KarlsruheBayerisches Verfassungsschutzgesetz teilweise verfassungswidrig

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Bundesverfassungsgericht 260422

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe 

Karlsruhe – Das bayerische Verfassungsschutzgesetz ist teilweise verfassungswidrig. Mehrere Vorschriften verstießen gegen Grundrechte, entschied das Bundesverfassungsgericht am Dienstag in Karlsruhe. Sie könnten aber größtenteils eingeschränkt bis Ende Juli kommenden Jahres weiter gelten. Der Gesetzgeber habe die Möglichkeit, die gesetzlichen Grundlagen für die Arbeit des bayerischen Geheimdiensts verfassungskonform auszugestalten, sagte Gerichtspräsident Stephan Harbarth. (Az. 1 BvR 1619/17)

Hier stünden zwei „Herzensanliegen“ der Verfassung im Spannungsfeld zueinander - die wehrhafte Demokratie und der Schutz der persönlichen Freiheit, erläuterte Harbarth in seinen einführenden Bemerkungen. Die Frage sei zudem eingebettet in ein „Spektrum neuer informationstechnologischer Möglichkeiten“.

Bayerischer Verfassungsschutz hat weitreichende Befugnisse

Die Gesetzesnovelle von 2016 gibt dem bayerischen Verfassungsschutz weitreichende Befugnisse wie etwa die verdeckte Onlinedurchsuchung von Computern mit sogenannten Staatstrojanern, die Ortung von Handys, den Einsatz von V-Leuten zur Beobachtung und unter bestimmten Voraussetzungen die akustische und optische Überwachung von Privatwohnungen. Sie regelt auch die Übermittlung und Verarbeitung von Informationen. Das Gesetz war schon bei seiner Einführung umstritten und allein mit den Stimmen der CSU im Münchner Landtag verabschiedet worden.

Bayern ging dabei weiter als andere Länder. Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hatte die Novelle bei der Verhandlung im Dezember 2021 unter anderem mit der Notwendigkeit von besserem Datenaustausch zwischen den Sicherheitsbehörden verteidigt, die Anschläge wie den auf den Weihnachtsmarkt auf dem Berliner Breitscheidplatz 2016 verhindern sollten.

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Nach Karlsruhe zogen drei Mitglieder einer Organisation, die im Verfassungsschutzbericht des Freistaats erwähnt wurde, die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes. Die Kläger hielten es für möglich, dass sie selbst überwacht werden könnten. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) unterstützte ihre Verfassungsbeschwerden. Der Prozessbevollmächtigte der GFF, Bijan Moini, erklärte am Dienstag zum Urteil, für den Inlandsgeheimdienst gelte kein Freifahrtschein bei Grundrechtseingriffen. „Wer im Auftrag der wehrhaften Demokratie für den Schutz der Verfassung arbeitet, muss sich auch selbst an ihre Regeln halten.“

Das Karlsruher Urteil bezieht sich zwar auf den bayerischen Verfassungsschutz. Andere Bundesländer können ihm aber ebenfalls Hinweise darauf entnehmen, wie die Befugnisse der Geheimdienste ausgestaltet werden müssen. Das Grundgesetz lasse dem Gesetzgeber „substanziellen Raum, den sicherheitspolitischen Herausforderungen auch im Bereich des Verfassungsschutzes Rechnung zu tragen“, sagte Harbarth am Dienstag. Zugleich setze die Verfassung „gehaltvolle grundrechtliche Schranken“. (afp)

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