Kommentar zu Spahns PlänenNoch nicht geimpft? Pech gehabt!

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Impfung Nadel

Sind Sie schon geimpft?

Nun liegt also der Vorschlag auf dem Tisch, den viele von weitem haben kommen sehen: Das Gesundheitsministerium bringt für den Herbst Einschränkungen speziell für Ungeimpfte ins Spiel. Es wäre die Impfpflicht durch die Hintertür, von der die Regierenden monatelang behaupteten, sie werde nicht kommen.

Von Beginn an war klar, dass das Virus nicht von allein verschwinden würde. Gleichzeitig war das komplette Herunterfahren der Wirtschaft und des gesellschaftlichen Lebens immer nur die absolute Notlösung, bis Möglichkeiten gefunden werden, das Virus effektiv im Zaum zu halten. Diese Möglichkeit ist gefunden, sie heißt Impfung.

Doch alles steht und fällt mit der Impfbereitschaft der Bürger. Nur wenn sich genug von uns impfen lassen, wenn Herdenimmunität erreicht werden kann, können wir es an einen Punkt schaffen, an dem wir für den uneingeschränkten Genuss aller Freiheiten nicht mehr mit zahlreichen Menschenleben zahlen müssen.

Die Impf-Euphorie ist verflogen

Zwischenzeitlich schien dieser Zeitpunkt in greifbarer Nähe. Die Impfbereitschaft war riesig, Millionen Bürger rissen sich um Impftermine. Doch seit der Lockdown beendet ist, die Lokale und Geschäfte wieder geöffnet sind und sich dank des Sommers die Fallzahlen entspannt haben, ist diese Euphorie verflogen.

Das Problem: Es sind nicht nur ein paar hartnäckige Impfgegner, die sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht haben impfen lassen. Es sind vor allem Menschen, die skeptisch oder nicht genug informiert sind, und solche, die einfach keine Notwendigkeit in einer Impfung sehen. Das ist vor allem mit Blick auf die hochansteckende Delta-Variante fatal.

Zwang statt Überzeugungsarbeit

Die Lösung scheint einfach: Wer bis Herbst nicht geimpft ist, obwohl er die Chance dazu gehabt hätte, hat Pech gehabt. Kinos, Restaurants, Fitnessstudios: All das sind Privilegien, die Ungeimpfte nicht mehr verdient haben, solang sie ihren Egoismus nicht ablegen. Spätestens dann werden sich sicher auch die hartnäckigsten Impfverweigerer umstimmen lassen.

Doch genau so wird es nicht laufen. Wer das gesellschaftliche Klima in den vergangenen eineinhalb Jahren verfolgt hat, wer den Blick nach Frankreich oder Italien wagt, der kann erahnen, was eine Strategie des indirekten Zwangs auslösen würde. Niemandem ist geholfen, wenn sich statt Angst vor dem Virus Hass und Misstrauen gegenüber Regierung und Mitbürgern weiter ausbreiten.

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Man kann schimpfen über all jene, die sich nicht impfen lassen wollen. Man kann ihre Entscheidung uninformiert, dumm oder egoistisch nennen. Aber man sollte anerkennen, dass es eine Entscheidung ist. Ja, ein erneuter Lockdown muss dringend verhindert werden, Schulen müssen mit bestmöglichem Schutz geöffnet bleiben. Doch gleichzeitig müssen wir auch das Recht zur Selbstbestimmung wahren, wo wir können.

Nicht geimpft? Pech gehabt

Viele Menschen werden von selbst neuen Antrieb für eine Impfung finden, wenn die Zahlen weiter anziehen, die Temperaturen sinken, und das Leben nicht mehr ganz so sorglos erscheint wie dieser Tage. Manche werden sich impfen lassen, weil sie keine Lust auf ständige Tests haben. Andere, weil zum Beispiel Arbeitgeber, Kollegen oder Familien Druck machen. Wieder andere werden sich pieksen lassen, weil sie dazu eine Gratis-Bratwurst oder einen Gutschein gereicht bekommen. Und die Privatwirtschaft stellt ohnehin ihre eigenen Spielregeln auf. All das wird am Ende voraussichtlich nicht genug sein.

Der Punkt, an dem jeder die Möglichkeit zu einer Impfung erhalten hat, ist vielleicht genau der, an dem wir einen Schritt zurück machen müssen. Positive Anreize, Testpflicht, Maskenpflicht, Informationskampagnen, sanfter Druck im Familien- und Freundeskreis: Wenn all das fehlschlägt, dann ja: Pech gehabt. Mit der Ablehnung der Impfung ist auch ein schwerer und womöglich tödlicher Krankheitsverlauf eine bewusste Entscheidung. Konzentrieren wir uns lieber auf all die, die keine Wahl haben, auf besonders Gefährdete und auf die Jüngsten unter uns, und sorgen dafür, dass sie möglichst sicher leben und lernen können, egal welche Entscheidung einzelne Erwachsene um sie herum treffen.

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