Parteienstreit und die AfDVom Trennen und Spalten

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Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU, rechts) spricht im Bundestag. im Hintergrund Kanzler Olaf Scholz (SPD, Mitte) und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne).

Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU, rechts) spricht im Bundestag. im Hintergrund Kanzler Olaf Scholz (SPD, Mitte) und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne). Der Streit entlang politischer Trennlinien gehört zum Wesen der Demokratie

Der Kölner Politikberater Erik Flügge erklärt, wieso Trennendes für die Gesellschaft etwas Verbindendes sein kann.

Was eine demokratische Gesellschaft zusammenhält, ist der konstruktive Umgang mit dem Trennenden. Es gibt in jeder größeren Gruppe Interessensunterschiede. Das lässt sich nicht vermeiden. Alle historischen Experimente, die versuchten, gesellschaftliche Unterschiede durch absolute Gleichheit abzuschaffen, scheiterten daran, dass es Menschen gibt, die gar nicht gleich sein wollen, sondern anders. Auch in der Gleichheit gibt es Außenseiter.

Das Trennende aufzulösen ist nicht möglich. Es gibt nicht die eine Gemeinschaft, in der alle das Gleiche wollen und das Gleiche tun. Noch nicht einmal im Karneval. Denn während man im Rheinland zwischen Weiberfastnacht und Aschermittwoch durchaus das Gefühl bekommen kann, dass alle gemeinsam schunkeln, vergisst man allzu leicht, wie viele einfach aus dem Rheinland in den jecken Tagen weggefahren sind. Das Trennende kann man nicht wegschunkeln.

Genau deshalb stellt sich für jede Gesellschaft die Frage, wie man mit dem Trennenden umgehen kann. Das System der Monarchie berief sich stets darauf, dass Trennendes gottgewollt sei und nicht hinterfragt werden dürfe. Diktaturen unterdrücken Andersdenkende stets mit Gewalt. Die Demokratie hingegen kommt ohne Gott und Gewalt aus. Sie bietet eine friedliche Möglichkeit des Interessensausgleichs an.

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Parteien sind stets Gegenpole

Entlang der gesellschaftlichen Trennlinien spannen sich in der Demokratie Parteien auf. Stets als Gegenpole und damit als Angebote, die Sache innerhalb der Gesellschaft so oder eben anders zu sehen. Die traditionellste Trennlinie in Deutschland verläuft zwischen denen, die behalten wollen (CDU/CSU), und denen, die haben wollen (SPD).

Es ist die gut beforschte Trennlinie von Wirtschaft und Arbeit, auf der sich beide Volksparteien jeweils unterschiedlich positionierten. Die SPD als Arbeitnehmer- und Gewerkschaftspartei. Die Union als Arbeitgeber- und Wirtschaftspartei. Die Deutschen entschieden in freien Wahlen jahrzehntelang, mal der einen und mal der anderen dieser beiden Parteien das Vertrauen zu schenken – jeweils passend zu den Herausforderungen der Zeit.

Diese große Trennlinie stand aber nie für sich allein. Es gab schon immer weitere. Zum Beispiel die zwischen dem Individualismus und der Gemeinschaft. Sie erklärt, warum die FDP existiert. Dazu kam die Trennlinie zwischen Umwelt und Industrie, die die Existenz der Grünen begründet. An all diesen Trennlinien positionieren sich nicht nur Parteien, sondern auch die Gesellschaft, und heraus kommen Wahlsiege und Niederlagen. Ein ständiger, friedlicher Ausgleich der Interessen.

Das Angebot der AfD ist nicht, eine andere Position zu verfolgen

Genau dieser Ausgleichsmechanismus ist aktuell bedroht. Denn mit der AfD ist ein politischer Akteur entstanden, der nicht Interessen in der Demokratie trennt, sondern ganz fundamentalistisch eine Spaltung der Bevölkerung vorantreibt. Das Angebot der AfD besteht nicht darin, eine andere Position zu verfolgen, sondern eine andere Staatsform. Man hört es schon an ihren Texten. Sie stellen sich gegen die „Altparteien“. sprich: Allen Unterschieden aller Parteien zum Trotz, positioniert sich die AfD nicht zwischen Parteien, sondern spaltet in absolute Gegnerschaft auf.

Schon diskutiert man in ihrem Dunstkreis die Deportation von Menschen, die nicht ins eigene Weltbild passen. Eben deshalb wird die Partei vom Verfassungsschutz beobachtet. Sie ist kein Angebot, das Trennende in der Gesellschaft produktiv zu verarbeiten, sondern sie ist der nächste – sicherlich in Gewalt endende – Versuch, ein Volk schaffen zu wollen, in dem es nichts Trennendes mehr geben soll. Eine gerechte Gesellschaft ohne Trennung aber kann es nicht geben.

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