Kommentar zu angekündigten Koran-VerbrennungenDie falsche Auslegung der Meinungsfreiheit

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Rauch steigt auf aus der schwedischen Botschaft (20. Juli). Nach Ankündigung einer weiteren geplanten Koranverbrennung in Schweden haben Demonstranten die Botschaft des Landes im Irak vorübergehend gestürmt und dort Feuer gelegt.

Rauch steigt auf aus der schwedischen Botschaft (20. Juli). Nach Ankündigung einer weiteren geplanten Koranverbrennung in Schweden haben Demonstranten die Botschaft des Landes im Irak vorübergehend gestürmt und dort Feuer gelegt.

Nichts wird besser, wenn ein Koran brennt. Der Graben zwischen den unterschiedlichen Gesellschaften wird nur breiter und tiefer. Doch das ist, was die Provokateure antreibt.

In der schwedischen Botschaft in Bagdad brennt es. Der Mob tobt. Stockholm verlangt, dass seine Diplomaten im Irak besser geschützt werden. Doch die irakische Regierung eskaliert lieber und verweist die schwedische Botschafterin des Landes.

Der schiitische Hardliner Moktada al-Sadr, der wieder in der irakischen Politik mitspielen möchte, reibt sich vor Freude die Hände. Und das alles, weil Tausende Kilometer entfernt, in Schweden, ein durchgeknallter Mann die Verbrennung eines Korans angekündigt, aber letztlich nicht vollzogen hat.

Die Szenen in der irakischen Hauptstadt belegen einmal mehr die Gefahr, die vom Populismus ausgeht. Auf beiden Seiten sind Provokateure am Werk, denen Werte wie Toleranz und Mäßigung völlig egal sind. Das Spannungsfeld zwischen Säkularismus und Religion ist derart aufgeladen, dass der kleinste Funke ausreicht, um eine Explosion auszulösen.

Man mag lange über die Gründe dafür nachdenken. Es ist die bewusst falsch ausgelegte Definition von Meinungsfreiheit, die die Provokateure in Schweden antreiben. Sie wissen natürlich, dass in ihrem Land die Kritik an Religion von der Meinungsfreiheit gedeckt ist. Sie nutzen das gnadenlos aus und lassen dabei allen Anstand fallen.

Meinungsfreiheit ist eines der wichtigsten Güter in demokratischen Gesellschaften. Sie muss verteidigt werden. Aber nicht alles, was erlaubt ist, ist auch klug
damir Fras

Meinungsfreiheit ist eines der wichtigsten Güter in demokratischen Gesellschaften. Sie muss verteidigt werden. Aber nicht alles, was erlaubt ist, ist auch klug. Und die Verbrennung von Heiligen Schriften ist sogar ausgesprochen dumm und überdies noch feige dazu. Nichts leichter als aus der sicheren Entfernung auf den religiösen Gefühlen anderer Menschen herumzutrampeln.

Doch nichts wird sich zum Besseren verändern, wenn ein Koran brennt. Im Gegenteil: Der Graben zwischen den unterschiedlichen Gesellschaften wird nur breiter und tiefer. Aber genau das ist es, was diese Provokateure wollen. Sie sind wollen spalten, auch um daraus eigene Vorteile zu ziehen. Das ist widerwärtig.

So ist es leider auf der anderen Seite auch. Viele Muslime fühlen sich verletzt, wenn ihr Heiliges Buch geschändet wird. Sie haben jedes Recht dazu. Das müssen Nicht-Muslime akzeptieren. Das nennt sich Respekt. So einfach ist das. Ein kritischer Umgang mit dem Islam ist dadurch weiter möglich, mitunter sogar nötig.

Ausweisung der Botschafterin inakzeptabel

Kritik ist wichtig, gewaltfreie Demonstrationen sind es auch. Doch wenn die Proteste gegen Koran-Verbrennungen in Schweden im Irak in Gewalt gegen Diplomaten umschlagen, ist der Staat gefragt. Es ist völlig unakzeptabel, dass die irakische Regierung die schwedische Botschafterin ausweist und es zulässt, dass Diplomaten in der schwedischen Botschaft von einem aufgehetzten Mob bedrängt werden.

Die Regierung in Bagdad spielt damit dem schiitischen Scharfmacher al-Sadr in die Hände, der die Demonstranten aufstachelt. Auch er nutzt die Wut der Menschen aus, um damit seine Rückkehr an die Spitze der irakischen Politik zu beschleunigen. Auch das ist widerwärtig. Es gibt in Europa keinen staatlich geförderten Konflikt zwischen Christentum und Islam – noch nicht wenigstens. Es gibt Provokateure, die das gerne hätten.

Das Problem ist nicht auf Schweden begrenzt, es ist ein Problem aller freiheitlich-demokratischen Gesellschaften. Wie schaffen wir es, dass Schändungen heiliger Schriften nicht mehr zum Repertoire kritischer Auseinandersetzungen mit anderen Religionen gehören? Der Staat allein wird das nicht richten können. Wir sind alle gefragt.

Es kann sein, dass das nicht gelingen wird. Provokationen dieser Art gibt es schließlich seit Jahrhunderten. Doch das ist keine Ausrede, um nicht immer und immer wieder für Toleranz einzutreten. (RND)

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