Kommentar zur AfDDer perfide völkische Traum

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Rechte skandieren für die Vertreibung von Menschen mit Migrationsgeschichte (Symbolbild)

Rechte skandieren für die Vertreibung von Menschen mit Migrationsgeschichte (Symbolbild)

Die AfD beschönigt rassistische Deportationspläne und macht einmal mehr klar: Sie will unsere Demokratie aushöhlen und unsere Gesellschaft zerreißen.

Einflussreiche Eliten treffen sich unter Ausschluss der Öffentlichkeit in Hinterzimmern und schmieden verfassungsfeindliche Pläne, um die Geschicke des Landes zu lenken. Was klingt wie ein verschwörungstheoretischer Fiebertraum, ist genau so geschehen. Unter anderem im November 2023, mitten in Deutschland. Für den Teil der Gesellschaft, der mit beiden Beinen fest auf dem Boden des Grundgesetzes steht, ist das ein Skandal. Für den Rest: „Privatsache.“

Mit eben jenem Begriff versuchen einige der Teilnehmenden nun im Nachgang, das umstürzlerische Geheimtreffen zu beschönigen. Als „private Zusammenkunft“ und harmlosen „Austausch über politische Gegenwartsfragen“ etwa bezeichnet Teilnehmer und Redner Ulrich Vosgerau die Veranstaltung. Er ist Privatdozent an der Uni Köln und vertritt als Jurist unter anderem die AfD vor dem Bundesverfassungsgericht. Ein folgenloser Austausch unter Gleichgesinnten also, kaum der Rede wert.

Rassistische Deportationsfantasien

Nur waren es eben nicht irgendwelche Nachbarn, die abends beim Stammtisch über einem Kölsch darüber sinnierten, dass die Lebensmittelpreise und Mieten mal wieder gestiegen sind, sondern unter anderem hochrangige Politiker, finanzkräftige Unternehmerinnen und rechtsextreme Galionsfiguren, die gemeinsam rassistische Deportationsfantasien und ihre Umsetzung diskutierten. Also genau jene Menschen, die nah genug am Zentrum der Macht agieren, um den völkischen Traum der ethnischen Säuberung demnächst wahrzumachen.

Kendra Stenzel

Kendra Stenzel

Leiterin des Newsteams beim „Kölner Stadt-Anzeiger“. Studierte zunächst Psychologie und Rechtswissenschaften in Gießen, dann Amerikanistik, Linguistik und Klassische Literaturwissenschaft in Köln (mit...

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„Private Veranstaltung“: Mit dieser Wortwahl versucht auch die AfD abzutun, dass einflussreiche Politikerinnen aus ihren Reihen bei dem konspirativen Treffen rege Ideen einbrachten, unter anderem Roland Hartwig, Alice Weidels persönlicher Berater. Die Redebeiträge hätten „erkennbar nichts“ mit der Partei zu tun. Wer das glaubt, ist auf dem rechten Auge blind – und hat noch nie einer Rede Björn Höckes gelauscht. Nicht durch Zufall setzt sich der Teilnehmerkreis der Diskussionsrunde zu einem bemerkenswerten Teil aus Mitgliedern der AfD und der CDU-nahen rechten „Werteunion“ zusammen. Was im AfD-Parteiprogramm im politisch korrekten Gewand daherkommt, wird hier offen ausgesprochen: Wer und was „fremd“ ist, hat in Deutschland nichts zu suchen. Aber Begriffe wie „Remigration“ klingen nun mal seriöser und machen es auch potenziellen Wählern mitunter leichter, eigenes rechtes Gedankengut als politisches – und natürlich demokratisch sauberes – Anliegen zu verpacken.

Ein Kreuz gegen die Verteidigung der Demokratie

Genau hier liegt die Gefahr, denn die menschenfeindlichen Hinterzimmer-Ansichten sind belegbar längst salonfähig. Wenige Monate vor den Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen liegt die AfD in allen drei Ländern laut Umfragen deutlich vorne. Menschen mit Migrationsgeschichte haben nicht nur in diesen Bundesländern besonders nach den jüngsten Veröffentlichungen zurecht Angst. Wohin die Reise unter der AfD gehen soll, ist klar.

Wer tatsächlich überlegt, aus Trotz oder Frust sein Kreuz für die AfD zu setzen, muss sich spätestens jetzt im Klaren darüber sein: Er entscheidet sich mit seinem Häkchen nicht für „alternative“ Zuwanderungs-, Wirtschafts- oder Sozialpolitik, sondern vor allem gegen seine Mitmenschen und die Verteidigung unserer Demokratie.

Die Verteidigung eben dieser obliegt auch und insbesondere den demokratischen Parteien. Sie müssen sich drängender denn je der Frage stellen, wie sie sich gegen den deutlichen Angriff auf die Grundfesten unserer Gesellschaft zur Wehr setzen, nicht nur in ihren Reaktionen, sondern vor allem in ihren Programmen. Empörung und Zeigefinger reichen nicht. Gerade jene, die sich als Teil des Volkes oder dessen Vertreter verstehen, müssen zur Stelle sein, wenn es dem Volk an den Kragen gehen soll.

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