Der sensible MonarchZur Krönung von Charles III.

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Der britische König Charles III. trifft sich mit Gästen nach einer Zeremonie zur Übergabe neuer Standarten und Fahnen an die Armee.

Der britische König Charles III. (m) trifft sich mit Gästen nach einer Zeremonie zur Übergabe neuer Standarten und Fahnen an die Armee.

Am Samstag wird König Charles III. in der Londoner Kathedrale Westminster Abbey gekrönt. Wie er von einem schüchternen Jungen zum Staatsoberhaupt wurde.

Da saß der vierjährige Charles zurechtgemacht im weißen, mit Spitzen besetzten Hemd, das Haar brav gescheitelt, zwischen seiner Großmutter, Queen Mum, und seiner jungen Tante Prinzessin Margaret. Die geballte rechte Faust gegen seine Wange gedrückt, starrte er nach unten; der Gesichtsausdruck vermittelte eine Mischung aus Langeweile und Wehmut.

Das Foto, das diese Szene festgehalten hat, entstand während der Krönung von Elizabeth II. am 2. Juni 1953 in der Londoner Kathedrale Westminster Abbey. Charles, damals ein kleiner Junge, konnte wohl nur vage ahnen, dass er eines Tages seinerseits alle Phasen dieser Zeremonie durchleben würde, von der Salbung bis zur offiziellen Krönung mit der Edwardskrone.

Am 14. November 1948 als erstes Kind der Queen geboren, war er jedoch vom ersten Tag seines Lebens an durch die Erbfolge für diese Rolle vorgesehen. Dies war für den Jungen Privileg und Bürde zugleich, schreibt die Biografin Sally Bedell Smith. Seine Eltern liebten ihn, seine pflichtbewusste Mutter war jedoch oft mit ihrer Arbeit als Monarchin beschäftigt.

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König Charles: Sehr schwierige Beziehung zu seinem Vater

Charles habe überdies eine „sehr schwierige Beziehung“ zu seinem Vater, Prinz Philip, gehabt, resümiert die Biografin Penny Junor. Das heutige Staatsoberhaupt soll ein introvertiertes Kind gewesen sein, das sich gerne stundenlang in seine Bücher vergrub, statt Sport zu treiben. Dies störte seinen Vater. Er wollte, dass er weniger sensibel ist, zäher und durchsetzungsstärker.

Queen Elizabeth und Prinz Philipp auf einer Couch mit ihren Kindern Prinz Charles, Prinz Andrew, Prinzessin Anne und Prinz Edward.

Queen Elizabeth (vm) und Prinz Philipp (vr) mit ihren Kindern Prinz Charles (vl), Prinz Andrew (hl), Prinzessin Anne (hm) und Prinz Edward (hr).

Als der Prinz 13 Jahre alt war, schickte ihn Prinz Philip deshalb auf das Internat Gordonstoun im Nordosten Schottlands, seine Alma Mater. Eine Bildungseinrichtung, die so streng war, dass Charles sie einst mit Schloss Colditz verglich, ein Renaissance-Bau in Leipzig, welcher im Zweiten Weltkrieg als Kriegsgefangenenlager genutzt wurde.

Charles wurde in der Schule gemobbt, wegen seiner abstehenden Ohren verhöhnt und auf dem Rugbyfeld regelmäßig verprügelt. „Ich habe ihn überhaupt nicht reagieren sehen“, erinnerte sich ein Klassenkamerad. „Er war sehr stoisch. Er hat sich nie gewehrt.“

Charles wurde in der Schule gemobbt

Als er im Juli 1967 seinen Schulabschluss machte, gaben Königin Elizabeth II. und Prinz Philip überraschend zu, dass ihn die Jahre dort nur noch verschlossener gemacht hätten. Doch die Zeit hatte auch „den Samen für etwas Gutes gelegt“, betont die Biografin Smith: „Charles ging aus Gordonstoun mit einer inneren Stärke und einem Hang zu unorthodoxen Ideen hervor“, schreibt sie. Eigenschaften, die sein Leben definieren sollen.

1976 gründete der heutige Monarch den Prince’s Trust mithilfe der Abfindung aus seiner Zeit bei der Marine, aber auch durch den Erlös von königlichen Veranstaltungen und durch Spenden. Die gemeinnützige Organisation hat das Ziel, jungen Menschen aus schwierigen Verhältnissen zu helfen. Es war der Beginn eines weitläufigen philanthropischen Netzwerks des Royals.

Charles’ Arbeit wurde jedoch bald von seinem Privatleben überschattet. 1977 lernte er die damals 16-jährige Diana Spencer kennen, bei einer Jagdgesellschaft auf dem Familiensitz der Spencers. Vier Jahre später heirateten sie in der Kathedrale St. Paul’s im Zentrum Londons.

Was mit einer Traumhochzeit begann, bekam privat schnell Risse. Diana litt unter Bulimie; Charles pflegte weiter seine Beziehung zu seiner einstigen Freundin Camilla Parker-Bowles. „Wir waren zu dritt in dieser Ehe, da war es ein bisschen eng“, sagte Diana 1995 dem BBC-Journalisten Martin Bashir - ein Interview, das in die Geschichte einging.

Privatleben überschattet seine Arbeit

Medien warfen in den 1990er-Jahren ein kaltes Licht auf den Prinzen und seine Beziehung zu Camilla. Charles‘ Scheidung von „der Prinzessin der Herzen“  im Jahr 1996 war das Ende eines Märchens, das Camilla zerstört hatte, so der Tenor. In Umfragen gaben damals zwei Drittel der Befragten an, dass der Prinz of Wales nicht König werden sollte, wenn er Camilla heiratete.

Die beiden ließen sich davon jedoch nicht beirren. Im Jahr 1999 traten sie offiziell als Paar auf, 2005 folgte die Heirat. Seine Berater arbeiteten überdies unermüdlich daran, Charles’ Image zu verbessern, betont Pauline Maclaran, Royal-Experin an der Royal Holloway Universität in London. „In den vergangenen zehn bis 15 Jahren wurde er als Vordenker in Umweltfragen inszeniert, der sich dafür einsetzt, den Planeten für kommende Generationen zu erhalten.“

König Charles III. und Königsgemahlin Camilla beim Staatsbesuch in festlicher Kleidung.

König Charles III. und Königsgemahlin Camilla besuchen Deutschland. (Archivbild von März 2023)

Fragte man Briten noch vor einiger Zeit nach ihrer Meinung zu Charles, dann hielten sie den heute 74-Jährigen für eigentümlich. Pilgerreisen nach Griechenland oder Gerüchte um seine verzweifelte Suche nach dem perfekt gekochten Ei? Für viele passte das nicht zu einem zukünftigen König. Im Zuge eines Interviews gab er einmal zu, gelegentliche Gespräche mit Pflanzen zu führen. „Ich spreche sehr gerne mit Bäumen und höre ihnen auch zu.“

Doch die Meinung zu Charles hat sich mittlerweile geändert. Befürchtungen, dass der Sohn von Elizabeth II. dem Königshaus schaden könnte, sind verklungen, seine Popularität ist seit dem Tod seiner Mutter im vergangenen Herbst gestiegen. Neue Umfragen des Meinungsforschungsinstitutes YouGov haben ergeben, dass immer mehr Menschen ein positives Bild von ihm haben. 62 Prozent glauben, dass er gut für die Monarchie ist.

Wandel in der öffentlichen Wahrnehmung

„Geschuldet ist dies den Bemühungen des Königs, sich bescheiden und zugänglich zu geben“, sagt Pauline Maclaran. „Bei seiner ersten Ankunft im Buckingham-Palast als König unternahm er einen Rundgang, um die Menge zu begrüßen. Das war eine Überraschung für alle und kam gut an“, erklärt sie den Wandel in der öffentlichen Wahrnehmung. Charles hatte überdies früh verstanden, dass er die Monarchie modernisieren muss, zum Beispiel indem er den Kreis der Royals verschlankt.

Auch dass Charles’ Gesicht anlässlich der Krönung auf vielen Produkten und Souvenirs zu sehen ist, verbessere sein Image. „So gewöhnen sich die Menschen an die Vorstellung, dass er jetzt König ist.“ Durch die imposante Zeremonie, die vielen Straßenfeste und das Konzert in Windsor brächten sie ihn überdies mit positiven Gefühlen in Verbindung.

Besonders in Charles' Sinne sei jedoch der kommende Montag: „Der Krönungsfeiertag ist der Wohltätigkeitsarbeit gewidmet, richtet sich besonders an junge Menschen und spiegelt sein Engagement für die Gemeinschaft und seine Sorgen um die Umwelt wider.“ Werte eines Mannes, der seine vermeintlichen Schwächen in Stärken verwandelt hat.

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