Zum Auftakt der Debatte üben sich Bundeskanzler Merz und Arbeitsministerin Bas in vergifteter Rhetorik. Das lässt Übles befürchten.
Vor Herbst der EntscheidungenVergiftete Bürgergeld-Debatte auf dem Rücken der Ärmsten


Schwarz-Rot blockiert Sozialreformen durch Streit (Symbolbild).
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„Wir leben seit Jahren über unsere Verhältnisse“, warnt Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und kündigt Einschnitte beim Bürgergeld an. Das ist einer dieser Sätze, die sowohl sachlich korrekt als auch politisch brandgefährlich sind.
Die Sozialausgaben laufen aus dem Ruder. Fast 47 Milliarden Euro wurden 2024 für Bürgergeld ausgegeben. Die nun von Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) angekündigte Nullrunde beim Bürgergeld ist daher sinnvoll und längst erwartet.
Bürgergeld-Bezieher werden zu Sündenböcken gemacht
Was irritiert, ist aber die Rhetorik: Nicht nur Merz macht Bürgergeld-Bezieher zu Sündenböcken für steigende Staatsausgaben, nicht nur die AfD schlägt Kapital daraus, dass fast die Hälfte der Empfänger eine ausländische Staatsangehörigkeit haben. Nein, auch Bas rüstet jetzt rhetorisch auf.
Ihre Ankündigung, Terminverweigerern deutlich stärker die Bezüge zu kürzen, ist sachlich nicht zu beanstanden. Aber vermeintlich faule Bürgergeld-Empfänger pauschal denjenigen gegenüberzustellen, „die jeden Morgen aufstehen“, knüpft an eine ohnehin vergiftete Debatte an. Und Bas weiß das.
Herbst der Entscheidungen
Die schwarz-rote Koalition steht vor einem Herbst der schwierigen Entscheidungen, besonders in der Sozialpolitik. Dass ihre Spitzen diese Debatte schon jetzt nicht ohne vergiftete Rhetorik führen können, lässt Übles vermuten.
Was das Bürgergeld angeht, liegen die Fakten längst auf dem Tisch: Ja, es gibt organisierten Missbrauch verknüpft mit einer Armutszuwanderung, gegen den härter vorgegangen werden muss. Und es gibt auch „Totalverweigerer“. Beides aber sind Randphänomene
Die Debatte muss anders laufen: Wie können Empfänger schneller aus dem Bürgergeld geholt werden? Wie lässt sich das System fitter machen? Das aber ist mühevoller, als populistische Reflexe zu bedienen.