KommentarKlimawandel wird aktuelle Probleme einholen – auch die Migrationsdebatte

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Bolivien: Ein Boot steht an einem fast ausgetrockneten Ufer des Titicacasees. Aufgrund niedriger Niederschläge und großer Hitze ist der Pegel unter seinen historischen Tiefstand gesunken.

Klimawandel in Bolivien: Ein Boot steht an einem fast ausgetrockneten Ufer des Titicacasees. Aufgrund niedriger Niederschläge und großer Hitze ist der Pegel unter seinen historischen Tiefstand gesunken.

Weltweit zeigt sich der Klimawandel – mit existenziellen Folgen. Er wird viele aktuelle Probleme wie auch die Migration relativieren.

Das Drama lässt sich über den Wein erzählen. In diesem Jahr wird voraussichtlich so wenig davon produziert wie seit 60 Jahren nicht. Der Grund ist extremes Wetter: viel zu trocken, viel zu viel Regen. Wo Alkohol im Spiel ist, liegt die Komik nah. Allerdings handelt es sich in diesem Fall um Galgen­humor, im wahrsten Sinne des Wortes. Denn zu lachen gibt es herzlich wenig, die Lage ist dramatisch, und zwar ganz existenziell.

Der EU-Klimawandel­dienst Copernicus vermeldet den wärmsten Oktober seit Beginn der Aufzeichnungen 1940. Die Meere waren deutlich zu warm, Temperatur­rekorde gab es auch hier. Das Eis in der West­antarktis schmilzt selbst in den positivsten Szenarien rapide. Die Schweizer Gletscher verloren in den vergangenen zwei Jahren so viel Eis wie in den 30 Jahren davor. Die Auswirkungen sind auch in Europa zu spüren: In Deutschland werden im Sommer plötzlich Ventilatoren zum Verkaufshit, Flüsse trocknen aus, Berge geraten ins Rutschen, und der Wein – und nicht nur der – wächst nicht mehr so gut.

Wetter­extreme vernichten Existenz­grundlagen, Felder, Unterkünfte, sie treiben Menschen in die Flucht. Der Zusammenhang mit der Verbrennung von Kohle, Öl und Gas, mit der Abholzung von Wäldern ist offenkundig.

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Klimawandel: Migration wird zunehmen, wenn Wüsten sich ausbreiten

Es tut also not, übers Wetter zu reden, und zwar dringend. Das bedarf mehr als Bekenntnissen zum Klimaschutz, es bedarf der Bereitschaft zum Handeln. Dazu gehört es, nicht auf andere zu warten, sondern selbst anzufangen. Dazu gehören ein Umbau der Industrie und der Energie­versorgung und auch ein verändertes Verhalten der Menschen. Dazu gehört es, Bequemlichkeit nicht mit der vermeintlichen Einschränkung von persönlicher Freiheit zu verwechseln und dabei im Namen von Currywurst und Tempo 300 jegliches Umdenken wegzuwischen.

Gemessen an den Folgen des Klimawandels werden viele der aktuellen Probleme sich relativieren. Die Migrations­zahlen von heute werden um ein Vielfaches übertroffen werden, wenn Wüsten sich ausbreiten und Meeres­spiegel steigen.

Die Energie, mit der gerade über Drittstaaten und Asylrecht – und zuweilen eben auch über Currywürste – diskutiert wird, könnte die Klimapolitik gut gebrauchen. Und dort würde sie nicht an den Folgen, sondern an den Ursachen ansetzen.

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