Kommentar zu WoelkiDer Vatikan malt sich die Welt, wie sie ihm gefällt

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Kardinal Rainer Maria Woelki im Kölner Dom

Kardinal Rainer Maria Woelki im Kölner Dom

So kann man es auch machen. Der Vatikan, so meldet es die „Katholische Nachrichten-Agentur“ (KNA), erklärt das Agieren von Kardinal Rainer Woelki im Missbrauchsfall des mit ihm befreundeten Priesters Johannes O. zu einer Frage der Klugheit. Ob es klug von Woelki war, die ganze Angelegenheit, von der er seit 2011 Kenntnis hatte, im Jahr 2015 zu den Akten zu legen? Ob es klug von Woelki war, den Pfarrer trotz der gegen ihn bestehenden Vorwürfe 2012 zur Kardinalserhebung nach Rom mitzunehmen, offenbar ohne ihn je mit dem Verdacht konfrontiert zu haben? Klar, das kann man fragen. Ob es dann auch noch klug von Woelki war, nach Aufdeckung des Vorgangs im vergangenen Dezember erst das Missbrauchsopfer und dann die Opferbeauftragte für das eigene Nichtstun mitverantwortlich zu machen? Klar, kann man alles fragen.

Woelki hätte den Fall nach Rom melden müssen

Nur: Es sind die falschen Fragen. Weil es nicht um Klugheit geht. Die Meldung des Falls nach Rom hätte ohne Wenn und Aber erfolgen müssen. Das sehen nicht erst, wie die römische Glaubenskongregation in bislang unerfindlicher Klugheit vorzutragen scheint, die von Papst Franziskus erlassenen Vorschriften vor. Schon Papst Benedikt XVI. schrieb 2010 eine Berichtspflicht für alle Bischöfe vor. Das ist keine Klugheitsregel, sondern eine Rechtsnorm. Aber die kann man in Rom offenbar nach Belieben dehnen.

Hinzu kommt eine geradezu überirdische Fähigkeit römischer Behörden zur Wahrheitsfindung. Dazu müssen sie niemanden befragen (außer Woelki vielleicht). Dazu brauchen sie auch keine Prüfung an Ort und Stelle, womöglich den Versuch einer Kontaktaufnahme mit dem Missbrauchsopfer oder eine Befragung der – von Woelki zu Unrecht beschuldigten – Missbrauchsbeauftragten. Nein, das entscheidet man in Rom an schweren, voluminösen, neobarocken Schreibtischen. Und belässt es bei einer Frage der Klugheit, noch bevor es irgendwie auch um Fragen der Moral gehen könnte oder um eine schier unausrottbare Tendenz, Missbrauch in der Kirche mal so, mal so zu behandeln.

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Der Heilige Vater soll urteilen

Eines war ganz sicher schlau: Dass Woelki sich in der Causa, in der er sich nach Prüfung seines Gewissens korrekt verhalten zu haben glaubt, direkt an den Papst gewandt hat. Die kirchlichen Regularien hätten vorgesehen, dass die Bischofskongregation in Rom eine Prüfung veranlasst. Die hätte der Münsteraner Bischof Felix Genn als dienstältester Bischof der Kölner Kirchenprovinz vornehmen müssen. Die vom Papst gesetzte Frist für solch einen Prüfauftrag ist längst verstrichen. Woelki erklärte dazu im Dezember süffisant, er als Kardinal müsse sich nur dem Papst gegenüber verantworten, doch nicht gegenüber einfachen Bischof. Der Heilige Vater allein soll sagen dürfen, was sein Sohn in Köln falsch gemacht hat – oder eben auch nicht.

Wie gesagt, kann man alles so machen. Am Ende aber bestätigt sich damit nur eines: Die katholische Kirche ist ein in sich geschlossenes System. Man macht sich die heile Welt, wie sie einem gefällt, nicht nur in Rom. Woraus die Gläubigen, die an dieser Closed-Shop-Denke verzweifeln, und erst recht die Opfer sexuellen Missbrauchs das Zutrauen hernehmen sollen, dass es den Verantwortlichen in Rom, in Köln und überall ernst ist mit Begriffen wie Aufklärung, Transparenz und Verantwortung – für die Antwort auf diese Frage bedarf es ganz sicher der Klugheit in einem sehr eigenwilligen Sinn.

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