benutzung. Einer Maschine fehlen bislang schlicht programmierte Muster, um zum Beispiel Ironie zu erkennen. Ebenso wenig können sie „entscheiden“, ob ein Schmähgedicht ein Witz oder eine verbotene Ehrverletzung ist. Das ist aber kein Argument gegen die Software, denn auch Menschen sind bis zu einer gerichtlichen Klärung nicht dazu in der Lage, hier Recht von Unrecht zu unterscheiden.

Entscheidende Schwachstelle des geplanten Systems

Weil die Plattformen befürchten, ohne Prüfung einer Lizenz für illegale Inhalte haften zu müssen, besteht die Gefahr, dass sie Inhalte im Zweifel nicht auf ihre Plattformen laden („Overblocking“). Das ist eine entscheidende Schwachstelle des geplanten Systems, das nach Inkrafttreten binnen zwei Jahren in den Mitgliedstaaten zu konkretisieren wäre. In Deutschland existiert ein Vorschlag der CDU unter der Überschrift „zahlen statt blocken“. Dazu könnte bei der Umsetzung der Richtlinie folgendes Verfahren im deutschen Urheberrecht verankert werden: Der Inhaber eines Rechts – etwa an einem Foto - kennzeichnet dies und meldet seine Rechteinhaberschaft beim Lizenzsystem an. Nutzt ein Dritter es bei YouTube, erkennt die Software das beim Upload. Anstatt das Foto zu blocken, lädt der Anbieter es auf seine Plattform. Damit entsteht ein Vergütungsanspruch des Urhebers, der aus einen Topf abgegolten wird, den die großen Plattformanbieter – in einer noch auszuhandelnden Größenordnung – aus ihren Werbeeinnahmen füllen müssten.

Die Ausschüttung des Geldes an den Berechtigten würde über eine sogenannte Verwertungsgesellschaft erfolgen. Damit würde eine Art „Steuer“ auf die Erlöse der Plattformen erhoben und ein Teil ihres Gewinnes käme den Rechteinhabern zugute. Zugleich wären viele Inhalte legal im Netz und die Gefahr des „Overblocking“ gebannt. Ein vergleichbares Verfahren hat sich im Urheberrecht bei der sogenannten Privatkopieschranke bewährt. Sie sorgt dafür, dass Urheber und Rechteinhaber an Erlösen durch Bild- und Tonaufnahmen durch Aufnahmegeräte beteiligt werden.

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